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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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nach unten hinabdringt. Das ist der Prozeß in Europa
gewesen, das war er auch in Japan. In den ersten
Jahrhunderten nach dem Eindringen der chinesischen
Kultur waren die unteren Klassen des japanischen Volkes
vollständig von jeder Bildung ausgeschlossen. Dem Staat
war es nicht sowohl um allgemeine Aufklärung, als
vielmehr um Schaffung eines tüchtigen Beamtenstandes
zu thun. Eine Volksschule gab es also damals in Japan
so wenig wie in Deutschland. Vielmehr war die erste
Schule, welche um das Jahr 668 gegründet wurde, eine
Hochschule 1). Die Fächer, welche auf derselben gelehrt
wurden, waren: Chinesische Klassiker und zwar, obliga-
torisch für alle Studenten, besonders Kokyo (= Hiaoking
"Kanon der Pietät") und Rongo (= Lüngü "Sprüche
des Konfuzius über Moral, Politik etc."), ferner Medizin,
Astrologie und Musik. Nach dem Muster dieser Hoch-
schule wurden auch in den Distriktshauptstädten des
Landes Lehranstalten errichtet, und es ist wiederum ein
treffender Beweis für die japanische Achtung vor dem
Wissen, daß die Gouverneure der Provinzen selbst ver-
pflichtet waren, an diesen Schulen zu unterrichten, so-
weit ihre litterarischen Kenntnisse dazu ausreichten. Die
Zahl der Besucher war entsprechend dem Bedarf an
Beamten, Ärzten und Lehrern eine beschränkte. Wer
bei dem Schlußexamen zum dritten Male durchfiel,
wurde nicht wieder zugelassen. Wer nicht wenigstens
drei klassische Bücher anstandslos lesen und erklären
konnte, erhielt die Qualifikation zum Beamten nicht.

1) Vergl. J. Bolljahn, Japanisches Schulwesen (Druck und
Verlag von A. Haack, Berlin). Eine eingehende Darstellung, die
ich warm empfehle. Der Verfasser ist seit einem Jahrzehnt als
Lehrer der deutschen und englischen Sprache und Litteratur in
Tokyo thätig und als gründlicher Kenner des japanischen Unter-
richtswesens bekannt.

nach unten hinabdringt. Das iſt der Prozeß in Europa
geweſen, das war er auch in Japan. In den erſten
Jahrhunderten nach dem Eindringen der chineſiſchen
Kultur waren die unteren Klaſſen des japaniſchen Volkes
vollſtändig von jeder Bildung ausgeſchloſſen. Dem Staat
war es nicht ſowohl um allgemeine Aufklärung, als
vielmehr um Schaffung eines tüchtigen Beamtenſtandes
zu thun. Eine Volksſchule gab es alſo damals in Japan
ſo wenig wie in Deutſchland. Vielmehr war die erſte
Schule, welche um das Jahr 668 gegründet wurde, eine
Hochſchule 1). Die Fächer, welche auf derſelben gelehrt
wurden, waren: Chineſiſche Klaſſiker und zwar, obliga-
toriſch für alle Studenten, beſonders Kokyo (= Hiaoking
„Kanon der Pietät“) und Rongo (= Lüngü „Sprüche
des Konfuzius über Moral, Politik ꝛc.“), ferner Medizin,
Aſtrologie und Muſik. Nach dem Muſter dieſer Hoch-
ſchule wurden auch in den Diſtriktshauptſtädten des
Landes Lehranſtalten errichtet, und es iſt wiederum ein
treffender Beweis für die japaniſche Achtung vor dem
Wiſſen, daß die Gouverneure der Provinzen ſelbſt ver-
pflichtet waren, an dieſen Schulen zu unterrichten, ſo-
weit ihre litterariſchen Kenntniſſe dazu ausreichten. Die
Zahl der Beſucher war entſprechend dem Bedarf an
Beamten, Ärzten und Lehrern eine beſchränkte. Wer
bei dem Schlußexamen zum dritten Male durchfiel,
wurde nicht wieder zugelaſſen. Wer nicht wenigſtens
drei klaſſiſche Bücher anſtandslos leſen und erklären
konnte, erhielt die Qualifikation zum Beamten nicht.

1) Vergl. J. Bolljahn, Japaniſches Schulweſen (Druck und
Verlag von A. Haack, Berlin). Eine eingehende Darſtellung, die
ich warm empfehle. Der Verfaſſer iſt ſeit einem Jahrzehnt als
Lehrer der deutſchen und engliſchen Sprache und Litteratur in
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richtsweſens bekannt.
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[85/0099] nach unten hinabdringt. Das iſt der Prozeß in Europa geweſen, das war er auch in Japan. In den erſten Jahrhunderten nach dem Eindringen der chineſiſchen Kultur waren die unteren Klaſſen des japaniſchen Volkes vollſtändig von jeder Bildung ausgeſchloſſen. Dem Staat war es nicht ſowohl um allgemeine Aufklärung, als vielmehr um Schaffung eines tüchtigen Beamtenſtandes zu thun. Eine Volksſchule gab es alſo damals in Japan ſo wenig wie in Deutſchland. Vielmehr war die erſte Schule, welche um das Jahr 668 gegründet wurde, eine Hochſchule 1). Die Fächer, welche auf derſelben gelehrt wurden, waren: Chineſiſche Klaſſiker und zwar, obliga- toriſch für alle Studenten, beſonders Kokyo (= Hiaoking „Kanon der Pietät“) und Rongo (= Lüngü „Sprüche des Konfuzius über Moral, Politik ꝛc.“), ferner Medizin, Aſtrologie und Muſik. Nach dem Muſter dieſer Hoch- ſchule wurden auch in den Diſtriktshauptſtädten des Landes Lehranſtalten errichtet, und es iſt wiederum ein treffender Beweis für die japaniſche Achtung vor dem Wiſſen, daß die Gouverneure der Provinzen ſelbſt ver- pflichtet waren, an dieſen Schulen zu unterrichten, ſo- weit ihre litterariſchen Kenntniſſe dazu ausreichten. Die Zahl der Beſucher war entſprechend dem Bedarf an Beamten, Ärzten und Lehrern eine beſchränkte. Wer bei dem Schlußexamen zum dritten Male durchfiel, wurde nicht wieder zugelaſſen. Wer nicht wenigſtens drei klaſſiſche Bücher anſtandslos leſen und erklären konnte, erhielt die Qualifikation zum Beamten nicht. 1) Vergl. J. Bolljahn, Japaniſches Schulweſen (Druck und Verlag von A. Haack, Berlin). Eine eingehende Darſtellung, die ich warm empfehle. Der Verfaſſer iſt ſeit einem Jahrzehnt als Lehrer der deutſchen und engliſchen Sprache und Litteratur in Tokyo thätig und als gründlicher Kenner des japaniſchen Unter- richtsweſens bekannt.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/99>, abgerufen am 27.11.2024.