Seite. Da er mir nicht mit Ehrerbietung zuvor kommen und mich fragen wollte, warum ich ein so verdrüßlich Gesichte machte; so sagte ich es ihm recht deutlich, daß ich über einer gewissen Begebenheit, die mir heute zugestoßen, sehr empfindlich wäre. Nun schien es, als wenn er seine Unachtsamkeit wieder einbringen und mir alles auf einmal aus den Augen lesen wollte. Ich wies ihm die Briefe, und erzählte die Unterredung mit dem Verwalter, er erstaunte über meine Geschichte. Ich entdeckte ihm meine Gedanken von der Sache, er hörte mich an, ohne ihnen beizufallen, noch sie zu verwerfen. Er überdachte alle Umstände nochmals reiflich und mit solcher Aufmerksamkeit, daß ich glaubte, den Herrn Pitt vor mir zu sehen, wenn er Krieg und Frieden wägt. Er erklärte den Major gleichsam durch einen Machtspruch für unschuldig, endlich gefiel es ihm, auch seine Gründe diesfalls anzuzeigen. Er glaubte, daß eine so niederträchtige Handlung dem Charakter des Herrn v. Ln. zuwider sey; er versicherte zugleich, daß er seine
Seite. Da er mir nicht mit Ehrerbietung zuvor kommen und mich fragen wollte, warum ich ein so verdrüßlich Gesichte machte; so sagte ich es ihm recht deutlich, daß ich über einer gewissen Begebenheit, die mir heute zugestoßen, sehr empfindlich wäre. Nun schien es, als wenn er seine Unachtsamkeit wieder einbringen und mir alles auf einmal aus den Augen lesen wollte. Ich wies ihm die Briefe, und erzählte die Unterredung mit dem Verwalter, er erstaunte über meine Geschichte. Ich entdeckte ihm meine Gedanken von der Sache, er hörte mich an, ohne ihnen beizufallen, noch sie zu verwerfen. Er überdachte alle Umstände nochmals reiflich und mit solcher Aufmerksamkeit, daß ich glaubte, den Herrn Pitt vor mir zu sehen, wenn er Krieg und Frieden wägt. Er erklärte den Major gleichsam durch einen Machtspruch für unschuldig, endlich gefiel es ihm, auch seine Gründe diesfalls anzuzeigen. Er glaubte, daß eine so niederträchtige Handlung dem Charakter des Herrn v. Ln. zuwider sey; er versicherte zugleich, daß er seine
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0287"n="285"/>
Seite. Da er mir nicht mit Ehrerbietung zuvor kommen und mich fragen wollte, warum ich ein so verdrüßlich Gesichte machte; so sagte ich es ihm recht deutlich, daß ich über einer gewissen Begebenheit, die mir heute zugestoßen, sehr empfindlich wäre. Nun schien es, als wenn er seine Unachtsamkeit wieder einbringen und mir alles auf einmal aus den Augen lesen wollte. Ich wies ihm die Briefe, und erzählte die Unterredung mit dem Verwalter, er erstaunte über meine Geschichte. Ich entdeckte ihm meine Gedanken von der Sache, er hörte mich an, ohne ihnen beizufallen, noch sie zu verwerfen. Er überdachte alle Umstände nochmals reiflich und mit solcher Aufmerksamkeit, daß ich glaubte, den Herrn Pitt vor mir zu sehen, wenn er Krieg und Frieden wägt. Er erklärte den Major gleichsam durch einen Machtspruch für unschuldig, endlich gefiel es ihm, auch seine Gründe diesfalls anzuzeigen. Er glaubte, daß eine so niederträchtige Handlung dem Charakter des Herrn v. Ln. zuwider sey; er versicherte zugleich, daß er seine
</p></div></body></text></TEI>
[285/0287]
Seite. Da er mir nicht mit Ehrerbietung zuvor kommen und mich fragen wollte, warum ich ein so verdrüßlich Gesichte machte; so sagte ich es ihm recht deutlich, daß ich über einer gewissen Begebenheit, die mir heute zugestoßen, sehr empfindlich wäre. Nun schien es, als wenn er seine Unachtsamkeit wieder einbringen und mir alles auf einmal aus den Augen lesen wollte. Ich wies ihm die Briefe, und erzählte die Unterredung mit dem Verwalter, er erstaunte über meine Geschichte. Ich entdeckte ihm meine Gedanken von der Sache, er hörte mich an, ohne ihnen beizufallen, noch sie zu verwerfen. Er überdachte alle Umstände nochmals reiflich und mit solcher Aufmerksamkeit, daß ich glaubte, den Herrn Pitt vor mir zu sehen, wenn er Krieg und Frieden wägt. Er erklärte den Major gleichsam durch einen Machtspruch für unschuldig, endlich gefiel es ihm, auch seine Gründe diesfalls anzuzeigen. Er glaubte, daß eine so niederträchtige Handlung dem Charakter des Herrn v. Ln. zuwider sey; er versicherte zugleich, daß er seine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/287>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.