Muralt, Johann von: Eydgnössischer Lust-Garte. Zürich, 1715.DEDICATIO. Kugel ledig schwebet/ und aufkeine Sei-ten wancket/ mit allen ihren Landschaf- ten/ Bergen und Thäleren auf den Was- seren gegründet/ und mit dem hohen Welt-Meere umgürtet ist/ daß dessen ströhmende Wällen den Erdboden an Höhe übersteigen/ und doch nicht über- schwämmen? Wie auf dieser Erde Sommer/ Winter/ Frühling und Herbst zu einer Zeit zugleich ist/ und sich doch den Lands-gegnen nach abwechßlen? Wie die Sonne und der gläntzende Him- mel die Erde auftröcknet/ und doch das Tauw gibet? Wie die Erde/ dero Was- ser und der Lufft von der Sonne und dem Mohne befruchtet/ und mit allerley vier- füssigen/ gehenden und kriechenden/ schwümenden und fliegenden Thieren belebt wird/ und dennoch allen noch ge- nugsam Speise herfür bringet sie zu er- halten? Ja wer kan sich darein finden/ daß eben in dieser gantzen grossen weiten Welt/ der Schöpfer aller Dingen/ noch eine kleine Welt erschaffen/ die er zum Meister der Mutter/ und zum forder- sten Wercke seiner allerweisesten Vorse- hung verordnet hat/ ob sie schon das letstes aller Geschöpffen ware? Jch ver- stehe )( 4
DEDICATIO. Kugel ledig ſchwebet/ und aufkeine Sei-ten wancket/ mit allen ihren Landſchaf- ten/ Bergen und Thaͤleren auf den Waſ- ſeren gegruͤndet/ und mit dem hohen Welt-Meere umguͤrtet iſt/ daß deſſen ſtroͤhmende Waͤllen den Erdboden an Hoͤhe uͤberſteigen/ und doch nicht uͤber- ſchwaͤmmen? Wie auf dieſer Erde Sommer/ Winter/ Fruͤhling und Herbſt zu einer Zeit zugleich iſt/ und ſich doch den Lands-gegnen nach abwechßlen? Wie die Sonne und der glaͤntzende Him- mel die Erde auftroͤcknet/ und doch das Tauw gibet? Wie die Erde/ dero Waſ- ſer und der Lufft von der Sonne und dem Mohne befruchtet/ und mit allerley vier- fuͤſſigen/ gehenden und kriechenden/ ſchwuͤmenden und fliegenden Thieren belebt wird/ und dennoch allen noch ge- nugſam Speiſe herfuͤr bringet ſie zu er- halten? Ja wer kan ſich darein finden/ daß eben in dieſer gantzen groſſen weiten Welt/ der Schoͤpfer aller Dingen/ noch eine kleine Welt erſchaffen/ die er zum Meiſter der Mutter/ und zum forder- ſten Wercke ſeiner allerweiſeſten Vorſe- hung verordnet hat/ ob ſie ſchon das letſtes aller Geſchoͤpffen ware? Jch ver- ſtehe )( 4
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DEDICATIO.
Kugel ledig ſchwebet/ und aufkeine Sei-
ten wancket/ mit allen ihren Landſchaf-
ten/ Bergen und Thaͤleren auf den Waſ-
ſeren gegruͤndet/ und mit dem hohen
Welt-Meere umguͤrtet iſt/ daß deſſen
ſtroͤhmende Waͤllen den Erdboden an
Hoͤhe uͤberſteigen/ und doch nicht uͤber-
ſchwaͤmmen? Wie auf dieſer Erde
Sommer/ Winter/ Fruͤhling und
Herbſt zu einer Zeit zugleich iſt/ und ſich
doch den Lands-gegnen nach abwechßlen?
Wie die Sonne und der glaͤntzende Him-
mel die Erde auftroͤcknet/ und doch das
Tauw gibet? Wie die Erde/ dero Waſ-
ſer und der Lufft von der Sonne und dem
Mohne befruchtet/ und mit allerley vier-
fuͤſſigen/ gehenden und kriechenden/
ſchwuͤmenden und fliegenden Thieren
belebt wird/ und dennoch allen noch ge-
nugſam Speiſe herfuͤr bringet ſie zu er-
halten? Ja wer kan ſich darein finden/
daß eben in dieſer gantzen groſſen weiten
Welt/ der Schoͤpfer aller Dingen/ noch
eine kleine Welt erſchaffen/ die er zum
Meiſter der Mutter/ und zum forder-
ſten Wercke ſeiner allerweiſeſten Vorſe-
hung verordnet hat/ ob ſie ſchon das
letſtes aller Geſchoͤpffen ware? Jch ver-
ſtehe
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