sen, Schmetterlinge und Fliegen zu ha- schen, das Gewürm zu zählen, Schnecken- häuser zu sammlen, und für die Gestalten der Bruchstein' Namen zu ersinnen, als Menschenantlitz zu studiren, und aus die- ser äusern Schaale den innwendigen Kern herauszuknacken. Dadurch es denn ge- schehen, daß diese edle Wissenschaft manch Säkulum hindurch gar verfinstert und be- graben gelegen, bis sie endlich in unsern Tagen, durch den großen Kraißlauf aller Ding', wieder ans Licht bracht und zu ih- rem vorigen Glanze gediehen ist.
Das war mir nun eine gar herrliche Fundgrube, aus der ich zu meinem Behuf manchen Schatz, der vorhin meinen Au- gen verborgen war, bereits zu Tage ge- fördert; find' auch, daß das physiognomi- sche Flöz so ergiebig ist, daß es bey Men- schengedenken nicht absetzen kann, und mei- nem Geiste Nahrung gewähren wird mein Lebelang. Thät mich hierauf bald mit ei- nigen Freunden zusammen, mit denen ich physiognomische Verhandlung anhub, sucht' und forschte mit ihnen nach der Wahrheit, brachte meine Observationen fleißig zn Pa-
pier,
ſen, Schmetterlinge und Fliegen zu ha- ſchen, das Gewuͤrm zu zaͤhlen, Schnecken- haͤuſer zu ſammlen, und fuͤr die Geſtalten der Bruchſtein’ Namen zu erſinnen, als Menſchenantlitz zu ſtudiren, und aus die- ſer aͤuſern Schaale den innwendigen Kern herauszuknacken. Dadurch es denn ge- ſchehen, daß dieſe edle Wiſſenſchaft manch Saͤkulum hindurch gar verfinſtert und be- graben gelegen, bis ſie endlich in unſern Tagen, durch den großen Kraißlauf aller Ding’, wieder ans Licht bracht und zu ih- rem vorigen Glanze gediehen iſt.
Das war mir nun eine gar herrliche Fundgrube, aus der ich zu meinem Behuf manchen Schatz, der vorhin meinen Au- gen verborgen war, bereits zu Tage ge- foͤrdert; find’ auch, daß das phyſiognomi- ſche Floͤz ſo ergiebig iſt, daß es bey Men- ſchengedenken nicht abſetzen kann, und mei- nem Geiſte Nahrung gewaͤhren wird mein Lebelang. Thaͤt mich hierauf bald mit ei- nigen Freunden zuſammen, mit denen ich phyſiognomiſche Verhandlung anhub, ſucht’ und forſchte mit ihnen nach der Wahrheit, brachte meine Obſervationen fleißig zn Pa-
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ſen, Schmetterlinge und Fliegen zu ha-
ſchen, das Gewuͤrm zu zaͤhlen, Schnecken-
haͤuſer zu ſammlen, und fuͤr die Geſtalten
der Bruchſtein’ Namen zu erſinnen, als
Menſchenantlitz zu ſtudiren, und aus die-
ſer aͤuſern Schaale den innwendigen Kern
herauszuknacken. Dadurch es denn ge-
ſchehen, daß dieſe edle Wiſſenſchaft manch
Saͤkulum hindurch gar verfinſtert und be-
graben gelegen, bis ſie endlich in unſern
Tagen, durch den großen Kraißlauf aller
Ding’, wieder ans Licht bracht und zu ih-
rem vorigen Glanze gediehen iſt.
Das war mir nun eine gar herrliche
Fundgrube, aus der ich zu meinem Behuf
manchen Schatz, der vorhin meinen Au-
gen verborgen war, bereits zu Tage ge-
foͤrdert; find’ auch, daß das phyſiognomi-
ſche Floͤz ſo ergiebig iſt, daß es bey Men-
ſchengedenken nicht abſetzen kann, und mei-
nem Geiſte Nahrung gewaͤhren wird mein
Lebelang. Thaͤt mich hierauf bald mit ei-
nigen Freunden zuſammen, mit denen ich
phyſiognomiſche Verhandlung anhub, ſucht’
und forſchte mit ihnen nach der Wahrheit,
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/17>, abgerufen am 08.07.2024.
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