Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.
Ihre zweite Bedingung kann ich ohne Bedenken erfüllen; die erste aber entstehet aus einem Vorurtheile, das leicht zu widerlegen ist. Ich habe die Frau v. W. nicht beleidiget, also ist auch eine Abbitte unnöthig. Was ich von ihr gesagt habe, das sind nur zufällige Gedanken gewesen, die ich nie vor Wahrheiten ausgegeben habe. Wenn sie sich dadurch beleidiget glaubt, so muß man ihr als einem schwachen Werkzeuge ihre Ehre geben, und sie begütigen. Eine Ehrenerklärung aber wird mir nicht schwer fallen, ich halte jede Dame für eine Dame von Ehre, bis ich es anders finde. Die Frau v. W. ist die Gemahlin meines Freundes, ich gestehe ihr alle die Ehre zu, die sie dadurch erhält. Der Baron. Getrauen sie sich gegen diese Erklärung ein einziges Wort aufzubringen? Der Major. Nicht ein Wort. Ich bin damit zufrieden, ich sehe daß ein Misverstand unsern ganzen Zwist erreget hat. Ich ärgere mich nur, daß ich gegen diesen vortreflichen
Ihre zweite Bedingung kann ich ohne Bedenken erfüllen; die erste aber entstehet aus einem Vorurtheile, das leicht zu widerlegen ist. Ich habe die Frau v. W. nicht beleidiget, also ist auch eine Abbitte unnöthig. Was ich von ihr gesagt habe, das sind nur zufällige Gedanken gewesen, die ich nie vor Wahrheiten ausgegeben habe. Wenn sie sich dadurch beleidiget glaubt, so muß man ihr als einem schwachen Werkzeuge ihre Ehre geben, und sie begütigen. Eine Ehrenerklärung aber wird mir nicht schwer fallen, ich halte jede Dame für eine Dame von Ehre, bis ich es anders finde. Die Frau v. W. ist die Gemahlin meines Freundes, ich gestehe ihr alle die Ehre zu, die sie dadurch erhält. Der Baron. Getrauen sie sich gegen diese Erklärung ein einziges Wort aufzubringen? Der Major. Nicht ein Wort. Ich bin damit zufrieden, ich sehe daß ein Misverstand unsern ganzen Zwist erreget hat. Ich ärgere mich nur, daß ich gegen diesen vortreflichen
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <floatingText> <body> <div n="2"> <sp> <p><pb facs="#f0122" n="120"/> Ihre zweite Bedingung kann ich ohne Bedenken erfüllen; die erste aber entstehet aus einem Vorurtheile, das leicht zu widerlegen ist. Ich habe die Frau v. W. nicht beleidiget, also ist auch eine Abbitte unnöthig. Was ich von ihr gesagt habe, das sind nur zufällige Gedanken gewesen, die ich nie vor Wahrheiten ausgegeben habe. Wenn sie sich dadurch beleidiget glaubt, so muß man ihr als einem schwachen Werkzeuge ihre Ehre geben, und sie begütigen. Eine Ehrenerklärung aber wird mir nicht schwer fallen, ich halte jede Dame für eine Dame von Ehre, bis ich es anders finde. Die Frau v. W. ist die Gemahlin meines Freundes, ich gestehe ihr alle die Ehre zu, die sie dadurch erhält.</p> </sp> <sp> <speaker><hi rendition="#fr">Der Baron</hi>.</speaker> <p>Getrauen sie sich gegen diese Erklärung ein einziges Wort aufzubringen?</p> </sp> <sp> <speaker><hi rendition="#fr">Der Major</hi>.</speaker> <p>Nicht ein Wort. Ich bin damit zufrieden, ich sehe daß ein Misverstand unsern ganzen Zwist erreget hat. Ich ärgere mich nur, daß ich gegen diesen vortreflichen </p> </sp> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [120/0122]
Ihre zweite Bedingung kann ich ohne Bedenken erfüllen; die erste aber entstehet aus einem Vorurtheile, das leicht zu widerlegen ist. Ich habe die Frau v. W. nicht beleidiget, also ist auch eine Abbitte unnöthig. Was ich von ihr gesagt habe, das sind nur zufällige Gedanken gewesen, die ich nie vor Wahrheiten ausgegeben habe. Wenn sie sich dadurch beleidiget glaubt, so muß man ihr als einem schwachen Werkzeuge ihre Ehre geben, und sie begütigen. Eine Ehrenerklärung aber wird mir nicht schwer fallen, ich halte jede Dame für eine Dame von Ehre, bis ich es anders finde. Die Frau v. W. ist die Gemahlin meines Freundes, ich gestehe ihr alle die Ehre zu, die sie dadurch erhält.
Der Baron. Getrauen sie sich gegen diese Erklärung ein einziges Wort aufzubringen?
Der Major. Nicht ein Wort. Ich bin damit zufrieden, ich sehe daß ein Misverstand unsern ganzen Zwist erreget hat. Ich ärgere mich nur, daß ich gegen diesen vortreflichen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |