Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.nicht genennet hatte. Ich dachte deswegen, ist dir wohl, so bleib davon, daß du nicht kriegest bösen Lohn. Es ist gewiß nicht umsonst geschehen, daß der Verfasser sich nicht genennet hat, das hat seine Ursachen. Wir leben jetzo in gar bedenklichen Zeiten. Briefe zu bestellen, ohne zu wissen, von wannen sie kommen, ist gar gefährlich, es kann einer heutiges Tages in Leib- und Lebensgefahr darüber gerathen. Was deines Amts nicht ist, laß deinen Fürwitz. Briefe gehören auf die Post; ich bin aber weder ein Postknecht noch ein Postmeister jemals gewesen, sondern meiner Profeßion nach bin ich ein Oeconomus, und wenn ich ihm als ein solcher einen Gefallen kann erweisen, will ich es gern thun; aber zu weiter versteh ich mich nichts. Durch andrer Leute Schaden bin ich klug gemacht. Andräs, der Großknecht auf hiesigem Edelhofe, hat sich neulich von dem Herrn Schulmeister auch einen Brief lassen aufschwatzen, solchen in der Stadt zu bestellen, da er aber damit ans Thor kommt, haben ihn die Soldaten visentiret, den Brief genommen, aufgebrochen nicht genennet hatte. Ich dachte deswegen, ist dir wohl, so bleib davon, daß du nicht kriegest bösen Lohn. Es ist gewiß nicht umsonst geschehen, daß der Verfasser sich nicht genennet hat, das hat seine Ursachen. Wir leben jetzo in gar bedenklichen Zeiten. Briefe zu bestellen, ohne zu wissen, von wannen sie kommen, ist gar gefährlich, es kann einer heutiges Tages in Leib- und Lebensgefahr darüber gerathen. Was deines Amts nicht ist, laß deinen Fürwitz. Briefe gehören auf die Post; ich bin aber weder ein Postknecht noch ein Postmeister jemals gewesen, sondern meiner Profeßion nach bin ich ein Oeconomus, und wenn ich ihm als ein solcher einen Gefallen kann erweisen, will ich es gern thun; aber zu weiter versteh ich mich nichts. Durch andrer Leute Schaden bin ich klug gemacht. Andräs, der Großknecht auf hiesigem Edelhofe, hat sich neulich von dem Herrn Schulmeister auch einen Brief lassen aufschwatzen, solchen in der Stadt zu bestellen, da er aber damit ans Thor kommt, haben ihn die Soldaten visentiret, den Brief genommen, aufgebrochen <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0301" n="299"/> nicht genennet hatte. Ich dachte deswegen, ist dir wohl, so bleib davon, daß du nicht kriegest bösen Lohn. Es ist gewiß nicht umsonst geschehen, daß der Verfasser sich nicht genennet hat, das hat seine Ursachen. Wir leben jetzo in gar bedenklichen Zeiten. Briefe zu bestellen, ohne zu wissen, von wannen sie kommen, ist gar gefährlich, es kann einer heutiges Tages in Leib- und Lebensgefahr <choice><sic>darü-</sic><corr>darüber</corr></choice> gerathen. Was deines Amts nicht ist, laß deinen Fürwitz. Briefe gehören auf die Post; ich bin aber weder ein Postknecht noch ein Postmeister jemals gewesen, sondern meiner Profeßion nach bin ich ein Oeconomus, und wenn ich ihm als ein solcher einen Gefallen kann erweisen, will ich es gern thun; aber zu weiter versteh ich mich nichts. Durch andrer Leute Schaden bin ich klug gemacht. Andräs, der Großknecht auf hiesigem Edelhofe, hat sich neulich von dem Herrn Schulmeister auch einen Brief lassen aufschwatzen, solchen in der Stadt zu bestellen, da er aber damit ans Thor kommt, haben ihn die Soldaten visentiret, den Brief genommen, aufgebrochen </p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [299/0301]
nicht genennet hatte. Ich dachte deswegen, ist dir wohl, so bleib davon, daß du nicht kriegest bösen Lohn. Es ist gewiß nicht umsonst geschehen, daß der Verfasser sich nicht genennet hat, das hat seine Ursachen. Wir leben jetzo in gar bedenklichen Zeiten. Briefe zu bestellen, ohne zu wissen, von wannen sie kommen, ist gar gefährlich, es kann einer heutiges Tages in Leib- und Lebensgefahr darüber gerathen. Was deines Amts nicht ist, laß deinen Fürwitz. Briefe gehören auf die Post; ich bin aber weder ein Postknecht noch ein Postmeister jemals gewesen, sondern meiner Profeßion nach bin ich ein Oeconomus, und wenn ich ihm als ein solcher einen Gefallen kann erweisen, will ich es gern thun; aber zu weiter versteh ich mich nichts. Durch andrer Leute Schaden bin ich klug gemacht. Andräs, der Großknecht auf hiesigem Edelhofe, hat sich neulich von dem Herrn Schulmeister auch einen Brief lassen aufschwatzen, solchen in der Stadt zu bestellen, da er aber damit ans Thor kommt, haben ihn die Soldaten visentiret, den Brief genommen, aufgebrochen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |