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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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und "von der Gewehrkugel getroffen starb er". Es ist
eine ungeheure Kluft, welche durch diese Eigentümlichkeit
zwischen dem europäischen und dem japanischen Gedanken-
ausdruck geschaffen wird. Kein Wunder, wenn es mit-
unter die größten Schwierigkeiten macht, christliche Ge-
dankengänge in dieser von Personifikation völlig ent-
blößten Sprache wiederzugeben; kein Wunder auch,
wenn bei dem japanischen Mangel einer lebendigen Ideen-
welt mancher japanische Prediger zu deutschen oder, ge-
wöhnlicher, englischen Worten greift, die sich im Zu-
sammenhang einer japanischen Predigt allerdings seltsam
genug ausnehmen.

Eine konkrete Ausdrucksweise, wie die erwähnte,
erscheint dem "common sense", dem gemeinen Verstand,
leicht als die allein berechtigte. Für den "common sense"
ist einzige Realität das Einzelding, der Begriff ist nur
ein "nomen", keine "res", kein "ens". Wie sich die
Sache aber vom Standpunkt einer tieferen Weltanschau-
ung aus verhält, ist eine andere Frage, auf welche hier
freilich nicht eingegangen werden kann. Es genüge zu
bemerken, daß die japanische Ausdrucksweise die anschau-
lichere und lebhaftere, die indogermanische, ganz unab-
hängig davon, ob sie wahr oder falsch ist, die tiefere und
konzisere ist, ohne doch dem Schwung der Rede Eintrag
zu thun. Als ein entschiedener Mangel erscheint uns
die japanische Ausdrucksweise bei der Personifizierung
der Ideale und idealen Lebensgüter, welcher wir ein
gut Teil der Schönheit unserer Sprache verdanken.
Für den Japaner ist das Ideal ein nackter Begriff.
Kunst und Wissenschaft, Weisheit und Schönheit, Geist
und Gemüt, welche dank unserer indogermanischen Ent-
wicklung für uns lebendige Realitäten sind, sind für ihn
tot. Daß der schöpferische Geist des Ariers in den Be-

und „von der Gewehrkugel getroffen ſtarb er“. Es iſt
eine ungeheure Kluft, welche durch dieſe Eigentümlichkeit
zwiſchen dem europäiſchen und dem japaniſchen Gedanken-
ausdruck geſchaffen wird. Kein Wunder, wenn es mit-
unter die größten Schwierigkeiten macht, chriſtliche Ge-
dankengänge in dieſer von Perſonifikation völlig ent-
blößten Sprache wiederzugeben; kein Wunder auch,
wenn bei dem japaniſchen Mangel einer lebendigen Ideen-
welt mancher japaniſche Prediger zu deutſchen oder, ge-
wöhnlicher, engliſchen Worten greift, die ſich im Zu-
ſammenhang einer japaniſchen Predigt allerdings ſeltſam
genug ausnehmen.

Eine konkrete Ausdrucksweiſe, wie die erwähnte,
erſcheint dem „common sense“, dem gemeinen Verſtand,
leicht als die allein berechtigte. Für den „common sense“
iſt einzige Realität das Einzelding, der Begriff iſt nur
ein „nomen“, keine „res“, kein „ens“. Wie ſich die
Sache aber vom Standpunkt einer tieferen Weltanſchau-
ung aus verhält, iſt eine andere Frage, auf welche hier
freilich nicht eingegangen werden kann. Es genüge zu
bemerken, daß die japaniſche Ausdrucksweiſe die anſchau-
lichere und lebhaftere, die indogermaniſche, ganz unab-
hängig davon, ob ſie wahr oder falſch iſt, die tiefere und
konziſere iſt, ohne doch dem Schwung der Rede Eintrag
zu thun. Als ein entſchiedener Mangel erſcheint uns
die japaniſche Ausdrucksweiſe bei der Perſonifizierung
der Ideale und idealen Lebensgüter, welcher wir ein
gut Teil der Schönheit unſerer Sprache verdanken.
Für den Japaner iſt das Ideal ein nackter Begriff.
Kunſt und Wiſſenſchaft, Weisheit und Schönheit, Geiſt
und Gemüt, welche dank unſerer indogermaniſchen Ent-
wicklung für uns lebendige Realitäten ſind, ſind für ihn
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[37/0051] und „von der Gewehrkugel getroffen ſtarb er“. Es iſt eine ungeheure Kluft, welche durch dieſe Eigentümlichkeit zwiſchen dem europäiſchen und dem japaniſchen Gedanken- ausdruck geſchaffen wird. Kein Wunder, wenn es mit- unter die größten Schwierigkeiten macht, chriſtliche Ge- dankengänge in dieſer von Perſonifikation völlig ent- blößten Sprache wiederzugeben; kein Wunder auch, wenn bei dem japaniſchen Mangel einer lebendigen Ideen- welt mancher japaniſche Prediger zu deutſchen oder, ge- wöhnlicher, engliſchen Worten greift, die ſich im Zu- ſammenhang einer japaniſchen Predigt allerdings ſeltſam genug ausnehmen. Eine konkrete Ausdrucksweiſe, wie die erwähnte, erſcheint dem „common sense“, dem gemeinen Verſtand, leicht als die allein berechtigte. Für den „common sense“ iſt einzige Realität das Einzelding, der Begriff iſt nur ein „nomen“, keine „res“, kein „ens“. Wie ſich die Sache aber vom Standpunkt einer tieferen Weltanſchau- ung aus verhält, iſt eine andere Frage, auf welche hier freilich nicht eingegangen werden kann. Es genüge zu bemerken, daß die japaniſche Ausdrucksweiſe die anſchau- lichere und lebhaftere, die indogermaniſche, ganz unab- hängig davon, ob ſie wahr oder falſch iſt, die tiefere und konziſere iſt, ohne doch dem Schwung der Rede Eintrag zu thun. Als ein entſchiedener Mangel erſcheint uns die japaniſche Ausdrucksweiſe bei der Perſonifizierung der Ideale und idealen Lebensgüter, welcher wir ein gut Teil der Schönheit unſerer Sprache verdanken. Für den Japaner iſt das Ideal ein nackter Begriff. Kunſt und Wiſſenſchaft, Weisheit und Schönheit, Geiſt und Gemüt, welche dank unſerer indogermaniſchen Ent- wicklung für uns lebendige Realitäten ſind, ſind für ihn tot. Daß der ſchöpferiſche Geiſt des Ariers in den Be-

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/51>, abgerufen am 23.11.2024.