Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762.Diese Leute sind um deswillen auch bey dem Frauenzimmer wohl gelitten, weil sie eben so schwatzhaft sind als die Schönen, und sich dahero vollkommen zu ihnen schicken, über dieses verehren sie das schöne Geschlecht aufs äußerste. Wenn alle Frauen Sklavinnen ihrer Männer sind, so sind die Frauen der Philosophen Königinnen. Sie dürfen es wagen die philosophische Gelassenheit ihrer Männer zu prüfen, ohne daher nachtheilige Folgen zu erwarten. Sokrates, einer der vortrefflichsten Weltweisen aus dem Alterthume, hatte eine solche Ehetirannin, die ihr Andenken durch ihre Bosheiten gegen ihren Herrn bis auf unsre Zeiten erhalten hat. Da sie einsmals diesen Weltweisen durch eine Ladung von Schmähreden zwang, sein Haus zu verlassen, und ihm noch darzu ein Geschirr voll unreines Wasser über den Hals goß, ließ dieser Weltweise hierüber keine andere Empfindlichkeit spühren, als daß er zu seinen Freunden sagte: ich dachte wohl, daß auf dieses Ungewitter ein Platzregen folgen würde. Diese Leute sind um deswillen auch bey dem Frauenzimmer wohl gelitten, weil sie eben so schwatzhaft sind als die Schönen, und sich dahero vollkommen zu ihnen schicken, über dieses verehren sie das schöne Geschlecht aufs äußerste. Wenn alle Frauen Sklavinnen ihrer Männer sind, so sind die Frauen der Philosophen Königinnen. Sie dürfen es wagen die philosophische Gelassenheit ihrer Männer zu prüfen, ohne daher nachtheilige Folgen zu erwarten. Sokrates, einer der vortrefflichsten Weltweisen aus dem Alterthume, hatte eine solche Ehetirannin, die ihr Andenken durch ihre Bosheiten gegen ihren Herrn bis auf unsre Zeiten erhalten hat. Da sie einsmals diesen Weltweisen durch eine Ladung von Schmähreden zwang, sein Haus zu verlassen, und ihm noch darzu ein Geschirr voll unreines Wasser über den Hals goß, ließ dieser Weltweise hierüber keine andere Empfindlichkeit spühren, als daß er zu seinen Freunden sagte: ich dachte wohl, daß auf dieses Ungewitter ein Platzregen folgen würde. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0279" n="277"/> Diese Leute sind um deswillen auch bey dem Frauenzimmer wohl gelitten, weil sie eben so schwatzhaft sind als die Schönen, und sich dahero vollkommen zu ihnen schicken, über dieses verehren sie das schöne Geschlecht aufs äußerste. Wenn alle Frauen Sklavinnen ihrer Männer sind, so sind die Frauen der Philosophen Königinnen. Sie dürfen es wagen die philosophische Gelassenheit ihrer Männer zu prüfen, ohne daher nachtheilige Folgen zu erwarten. Sokrates, einer der vortrefflichsten Weltweisen aus dem Alterthume, hatte eine solche Ehetirannin, die ihr Andenken durch ihre Bosheiten gegen ihren Herrn bis auf unsre Zeiten erhalten hat. Da sie einsmals diesen Weltweisen durch eine Ladung von Schmähreden zwang, sein Haus zu verlassen, und ihm noch darzu ein Geschirr voll unreines Wasser über den Hals goß, ließ dieser Weltweise hierüber keine andere Empfindlichkeit spühren, als daß er zu seinen Freunden sagte: ich dachte wohl, daß auf dieses Ungewitter ein Platzregen folgen würde. </p> </div> </body> </text> </TEI> [277/0279]
Diese Leute sind um deswillen auch bey dem Frauenzimmer wohl gelitten, weil sie eben so schwatzhaft sind als die Schönen, und sich dahero vollkommen zu ihnen schicken, über dieses verehren sie das schöne Geschlecht aufs äußerste. Wenn alle Frauen Sklavinnen ihrer Männer sind, so sind die Frauen der Philosophen Königinnen. Sie dürfen es wagen die philosophische Gelassenheit ihrer Männer zu prüfen, ohne daher nachtheilige Folgen zu erwarten. Sokrates, einer der vortrefflichsten Weltweisen aus dem Alterthume, hatte eine solche Ehetirannin, die ihr Andenken durch ihre Bosheiten gegen ihren Herrn bis auf unsre Zeiten erhalten hat. Da sie einsmals diesen Weltweisen durch eine Ladung von Schmähreden zwang, sein Haus zu verlassen, und ihm noch darzu ein Geschirr voll unreines Wasser über den Hals goß, ließ dieser Weltweise hierüber keine andere Empfindlichkeit spühren, als daß er zu seinen Freunden sagte: ich dachte wohl, daß auf dieses Ungewitter ein Platzregen folgen würde.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |