Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

breitete über die ganze Versammlung ein gewisses steifes Wesen aus, das mir desto lächerlicher vorkam, je ungewöhnlicher es sonst bei derselben anzutreffen ist. Dieses veranlaßte mich, Ihr Schloß in das Escurial und uns alle in Grands von Spanien zu verwandeln, ich wünschte nur noch, daß sich die Herren bedecken möchten. Es wurde von nichts als von Ahnen und Stammregistern gesprochen; lauter Dinge, die zu meiner Vorstellung überaus wohl paßten, und sie so lebhaft machten, daß wenig fehlte, daß ich nicht meinen Oncle Ihro Majestät genennt hätte. Doch da er hernach im Begriff war, einen seiner Vorfahren bei der Zerstöhrung Jerusalems Hand anlegen zu lassen, so verschwanden diese schönen Vorstellungen. Der Herr von H. der meinem Oncle einige Zweifel hierüber machte, zog meine Aufmerksamkeit auf sich; doch dieser wußte sie so geschickt aufzulösen, daß ihm der Herr v. H. Recht lassen mußte. Ich weiß selbst nicht, durch was für einen Zufall die Gespräche so geschwind wechselten, daß man von den Archiven der Ahnen in die Vorrathskammer kam;

breitete über die ganze Versammlung ein gewisses steifes Wesen aus, das mir desto lächerlicher vorkam, je ungewöhnlicher es sonst bei derselben anzutreffen ist. Dieses veranlaßte mich, Ihr Schloß in das Escurial und uns alle in Grands von Spanien zu verwandeln, ich wünschte nur noch, daß sich die Herren bedecken möchten. Es wurde von nichts als von Ahnen und Stammregistern gesprochen; lauter Dinge, die zu meiner Vorstellung überaus wohl paßten, und sie so lebhaft machten, daß wenig fehlte, daß ich nicht meinen Oncle Ihro Majestät genennt hätte. Doch da er hernach im Begriff war, einen seiner Vorfahren bei der Zerstöhrung Jerusalems Hand anlegen zu lassen, so verschwanden diese schönen Vorstellungen. Der Herr von H. der meinem Oncle einige Zweifel hierüber machte, zog meine Aufmerksamkeit auf sich; doch dieser wußte sie so geschickt aufzulösen, daß ihm der Herr v. H. Recht lassen mußte. Ich weiß selbst nicht, durch was für einen Zufall die Gespräche so geschwind wechselten, daß man von den Archiven der Ahnen in die Vorrathskammer kam;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0245" n="243"/>
breitete über die ganze Versammlung ein gewisses steifes Wesen aus, das mir desto lächerlicher vorkam, je ungewöhnlicher es sonst bei derselben anzutreffen ist. Dieses veranlaßte mich, Ihr Schloß in das Escurial und uns alle in Grands von Spanien zu verwandeln, ich wünschte nur noch, daß sich die Herren bedecken möchten. Es wurde von nichts als von Ahnen und Stammregistern gesprochen; lauter Dinge, die zu meiner Vorstellung überaus wohl paßten, und sie so lebhaft machten, daß wenig fehlte, daß ich nicht meinen Oncle Ihro Majestät genennt hätte. Doch da er hernach im Begriff war, einen seiner Vorfahren bei der Zerstöhrung Jerusalems Hand anlegen zu lassen, so verschwanden diese schönen Vorstellungen. Der Herr von H. der meinem Oncle einige Zweifel hierüber machte, zog meine Aufmerksamkeit auf sich; doch dieser wußte sie so geschickt aufzulösen, daß ihm der Herr v. H. Recht lassen mußte. Ich weiß selbst nicht, durch was für einen Zufall die Gespräche so geschwind wechselten, daß man von den Archiven der Ahnen in die Vorrathskammer kam;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0245] breitete über die ganze Versammlung ein gewisses steifes Wesen aus, das mir desto lächerlicher vorkam, je ungewöhnlicher es sonst bei derselben anzutreffen ist. Dieses veranlaßte mich, Ihr Schloß in das Escurial und uns alle in Grands von Spanien zu verwandeln, ich wünschte nur noch, daß sich die Herren bedecken möchten. Es wurde von nichts als von Ahnen und Stammregistern gesprochen; lauter Dinge, die zu meiner Vorstellung überaus wohl paßten, und sie so lebhaft machten, daß wenig fehlte, daß ich nicht meinen Oncle Ihro Majestät genennt hätte. Doch da er hernach im Begriff war, einen seiner Vorfahren bei der Zerstöhrung Jerusalems Hand anlegen zu lassen, so verschwanden diese schönen Vorstellungen. Der Herr von H. der meinem Oncle einige Zweifel hierüber machte, zog meine Aufmerksamkeit auf sich; doch dieser wußte sie so geschickt aufzulösen, daß ihm der Herr v. H. Recht lassen mußte. Ich weiß selbst nicht, durch was für einen Zufall die Gespräche so geschwind wechselten, daß man von den Archiven der Ahnen in die Vorrathskammer kam;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/245
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/245>, abgerufen am 28.11.2024.