das Nebensächliche kommt voran, der Hauptsatz steht immer am Ende. "Besuchen Sie mich manchmal, wenn Sie nach Tokyo kommen" muß notwendig wiedergegeben werden: "Wenn Sie nach Tokyo kommen, besuchen Sie mich manchmal" "Tokio ye oide nasattara, toki-doki irasshai". "Er sagte, er werde kommen, wenn das Wetter gut sei" (1, 2, 3) wird umgekehrt: "Wenn das Wetter gut sei, werde er kommen, sagte er" (3, 2, 1), "tenki ga yokereba, kuru to itta". So muß ein deutscher Satz mit drei oder vier Nebensätzen im Japanischen oft geradezu auf den Kopf gestellt werden, und ich kannte Japaner, bei denen es Prinzip war, bei Übersetzungen aus dem Deutschen von hinten anzufangen.
Es ist bewundernswert, wie streng der Japaner das Verhältnis der Koordination und Subordination durchführt. Wir sagen ruhig: "Gestern war ich krank und ging nicht zur Schule". Wir koordinieren. Dem Japaner geht das wider das Gefühl. In strikter Über- einstimmung mit dem wirklichen Verhältnis subordiniert er den ersten Satz, nur der zweite erscheint als selb- ständig, also: "Wegen Kranksein ging ich gestern nicht zur Schule", "byoki de kino gakko ye mairimasen deshita". "Es regnet und die Wege sind schlecht" wird: "Infolge Regnens sind die Wege schlecht", "ame ga futte michi ga warui".
Auch hier ist die japanische Sprache in unbedingter Harmonie mit der Logik des natürlichen Verstandes, welcher alles so sieht, wie es wirklich erscheint, das Nebensächliche als Nebensächliches setzt und dem Gegen- stand den Hauptplatz zuweist, dem er gebührt. Der Europäer wird nur dann richtig japanisch konstruieren, wenn er streng logisch d. h. in strenger Übereinstimmung mit den Verhältnissen denkt.
das Nebenſächliche kommt voran, der Hauptſatz ſteht immer am Ende. „Beſuchen Sie mich manchmal, wenn Sie nach Tokyo kommen“ muß notwendig wiedergegeben werden: „Wenn Sie nach Tokyo kommen, beſuchen Sie mich manchmal“ „Tokio ye oide nasattara, toki-doki irasshai“. „Er ſagte, er werde kommen, wenn das Wetter gut ſei“ (1, 2, 3) wird umgekehrt: „Wenn das Wetter gut ſei, werde er kommen, ſagte er“ (3, 2, 1), „tenki ga yokereba, kuru to itta“. So muß ein deutſcher Satz mit drei oder vier Nebenſätzen im Japaniſchen oft geradezu auf den Kopf geſtellt werden, und ich kannte Japaner, bei denen es Prinzip war, bei Überſetzungen aus dem Deutſchen von hinten anzufangen.
Es iſt bewundernswert, wie ſtreng der Japaner das Verhältnis der Koordination und Subordination durchführt. Wir ſagen ruhig: „Geſtern war ich krank und ging nicht zur Schule“. Wir koordinieren. Dem Japaner geht das wider das Gefühl. In ſtrikter Über- einſtimmung mit dem wirklichen Verhältnis ſubordiniert er den erſten Satz, nur der zweite erſcheint als ſelb- ſtändig, alſo: „Wegen Krankſein ging ich geſtern nicht zur Schule“, „byōki de kinō gakkō ye mairimasen deshita“. „Es regnet und die Wege ſind ſchlecht“ wird: „Infolge Regnens ſind die Wege ſchlecht“, „ame ga futte michi ga warui“.
Auch hier iſt die japaniſche Sprache in unbedingter Harmonie mit der Logik des natürlichen Verſtandes, welcher alles ſo ſieht, wie es wirklich erſcheint, das Nebenſächliche als Nebenſächliches ſetzt und dem Gegen- ſtand den Hauptplatz zuweiſt, dem er gebührt. Der Europäer wird nur dann richtig japaniſch konſtruieren, wenn er ſtreng logiſch d. h. in ſtrenger Übereinſtimmung mit den Verhältniſſen denkt.
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das Nebenſächliche kommt voran, der Hauptſatz ſteht
immer am Ende. „Beſuchen Sie mich manchmal, wenn
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mich manchmal“ „Tokio ye oide nasattara, toki-doki
irasshai“. „Er ſagte, er werde kommen, wenn das Wetter
gut ſei“ (1, 2, 3) wird umgekehrt: „Wenn das Wetter
gut ſei, werde er kommen, ſagte er“ (3, 2, 1), „tenki
ga yokereba, kuru to itta“. So muß ein deutſcher
Satz mit drei oder vier Nebenſätzen im Japaniſchen oft
geradezu auf den Kopf geſtellt werden, und ich kannte
Japaner, bei denen es Prinzip war, bei Überſetzungen
aus dem Deutſchen von hinten anzufangen.
Es iſt bewundernswert, wie ſtreng der Japaner
das Verhältnis der Koordination und Subordination
durchführt. Wir ſagen ruhig: „Geſtern war ich krank
und ging nicht zur Schule“. Wir koordinieren. Dem
Japaner geht das wider das Gefühl. In ſtrikter Über-
einſtimmung mit dem wirklichen Verhältnis ſubordiniert
er den erſten Satz, nur der zweite erſcheint als ſelb-
ſtändig, alſo: „Wegen Krankſein ging ich geſtern nicht
zur Schule“, „byōki de kinō gakkō ye mairimasen
deshita“. „Es regnet und die Wege ſind ſchlecht“ wird:
„Infolge Regnens ſind die Wege ſchlecht“, „ame ga
futte michi ga warui“.
Auch hier iſt die japaniſche Sprache in unbedingter
Harmonie mit der Logik des natürlichen Verſtandes,
welcher alles ſo ſieht, wie es wirklich erſcheint, das
Nebenſächliche als Nebenſächliches ſetzt und dem Gegen-
ſtand den Hauptplatz zuweiſt, dem er gebührt. Der
Europäer wird nur dann richtig japaniſch konſtruieren,
wenn er ſtreng logiſch d. h. in ſtrenger Übereinſtimmung
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/70>, abgerufen am 27.11.2024.
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