Wahrlich, kein günstiger Adspekt für die Wissenschaften! Aber Freund mit Gunst, daß ich auch beym Gleichniß bleib': Sie reden von der Sach wie'n Jud und nicht wie'n Münzwaradein. Jener findet immer das Geld, das andre Leut' im Sack tragen zu leicht, um seines Vortheis willen, und giebt nur seine Dukaten für voll und über- wichtig aus; dieser dagegen prüft den wah- ren Gehalt desselben mittelst der Streichna- del oder auf der Kapell'. Kommt hier al- les auf die Frag' an, was einer unter Ge- lehrsamkeit versteh, ausserdem giebts Wort- krieg, worinn leicht ieder Recht behält.
Mag. Gr. Wohlgesprochen! Das Wort Gelehrsamkeit und Litteraturwesen ist allerdings vieldentig. Nach dem ausge- dehntesten Begriff, bezeichnet ienes zuwei- len den ganzen Umfang menschlicher Er- kenntniß; in eingeschränkterm Verstande bedeutet es Wissenschaft nüzlicher Kennt- nisse; und die Mittel solche zu erlangen heis- sen Schulgelehrsamkeit; Litteratur, in so fern dieses Wort nicht als gleichbedeutend mit Gelehrsamkeit überhaupt genommen
wird,
te fabricirt werden, findet keine Abneh- mer.
Wahrlich, kein guͤnſtiger Adſpekt fuͤr die Wiſſenſchaften! Aber Freund mit Gunſt, daß ich auch beym Gleichniß bleib’: Sie reden von der Sach wie’n Jud und nicht wie’n Muͤnzwaradein. Jener findet immer das Geld, das andre Leut’ im Sack tragen zu leicht, um ſeines Vortheis willen, und giebt nur ſeine Dukaten fuͤr voll und uͤber- wichtig aus; dieſer dagegen pruͤft den wah- ren Gehalt deſſelben mittelſt der Streichna- del oder auf der Kapell’. Kommt hier al- les auf die Frag’ an, was einer unter Ge- lehrſamkeit verſteh, auſſerdem giebts Wort- krieg, worinn leicht ieder Recht behaͤlt.
Mag. Gr. Wohlgeſprochen! Das Wort Gelehrſamkeit und Litteraturweſen iſt allerdings vieldentig. Nach dem ausge- dehnteſten Begriff, bezeichnet ienes zuwei- len den ganzen Umfang menſchlicher Er- kenntniß; in eingeſchraͤnkterm Verſtande bedeutet es Wiſſenſchaft nuͤzlicher Kennt- niſſe; und die Mittel ſolche zu erlangen heiſ- ſen Schulgelehrſamkeit; Litteratur, in ſo fern dieſes Wort nicht als gleichbedeutend mit Gelehrſamkeit uͤberhaupt genommen
wird,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0164"n="158"/>
te fabricirt werden, findet keine Abneh-<lb/>
mer.</p><lb/><p>Wahrlich, kein guͤnſtiger Adſpekt fuͤr die<lb/>
Wiſſenſchaften! Aber Freund mit Gunſt,<lb/>
daß ich auch beym Gleichniß bleib’: Sie<lb/>
reden von der Sach wie’n Jud und nicht<lb/>
wie’n Muͤnzwaradein. Jener findet immer<lb/>
das Geld, das andre Leut’ im Sack tragen<lb/>
zu leicht, um ſeines Vortheis willen, und<lb/>
giebt nur ſeine Dukaten fuͤr voll und uͤber-<lb/>
wichtig aus; dieſer dagegen pruͤft den wah-<lb/>
ren Gehalt deſſelben mittelſt der Streichna-<lb/>
del oder auf der Kapell’. Kommt hier al-<lb/>
les auf die Frag’ an, was einer unter Ge-<lb/>
lehrſamkeit verſteh, auſſerdem giebts Wort-<lb/>
krieg, worinn leicht ieder Recht behaͤlt.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Mag. Gr.</hi> Wohlgeſprochen! Das<lb/>
Wort Gelehrſamkeit und Litteraturweſen iſt<lb/>
allerdings vieldentig. Nach dem ausge-<lb/>
dehnteſten Begriff, bezeichnet ienes zuwei-<lb/>
len den ganzen Umfang menſchlicher Er-<lb/>
kenntniß; in eingeſchraͤnkterm Verſtande<lb/>
bedeutet es Wiſſenſchaft nuͤzlicher Kennt-<lb/>
niſſe; und die Mittel ſolche zu erlangen heiſ-<lb/>ſen Schulgelehrſamkeit; Litteratur, in ſo<lb/>
fern dieſes Wort nicht als gleichbedeutend<lb/>
mit Gelehrſamkeit uͤberhaupt genommen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wird,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[158/0164]
te fabricirt werden, findet keine Abneh-
mer.
Wahrlich, kein guͤnſtiger Adſpekt fuͤr die
Wiſſenſchaften! Aber Freund mit Gunſt,
daß ich auch beym Gleichniß bleib’: Sie
reden von der Sach wie’n Jud und nicht
wie’n Muͤnzwaradein. Jener findet immer
das Geld, das andre Leut’ im Sack tragen
zu leicht, um ſeines Vortheis willen, und
giebt nur ſeine Dukaten fuͤr voll und uͤber-
wichtig aus; dieſer dagegen pruͤft den wah-
ren Gehalt deſſelben mittelſt der Streichna-
del oder auf der Kapell’. Kommt hier al-
les auf die Frag’ an, was einer unter Ge-
lehrſamkeit verſteh, auſſerdem giebts Wort-
krieg, worinn leicht ieder Recht behaͤlt.
Mag. Gr. Wohlgeſprochen! Das
Wort Gelehrſamkeit und Litteraturweſen iſt
allerdings vieldentig. Nach dem ausge-
dehnteſten Begriff, bezeichnet ienes zuwei-
len den ganzen Umfang menſchlicher Er-
kenntniß; in eingeſchraͤnkterm Verſtande
bedeutet es Wiſſenſchaft nuͤzlicher Kennt-
niſſe; und die Mittel ſolche zu erlangen heiſ-
ſen Schulgelehrſamkeit; Litteratur, in ſo
fern dieſes Wort nicht als gleichbedeutend
mit Gelehrſamkeit uͤberhaupt genommen
wird,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/164>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.