net, nicht um die Zeit zu tödten duselt und schlummert, oder Karten und Würfel zu Surrogaten seiner Wirkungskraft braucht; nie begehrt sich selber zu entfliehen, und mitten im Geräusch der Unbehäglichen, oder wenn er im einsamen Thale Lustwandelt, Nahrung vollauf für seinen Geist zu samm- len weiß. Aber nicht riesenmäsige Wünsche gebiehrt, Feenschlösser erbaut, Luftschiffe vom Stapel laufen läßt, Seifenblasen von seinem Strohhalm zum Zeitvertreibe aus dem Fenster herausschleudert; oder gar aus wildgährendem Geschäftstrieb Engelseher und Geisterbanner wird, wie Swedenborg und Schröpfer waren. Sondern die Zeit, so weit sie sein Eigenthum ist, also gebraucht, daß er derselben nicht mißbraucht; nicht al- lein nichts dummes beginnt, sondern auch was kluges thut, das der Welt nutzet und frommet, wenigstens so gedeutet werden kann; wenn gleich das bonum publicum im Grunde nicht eben das eigentliche Wurf- ziel des Beginnens ist: denn wo ist der ge- meine Nutzen Endzweck? -- Vorspiege- lung, Larve ist er, wie ehemals das soli Deo gloria der Schriftsteller. Aber das Mäntelgen ist doch sittlicher und anständi-
ger,
net, nicht um die Zeit zu toͤdten duſelt und ſchlummert, oder Karten und Wuͤrfel zu Surrogaten ſeiner Wirkungskraft braucht; nie begehrt ſich ſelber zu entfliehen, und mitten im Geraͤuſch der Unbehaͤglichen, oder wenn er im einſamen Thale Luſtwandelt, Nahrung vollauf fuͤr ſeinen Geiſt zu ſamm- len weiß. Aber nicht rieſenmaͤſige Wuͤnſche gebiehrt, Feenſchloͤſſer erbaut, Luftſchiffe vom Stapel laufen laͤßt, Seifenblaſen von ſeinem Strohhalm zum Zeitvertreibe aus dem Fenſter herausſchleudert; oder gar aus wildgaͤhrendem Geſchaͤftstrieb Engelſeher und Geiſterbanner wird, wie Swedenborg und Schroͤpfer waren. Sondern die Zeit, ſo weit ſie ſein Eigenthum iſt, alſo gebraucht, daß er derſelben nicht mißbraucht; nicht al- lein nichts dummes beginnt, ſondern auch was kluges thut, das der Welt nutzet und frommet, wenigſtens ſo gedeutet werden kann; wenn gleich das bonum publicum im Grunde nicht eben das eigentliche Wurf- ziel des Beginnens iſt: denn wo iſt der ge- meine Nutzen Endzweck? — Vorſpiege- lung, Larve iſt er, wie ehemals das ſoli Deo gloria der Schriftſteller. Aber das Maͤntelgen iſt doch ſittlicher und anſtaͤndi-
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net, nicht um die Zeit zu toͤdten duſelt und
ſchlummert, oder Karten und Wuͤrfel zu
Surrogaten ſeiner Wirkungskraft braucht;
nie begehrt ſich ſelber zu entfliehen, und
mitten im Geraͤuſch der Unbehaͤglichen, oder
wenn er im einſamen Thale Luſtwandelt,
Nahrung vollauf fuͤr ſeinen Geiſt zu ſamm-
len weiß. Aber nicht rieſenmaͤſige Wuͤnſche
gebiehrt, Feenſchloͤſſer erbaut, Luftſchiffe
vom Stapel laufen laͤßt, Seifenblaſen von
ſeinem Strohhalm zum Zeitvertreibe aus
dem Fenſter herausſchleudert; oder gar aus
wildgaͤhrendem Geſchaͤftstrieb Engelſeher
und Geiſterbanner wird, wie Swedenborg
und Schroͤpfer waren. Sondern die Zeit,
ſo weit ſie ſein Eigenthum iſt, alſo gebraucht,
daß er derſelben nicht mißbraucht; nicht al-
lein nichts dummes beginnt, ſondern auch
was kluges thut, das der Welt nutzet und
frommet, wenigſtens ſo gedeutet werden
kann; wenn gleich das bonum publicum
im Grunde nicht eben das eigentliche Wurf-
ziel des Beginnens iſt: denn wo iſt der ge-
meine Nutzen Endzweck? — Vorſpiege-
lung, Larve iſt er, wie ehemals das ſoli
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Maͤntelgen iſt doch ſittlicher und anſtaͤndi-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/26>, abgerufen am 16.02.2025.
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