lichkeit vorlügen, und den Seher irr' ma- chen. Sind doch unlängst die Goldphy- siognomisten in Paris, die Wechsler an den Nürnberger Rechenpfennigen irr wor- den, daß sie solche für Louisd'or des neuen Schlags ihres Königs angesehen haben; demungeachtet wird keine Menschenseel' die- sen Herrn Tiefblick in ihrem Gewerb ab- sprechen können, so wenig als uns in dent unsrigen. Jch vermein' aber es sey da- mit eine eigne Sach'; oft ist's nur Flach- blick, oder gar Schiefblick, was einer wähnt Tiefblick zu seyn. Hat der Mann, des Auge gediegener Lichtstrahl ist, zuwei- len neben Wahrheit hingesehen, so kan das Jhnen und mir auch begegnen. Ei- ner der Kirchenväter spricht, ich weiß nicht welcher: irren ist menschlich, aber im Jrr- thum beharren ist teuflisch. Leb' der gu- ten Hoffnung, daß Jhr Jrrthum auch nur menschlich sey, und daß mein Profil, wenn Sie's eines zweyten Anblicks werth achten, Jhnen ganz was anders zusagen werd' als das Erstemal.
Den Jhrer Gerichtsfrohn entkommenen Jnquisiten, dürften Sie schwerlich in der Person des Bader Meffners wieder finden.
Jst
K 3
lichkeit vorluͤgen, und den Seher irr’ ma- chen. Sind doch unlaͤngſt die Goldphy- ſiognomiſten in Paris, die Wechsler an den Nuͤrnberger Rechenpfennigen irr wor- den, daß ſie ſolche fuͤr Louisd’or des neuen Schlags ihres Koͤnigs angeſehen haben; demungeachtet wird keine Menſchenſeel’ die- ſen Herrn Tiefblick in ihrem Gewerb ab- ſprechen koͤnnen, ſo wenig als uns in dent unſrigen. Jch vermein’ aber es ſey da- mit eine eigne Sach’; oft iſt’s nur Flach- blick, oder gar Schiefblick, was einer waͤhnt Tiefblick zu ſeyn. Hat der Mann, des Auge gediegener Lichtſtrahl iſt, zuwei- len neben Wahrheit hingeſehen, ſo kan das Jhnen und mir auch begegnen. Ei- ner der Kirchenvaͤter ſpricht, ich weiß nicht welcher: irren iſt menſchlich, aber im Jrr- thum beharren iſt teufliſch. Leb’ der gu- ten Hoffnung, daß Jhr Jrrthum auch nur menſchlich ſey, und daß mein Profil, wenn Sie’s eines zweyten Anblicks werth achten, Jhnen ganz was anders zuſagen werd’ als das Erſtemal.
Den Jhrer Gerichtsfrohn entkommenen Jnquiſiten, duͤrften Sie ſchwerlich in der Perſon des Bader Meffners wieder finden.
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ſiognomiſten in Paris, die Wechsler an
den Nuͤrnberger Rechenpfennigen irr wor-
den, daß ſie ſolche fuͤr Louisd’or des neuen
Schlags ihres Koͤnigs angeſehen haben;
demungeachtet wird keine Menſchenſeel’ die-
ſen Herrn Tiefblick in ihrem Gewerb ab-
ſprechen koͤnnen, ſo wenig als uns in dent
unſrigen. Jch vermein’ aber es ſey da-
mit eine eigne Sach’; oft iſt’s nur Flach-
blick, oder gar Schiefblick, was einer
waͤhnt Tiefblick zu ſeyn. Hat der Mann,
des Auge gediegener Lichtſtrahl iſt, zuwei-
len neben Wahrheit hingeſehen, ſo kan
das Jhnen und mir auch begegnen. Ei-
ner der Kirchenvaͤter ſpricht, ich weiß nicht
welcher: irren iſt menſchlich, aber im Jrr-
thum beharren iſt teufliſch. Leb’ der gu-
ten Hoffnung, daß Jhr Jrrthum auch nur
menſchlich ſey, und daß mein Profil, wenn
Sie’s eines zweyten Anblicks werth achten,
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/155>, abgerufen am 16.02.2025.
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