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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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mung und Unpersönlichkeit gehören viel mehr zusammen,
als wir oft zu denken geneigt sind. Finden wir sie doch
in enger Gemeinschaft zusammen in dem Kind! Das
Kind, noch nicht zu vollem Selbstbewußtsein erwachsen,
steht ganz innerhalb der Wahrnehmung; und gerade das
Kind ist es, welches sich besonders unpersönlich aus-
drückt. Das Kind spricht von sich in der dritten Person
und redet einen andern in der dritten Person an.
Für das Kind ist alles und jeder weder ich noch du,
sondern etwas Neutrales, ein Daseiendes, ein Ding,
gleichwie der Japaner das Wort "mono" (Ding) von
Sachen und Personen gleicherweise gebraucht. Wenn
also der Japaner unpersönlich, subjektslos denkt und
spricht, so hat das seine Ursache darin, daß sein Stand-
punkt der der empirischen Anschauung ist.

Mir ist es zweifellos, daß die Entwicklung der
japanischen Sprache von dem Verbum bezw. von dem
Prädikat ausging. Das Verbum nimmt in ihr die erste
Stelle ein. Ein Studium der Sprache, welches mit dem
Verbum beginnt, ist darum das Naturgemäße, und weil
es das Naturgemäße ist, auch das Empfehlenswerte.
Jeder, der Japanisch studiert hat, weiß: Wer das Verbum
beherrscht, und nur wer das Verbum beherrscht, meistert
die Sprache. Die Methode, welche mit dem Substantiv
beginnt und dann erst noch das Adjektiv, das Zahlwort
und Fürwort bringt, ehe sie zum Verbum kommt, ist
sehr anfechtbar. Im besonderen wieder ist es an-
gebracht, mit reinen Anschauungssätzen zu beginnen und
nicht mit der Eintrichterung einzelner Worte. Denn
das einzelne Wort ist abstrakt, der Wahrnehmungssatz
spiegelt die konkrete Wirklichkeit wieder. Für jeden
Menschen steht die Wahrnehmung im Vordergrund, sie
bildet die Grundlage des Denkens und folglich auch der

mung und Unperſönlichkeit gehören viel mehr zuſammen,
als wir oft zu denken geneigt ſind. Finden wir ſie doch
in enger Gemeinſchaft zuſammen in dem Kind! Das
Kind, noch nicht zu vollem Selbſtbewußtſein erwachſen,
ſteht ganz innerhalb der Wahrnehmung; und gerade das
Kind iſt es, welches ſich beſonders unperſönlich aus-
drückt. Das Kind ſpricht von ſich in der dritten Perſon
und redet einen andern in der dritten Perſon an.
Für das Kind iſt alles und jeder weder ich noch du,
ſondern etwas Neutrales, ein Daſeiendes, ein Ding,
gleichwie der Japaner das Wort „mono“ (Ding) von
Sachen und Perſonen gleicherweiſe gebraucht. Wenn
alſo der Japaner unperſönlich, ſubjektslos denkt und
ſpricht, ſo hat das ſeine Urſache darin, daß ſein Stand-
punkt der der empiriſchen Anſchauung iſt.

Mir iſt es zweifellos, daß die Entwicklung der
japaniſchen Sprache von dem Verbum bezw. von dem
Prädikat ausging. Das Verbum nimmt in ihr die erſte
Stelle ein. Ein Studium der Sprache, welches mit dem
Verbum beginnt, iſt darum das Naturgemäße, und weil
es das Naturgemäße iſt, auch das Empfehlenswerte.
Jeder, der Japaniſch ſtudiert hat, weiß: Wer das Verbum
beherrſcht, und nur wer das Verbum beherrſcht, meiſtert
die Sprache. Die Methode, welche mit dem Subſtantiv
beginnt und dann erſt noch das Adjektiv, das Zahlwort
und Fürwort bringt, ehe ſie zum Verbum kommt, iſt
ſehr anfechtbar. Im beſonderen wieder iſt es an-
gebracht, mit reinen Anſchauungsſätzen zu beginnen und
nicht mit der Eintrichterung einzelner Worte. Denn
das einzelne Wort iſt abſtrakt, der Wahrnehmungsſatz
ſpiegelt die konkrete Wirklichkeit wieder. Für jeden
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[41/0055] mung und Unperſönlichkeit gehören viel mehr zuſammen, als wir oft zu denken geneigt ſind. Finden wir ſie doch in enger Gemeinſchaft zuſammen in dem Kind! Das Kind, noch nicht zu vollem Selbſtbewußtſein erwachſen, ſteht ganz innerhalb der Wahrnehmung; und gerade das Kind iſt es, welches ſich beſonders unperſönlich aus- drückt. Das Kind ſpricht von ſich in der dritten Perſon und redet einen andern in der dritten Perſon an. Für das Kind iſt alles und jeder weder ich noch du, ſondern etwas Neutrales, ein Daſeiendes, ein Ding, gleichwie der Japaner das Wort „mono“ (Ding) von Sachen und Perſonen gleicherweiſe gebraucht. Wenn alſo der Japaner unperſönlich, ſubjektslos denkt und ſpricht, ſo hat das ſeine Urſache darin, daß ſein Stand- punkt der der empiriſchen Anſchauung iſt. Mir iſt es zweifellos, daß die Entwicklung der japaniſchen Sprache von dem Verbum bezw. von dem Prädikat ausging. Das Verbum nimmt in ihr die erſte Stelle ein. Ein Studium der Sprache, welches mit dem Verbum beginnt, iſt darum das Naturgemäße, und weil es das Naturgemäße iſt, auch das Empfehlenswerte. Jeder, der Japaniſch ſtudiert hat, weiß: Wer das Verbum beherrſcht, und nur wer das Verbum beherrſcht, meiſtert die Sprache. Die Methode, welche mit dem Subſtantiv beginnt und dann erſt noch das Adjektiv, das Zahlwort und Fürwort bringt, ehe ſie zum Verbum kommt, iſt ſehr anfechtbar. Im beſonderen wieder iſt es an- gebracht, mit reinen Anſchauungsſätzen zu beginnen und nicht mit der Eintrichterung einzelner Worte. Denn das einzelne Wort iſt abſtrakt, der Wahrnehmungsſatz ſpiegelt die konkrete Wirklichkeit wieder. Für jeden Menſchen ſteht die Wahrnehmung im Vordergrund, ſie bildet die Grundlage des Denkens und folglich auch der

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/55>, abgerufen am 23.11.2024.