Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

würde, Ihnen, ich weis nicht was, zu vergeben. Haben Sie ein Mistrauen in mich gesetzet, bin ich Ihren Augen ein falsches Mädchen gewesen; so habe ich mich an Ihnen schon genug dadurch gerochen, daß ich Sie von dem Gegentheile so genau zu überzeugen mich bemühet habe, daß sich Ihr garstiger Argwohn hat verstecken müßten. Ich bin nicht wenig stolz darauf, daß Sie inne werden, daß Sie nicht alleine ein gutes Herz haben, und daß Sie mir eben diese Ehre, wenigstens in Absicht auf Sich selbsten, zugestehen müssen: in Absicht auf andere aber scheint es, als wenn Sie mich für sehr muthwillig, wo nicht gar für boshaft hielten. Ich muß mich deswegen bei Ihnen rechtfertigen. Sie sind tungendhaft meine Juliane, Sie haben enges Gewissen, Sie sind gar zu zärtlich. Wenn ich Ihnen nicht suchte Ihren Irrthum zu benehmen, so würden Sie mich für das leichtsinnigste Mädchen von der Welt halten, und nichts wäre mir unleidlicher als dieses. Wer hat Ihnen denn gesagt, daß ich den Plan, wie Sie es nennen, zu

würde, Ihnen, ich weis nicht was, zu vergeben. Haben Sie ein Mistrauen in mich gesetzet, bin ich Ihren Augen ein falsches Mädchen gewesen; so habe ich mich an Ihnen schon genug dadurch gerochen, daß ich Sie von dem Gegentheile so genau zu überzeugen mich bemühet habe, daß sich Ihr garstiger Argwohn hat verstecken müßten. Ich bin nicht wenig stolz darauf, daß Sie inne werden, daß Sie nicht alleine ein gutes Herz haben, und daß Sie mir eben diese Ehre, wenigstens in Absicht auf Sich selbsten, zugestehen müssen: in Absicht auf andere aber scheint es, als wenn Sie mich für sehr muthwillig, wo nicht gar für boshaft hielten. Ich muß mich deswegen bei Ihnen rechtfertigen. Sie sind tungendhaft meine Juliane, Sie haben enges Gewissen, Sie sind gar zu zärtlich. Wenn ich Ihnen nicht suchte Ihren Irrthum zu benehmen, so würden Sie mich für das leichtsinnigste Mädchen von der Welt halten, und nichts wäre mir unleidlicher als dieses. Wer hat Ihnen denn gesagt, daß ich den Plan, wie Sie es nennen, zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0306" n="291"/>
würde, Ihnen, ich weis nicht was, zu vergeben. Haben Sie ein Mistrauen in mich gesetzet, bin ich Ihren Augen ein falsches Mädchen gewesen; so habe ich mich an Ihnen schon genug dadurch gerochen, daß ich Sie von dem Gegentheile so genau zu überzeugen mich bemühet habe, daß sich Ihr garstiger Argwohn hat verstecken müßten. Ich bin nicht wenig stolz darauf, daß Sie inne werden, daß Sie nicht alleine ein gutes Herz haben, und daß Sie mir eben diese Ehre, wenigstens in Absicht auf Sich selbsten, zugestehen müssen: in Absicht auf andere aber scheint es, als wenn Sie mich für sehr muthwillig, wo nicht gar für boshaft hielten. Ich muß mich deswegen bei Ihnen rechtfertigen. Sie sind tungendhaft meine Juliane, Sie haben enges Gewissen, Sie sind gar zu zärtlich. Wenn ich Ihnen nicht suchte Ihren Irrthum zu benehmen, so würden Sie mich für das leichtsinnigste Mädchen von der Welt halten, und nichts wäre mir unleidlicher als dieses. Wer hat Ihnen denn gesagt, daß ich den Plan, wie Sie es nennen, zu
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0306] würde, Ihnen, ich weis nicht was, zu vergeben. Haben Sie ein Mistrauen in mich gesetzet, bin ich Ihren Augen ein falsches Mädchen gewesen; so habe ich mich an Ihnen schon genug dadurch gerochen, daß ich Sie von dem Gegentheile so genau zu überzeugen mich bemühet habe, daß sich Ihr garstiger Argwohn hat verstecken müßten. Ich bin nicht wenig stolz darauf, daß Sie inne werden, daß Sie nicht alleine ein gutes Herz haben, und daß Sie mir eben diese Ehre, wenigstens in Absicht auf Sich selbsten, zugestehen müssen: in Absicht auf andere aber scheint es, als wenn Sie mich für sehr muthwillig, wo nicht gar für boshaft hielten. Ich muß mich deswegen bei Ihnen rechtfertigen. Sie sind tungendhaft meine Juliane, Sie haben enges Gewissen, Sie sind gar zu zärtlich. Wenn ich Ihnen nicht suchte Ihren Irrthum zu benehmen, so würden Sie mich für das leichtsinnigste Mädchen von der Welt halten, und nichts wäre mir unleidlicher als dieses. Wer hat Ihnen denn gesagt, daß ich den Plan, wie Sie es nennen, zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760/306
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760/306>, abgerufen am 25.11.2024.