Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.serste Bedürfniß mir zu begehen auferlegte. Laß fahren dahin! Das arme mitleids- urtheilt N 3
ſerſte Beduͤrfniß mir zu begehen auferlegte. Laß fahren dahin! Das arme mitleids- urtheilt N 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0203" n="197"/> ſerſte Beduͤrfniß mir zu begehen auferlegte.<lb/> Mit dem waͤrmſten Gefuͤhl des Dankes und<lb/> der Hochachtung ſchrieb dieſes Blatt die un-<lb/> gluͤkliche <hi rendition="#fr">Sophie.</hi></p><lb/> <p>Laß fahren dahin! Das arme mitleids-<lb/> werthe Geſchoͤpf bedarfs; ’s lag doch als<lb/> ein tod Kapital im Kaſten, mag ſie’s hin-<lb/> nehmen, als ein Allmoſen, iſt in guten<lb/> Haͤnden. Bin dem Maͤdchen noch immer<lb/> gut: ihr offenherzig Bekenntniß und ihre<lb/> Silhouett’, die ich vor mir hab’, hat mich<lb/> mit der kleinen Schlang ganz wieder ausge-<lb/> ſoͤhnt. Wenn ich ihr Profil beſchau, find<lb/> ich nach allen phyſiognomiſchen Regeln,<lb/> mein erſt Urtheil, laut Buch, dennoch be-<lb/> ſtaͤtiget. Noch immer die reine, gute, in<lb/> ſich ſelbſt wohnende Seele, die Stirn ſo<lb/> Eindrucksfaͤhig — Getroffen in Wahrheit!<lb/> daher eben die unwiderſtehliche Leidenſchaft,<lb/> die ſie ſelbſt bekennt. — Aber wie? Die<lb/> Naſe einer reinen iungfraͤulichen Seele, und<lb/> das Auge hinſchmachtend in Wonnegefuͤhl<lb/><hi rendition="#fr">unkoͤrperlicher</hi> Liebe: die Liebe hat ſich<lb/> doch traun hier verkoͤrpert. — Demun-<lb/> geachtet ia! ia! ia! alles richtig, reine<lb/> goldlautere Wahrheit: der Phyſiognomiſt<lb/> <fw place="bottom" type="sig">N 3</fw><fw place="bottom" type="catch">urtheilt</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0203]
ſerſte Beduͤrfniß mir zu begehen auferlegte.
Mit dem waͤrmſten Gefuͤhl des Dankes und
der Hochachtung ſchrieb dieſes Blatt die un-
gluͤkliche Sophie.
Laß fahren dahin! Das arme mitleids-
werthe Geſchoͤpf bedarfs; ’s lag doch als
ein tod Kapital im Kaſten, mag ſie’s hin-
nehmen, als ein Allmoſen, iſt in guten
Haͤnden. Bin dem Maͤdchen noch immer
gut: ihr offenherzig Bekenntniß und ihre
Silhouett’, die ich vor mir hab’, hat mich
mit der kleinen Schlang ganz wieder ausge-
ſoͤhnt. Wenn ich ihr Profil beſchau, find
ich nach allen phyſiognomiſchen Regeln,
mein erſt Urtheil, laut Buch, dennoch be-
ſtaͤtiget. Noch immer die reine, gute, in
ſich ſelbſt wohnende Seele, die Stirn ſo
Eindrucksfaͤhig — Getroffen in Wahrheit!
daher eben die unwiderſtehliche Leidenſchaft,
die ſie ſelbſt bekennt. — Aber wie? Die
Naſe einer reinen iungfraͤulichen Seele, und
das Auge hinſchmachtend in Wonnegefuͤhl
unkoͤrperlicher Liebe: die Liebe hat ſich
doch traun hier verkoͤrpert. — Demun-
geachtet ia! ia! ia! alles richtig, reine
goldlautere Wahrheit: der Phyſiognomiſt
urtheilt
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