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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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gewöhnlich als Subjektspartikeln betrachtet werden, vor-
handen ist, geht dem Japaner das Bewußtsein eines
Subjekts in unserm Sinne ab, so daß im Grunde jeder
Satz unpersönlich ist. Was ist der Grund? Man sollte
doch meinen, daß dem wahrnehmenden Geist · die Dinge
als solche am nächsten liegen. Das Dingwort sollte
also das Wesentlichste der Sprache sein, womit denn
auch zugleich dem Subjekt, das ja in der Regel mit
einem Dingwort identisch ist, eine leitende Stelle ange-
wiesen würde.

Eine solche Voraussetzung ist nicht unbedingt zuzu-
geben. Ebensowohl wie das Ding ist die Handlung
Gegenstand der Wahrnehmung. Neben der Eleatischen
Philosophie des Seins und der Ruhe giebt es eine
Heraklitische des Werdens und der Bewegung; beide
aber liegen auf dem Gebiete der Wahrnehmung; die
Bewegung geht noch keineswegs über dieselbe hinaus.
Ja, psychologische Beobachtung von Kindern wird sogar
zeigen, daß die Bewegung, die Thätigkeit, die Handlung
den primitiven Geist am meisten fesselt. Das wogende
Meer erregt die Aufmerksamkeit des Kindes in höherem
Grade als der unbewegliche Berg; das laufende Pferd
betrachtet es mit größerem Interesse als das schönste
Pferd in Ruhe. So steht denn im Japanischen das
Verbum als der Ausdruck der Bewegung im Mittel-
punkt der Anschauung und im Mittelpunkt der
Sprache. Wenn diese Bevorzugung dann auch
dem Prädikat im weiteren Sinne wie z. B. hoch sein,
rot sein etc. zu teil wird, so liegt das nur in der Kon-
sequenz des Gesagten. Denn was an einem Berg dem
primitiven Geist zuerst auffällt, ist natürlich nicht, daß
da ein Berg ist, sondern daß da etwas Hohes ist, also
sein Hochsein, sein Attribut; Berg ist erst abstrahiert

gewöhnlich als Subjektspartikeln betrachtet werden, vor-
handen iſt, geht dem Japaner das Bewußtſein eines
Subjekts in unſerm Sinne ab, ſo daß im Grunde jeder
Satz unperſönlich iſt. Was iſt der Grund? Man ſollte
doch meinen, daß dem wahrnehmenden Geiſt · die Dinge
als ſolche am nächſten liegen. Das Dingwort ſollte
alſo das Weſentlichſte der Sprache ſein, womit denn
auch zugleich dem Subjekt, das ja in der Regel mit
einem Dingwort identiſch iſt, eine leitende Stelle ange-
wieſen würde.

Eine ſolche Vorausſetzung iſt nicht unbedingt zuzu-
geben. Ebenſowohl wie das Ding iſt die Handlung
Gegenſtand der Wahrnehmung. Neben der Eleatiſchen
Philoſophie des Seins und der Ruhe giebt es eine
Heraklitiſche des Werdens und der Bewegung; beide
aber liegen auf dem Gebiete der Wahrnehmung; die
Bewegung geht noch keineswegs über dieſelbe hinaus.
Ja, pſychologiſche Beobachtung von Kindern wird ſogar
zeigen, daß die Bewegung, die Thätigkeit, die Handlung
den primitiven Geiſt am meiſten feſſelt. Das wogende
Meer erregt die Aufmerkſamkeit des Kindes in höherem
Grade als der unbewegliche Berg; das laufende Pferd
betrachtet es mit größerem Intereſſe als das ſchönſte
Pferd in Ruhe. So ſteht denn im Japaniſchen das
Verbum als der Ausdruck der Bewegung im Mittel-
punkt der Anſchauung und im Mittelpunkt der
Sprache. Wenn dieſe Bevorzugung dann auch
dem Prädikat im weiteren Sinne wie z. B. hoch ſein,
rot ſein ꝛc. zu teil wird, ſo liegt das nur in der Kon-
ſequenz des Geſagten. Denn was an einem Berg dem
primitiven Geiſt zuerſt auffällt, iſt natürlich nicht, daß
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[39/0053] gewöhnlich als Subjektspartikeln betrachtet werden, vor- handen iſt, geht dem Japaner das Bewußtſein eines Subjekts in unſerm Sinne ab, ſo daß im Grunde jeder Satz unperſönlich iſt. Was iſt der Grund? Man ſollte doch meinen, daß dem wahrnehmenden Geiſt · die Dinge als ſolche am nächſten liegen. Das Dingwort ſollte alſo das Weſentlichſte der Sprache ſein, womit denn auch zugleich dem Subjekt, das ja in der Regel mit einem Dingwort identiſch iſt, eine leitende Stelle ange- wieſen würde. Eine ſolche Vorausſetzung iſt nicht unbedingt zuzu- geben. Ebenſowohl wie das Ding iſt die Handlung Gegenſtand der Wahrnehmung. Neben der Eleatiſchen Philoſophie des Seins und der Ruhe giebt es eine Heraklitiſche des Werdens und der Bewegung; beide aber liegen auf dem Gebiete der Wahrnehmung; die Bewegung geht noch keineswegs über dieſelbe hinaus. Ja, pſychologiſche Beobachtung von Kindern wird ſogar zeigen, daß die Bewegung, die Thätigkeit, die Handlung den primitiven Geiſt am meiſten feſſelt. Das wogende Meer erregt die Aufmerkſamkeit des Kindes in höherem Grade als der unbewegliche Berg; das laufende Pferd betrachtet es mit größerem Intereſſe als das ſchönſte Pferd in Ruhe. So ſteht denn im Japaniſchen das Verbum als der Ausdruck der Bewegung im Mittel- punkt der Anſchauung und im Mittelpunkt der Sprache. Wenn dieſe Bevorzugung dann auch dem Prädikat im weiteren Sinne wie z. B. hoch ſein, rot ſein ꝛc. zu teil wird, ſo liegt das nur in der Kon- ſequenz des Geſagten. Denn was an einem Berg dem primitiven Geiſt zuerſt auffällt, iſt natürlich nicht, daß da ein Berg iſt, ſondern daß da etwas Hohes iſt, alſo ſein Hochſein, ſein Attribut; Berg iſt erſt abſtrahiert

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/53>, abgerufen am 23.11.2024.