Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

mich doch heute unvermuthet, und da ich ihm nicht die geringste Ursache darzu gegeben habe, aus seinen Diensten entlassen, und dabei vorgewendet, ich hätte mich von Ihnen bestechen lassen, und zu ungewöhnlicher Zeit Thür und Thor aufgesperret, und dadurch verursachet, daß Sie den Herrn und die gnädige Frau auf den Tod erschrecket hätten. Ich dachte, was für große Fische ich dabei fangen würde, wenn ich gegen Ew. Gnaden so dienstwillig wäre, und mich bereden lies, Ihnen zu willfahren; aber diese Gutwilligkeit hat mich um meine Versorgung gebracht, und wenn mir Ew. Gnaden nicht helfen, so habe ich mich zwischen zwei Stühle niedergesetzt. Die gnädige Frau sagte, da ich sie bat, wegen einer so geringen Ursache mich doch nicht mit Weib und Kindern aus dem Edelhofe zu verstoßen, in welchem ich länger gewohnt habe, als sie selbsten, ich sollte mich nur an Sie halten, Sie brächten mich um mein Stückgen Brodt und müßten mich auch nun ernähren. Ich thue Ihnen also meinen Unglücksfall zu wissen, in Unterthänigkeit

mich doch heute unvermuthet, und da ich ihm nicht die geringste Ursache darzu gegeben habe, aus seinen Diensten entlassen, und dabei vorgewendet, ich hätte mich von Ihnen bestechen lassen, und zu ungewöhnlicher Zeit Thür und Thor aufgesperret, und dadurch verursachet, daß Sie den Herrn und die gnädige Frau auf den Tod erschrecket hätten. Ich dachte, was für große Fische ich dabei fangen würde, wenn ich gegen Ew. Gnaden so dienstwillig wäre, und mich bereden lies, Ihnen zu willfahren; aber diese Gutwilligkeit hat mich um meine Versorgung gebracht, und wenn mir Ew. Gnaden nicht helfen, so habe ich mich zwischen zwei Stühle niedergesetzt. Die gnädige Frau sagte, da ich sie bat, wegen einer so geringen Ursache mich doch nicht mit Weib und Kindern aus dem Edelhofe zu verstoßen, in welchem ich länger gewohnt habe, als sie selbsten, ich sollte mich nur an Sie halten, Sie brächten mich um mein Stückgen Brodt und müßten mich auch nun ernähren. Ich thue Ihnen also meinen Unglücksfall zu wissen, in Unterthänigkeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0335" n="320"/>
mich doch heute unvermuthet, und da ich ihm nicht die geringste Ursache darzu gegeben habe, aus seinen Diensten entlassen, und dabei vorgewendet, ich hätte mich von Ihnen bestechen lassen, und zu ungewöhnlicher Zeit Thür und Thor aufgesperret, und dadurch verursachet, daß Sie den Herrn und die gnädige Frau auf den Tod erschrecket hätten. Ich dachte, was für große Fische ich dabei fangen würde, wenn ich gegen Ew. Gnaden so dienstwillig wäre, und mich bereden lies, Ihnen zu willfahren; aber diese Gutwilligkeit hat mich um meine Versorgung gebracht, und wenn mir Ew. Gnaden nicht helfen, so habe ich mich zwischen zwei Stühle niedergesetzt. Die gnädige Frau sagte, da ich sie bat, wegen einer so geringen Ursache mich doch nicht mit Weib und Kindern aus dem Edelhofe zu verstoßen, in welchem ich länger gewohnt habe, als sie selbsten, ich sollte mich nur an Sie halten, Sie brächten mich um mein Stückgen Brodt und müßten mich auch nun ernähren. Ich thue Ihnen also meinen Unglücksfall zu wissen, in Unterthänigkeit
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0335] mich doch heute unvermuthet, und da ich ihm nicht die geringste Ursache darzu gegeben habe, aus seinen Diensten entlassen, und dabei vorgewendet, ich hätte mich von Ihnen bestechen lassen, und zu ungewöhnlicher Zeit Thür und Thor aufgesperret, und dadurch verursachet, daß Sie den Herrn und die gnädige Frau auf den Tod erschrecket hätten. Ich dachte, was für große Fische ich dabei fangen würde, wenn ich gegen Ew. Gnaden so dienstwillig wäre, und mich bereden lies, Ihnen zu willfahren; aber diese Gutwilligkeit hat mich um meine Versorgung gebracht, und wenn mir Ew. Gnaden nicht helfen, so habe ich mich zwischen zwei Stühle niedergesetzt. Die gnädige Frau sagte, da ich sie bat, wegen einer so geringen Ursache mich doch nicht mit Weib und Kindern aus dem Edelhofe zu verstoßen, in welchem ich länger gewohnt habe, als sie selbsten, ich sollte mich nur an Sie halten, Sie brächten mich um mein Stückgen Brodt und müßten mich auch nun ernähren. Ich thue Ihnen also meinen Unglücksfall zu wissen, in Unterthänigkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760/335
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760/335>, abgerufen am 22.11.2024.