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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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Kleider anziehen, die ihr abgelegt habt? Was euch
nicht mehr gut genug war, dünkte auch uns zu schlecht".
Und da stand ich und schämte mich im tiefsten Grund
meiner Seele für meine christlichen Landsleute. Haben
die Heiden nicht recht, also zu sprechen? Wahrlich, das
Christentum stände heute anders da unter den heid-
nischen Völkern, wenn bei uns noch mehr Christentum
zu finden wäre, bei unsern Christen in der Heimat so-
wohl als bei den Europäern unter den Heiden.

Wie oft haben in den letzten Jahren die Zeitungen
berichtet, wie Europäer, ja selbst christliche Beamte, sich
im Heidenland aufgeführt, wie sie den christlichen Geist
verleugnet und schlimmer gehaust haben als die Heiden
selbst. Als die Kunde von den skandalösen Vorgängen
in Deutsch-Afrika nach Japan kam, konnte man aus
japanischem Mund hören, daß das nicht zu verwundern
sei; sei doch die ganze Politik Europas eine Politik der
Eroberung und Gewaltthätigkeit; und wie das System,
so seien auch die Leute. Den einfältigen Heidenseelen
ist es eben bis jetzt noch nicht gelungen, zu entdecken,
daß die Schachzüge der Diplomatie auf christlichen
Grundregeln beruhen. Vielmehr meinen sie, daß die
Mächte ihnen gegenüber mehr nach dem Satz vom Recht
des Stärkeren und aus Instinkten der Selbstsucht, als
nach den Grundsätzen der Menschlichkeit und der christ-
lichen Liebe handeln. Das Gefühl, welches die Heiden
den politischen Großmächten gegenüber beseelt, ist nicht
Vertrauen, sondern Furcht. So gehört auch die "christ-
liche" Politik zu den Strömungen, welche für die
Mission nicht Förderung, sondern Hemmung bedeuten,
und es wäre unter allen Umständen wünschenswert, daß
die Motive der Liebe und Menschlichkeit jeder Zeit klar
zu Tage treten.

Kleider anziehen, die ihr abgelegt habt? Was euch
nicht mehr gut genug war, dünkte auch uns zu ſchlecht“.
Und da ſtand ich und ſchämte mich im tiefſten Grund
meiner Seele für meine chriſtlichen Landsleute. Haben
die Heiden nicht recht, alſo zu ſprechen? Wahrlich, das
Chriſtentum ſtände heute anders da unter den heid-
niſchen Völkern, wenn bei uns noch mehr Chriſtentum
zu finden wäre, bei unſern Chriſten in der Heimat ſo-
wohl als bei den Europäern unter den Heiden.

Wie oft haben in den letzten Jahren die Zeitungen
berichtet, wie Europäer, ja ſelbſt chriſtliche Beamte, ſich
im Heidenland aufgeführt, wie ſie den chriſtlichen Geiſt
verleugnet und ſchlimmer gehauſt haben als die Heiden
ſelbſt. Als die Kunde von den ſkandalöſen Vorgängen
in Deutſch-Afrika nach Japan kam, konnte man aus
japaniſchem Mund hören, daß das nicht zu verwundern
ſei; ſei doch die ganze Politik Europas eine Politik der
Eroberung und Gewaltthätigkeit; und wie das Syſtem,
ſo ſeien auch die Leute. Den einfältigen Heidenſeelen
iſt es eben bis jetzt noch nicht gelungen, zu entdecken,
daß die Schachzüge der Diplomatie auf chriſtlichen
Grundregeln beruhen. Vielmehr meinen ſie, daß die
Mächte ihnen gegenüber mehr nach dem Satz vom Recht
des Stärkeren und aus Inſtinkten der Selbſtſucht, als
nach den Grundſätzen der Menſchlichkeit und der chriſt-
lichen Liebe handeln. Das Gefühl, welches die Heiden
den politiſchen Großmächten gegenüber beſeelt, iſt nicht
Vertrauen, ſondern Furcht. So gehört auch die „chriſt-
liche“ Politik zu den Strömungen, welche für die
Miſſion nicht Förderung, ſondern Hemmung bedeuten,
und es wäre unter allen Umſtänden wünſchenswert, daß
die Motive der Liebe und Menſchlichkeit jeder Zeit klar
zu Tage treten.

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[411/0425] Kleider anziehen, die ihr abgelegt habt? Was euch nicht mehr gut genug war, dünkte auch uns zu ſchlecht“. Und da ſtand ich und ſchämte mich im tiefſten Grund meiner Seele für meine chriſtlichen Landsleute. Haben die Heiden nicht recht, alſo zu ſprechen? Wahrlich, das Chriſtentum ſtände heute anders da unter den heid- niſchen Völkern, wenn bei uns noch mehr Chriſtentum zu finden wäre, bei unſern Chriſten in der Heimat ſo- wohl als bei den Europäern unter den Heiden. Wie oft haben in den letzten Jahren die Zeitungen berichtet, wie Europäer, ja ſelbſt chriſtliche Beamte, ſich im Heidenland aufgeführt, wie ſie den chriſtlichen Geiſt verleugnet und ſchlimmer gehauſt haben als die Heiden ſelbſt. Als die Kunde von den ſkandalöſen Vorgängen in Deutſch-Afrika nach Japan kam, konnte man aus japaniſchem Mund hören, daß das nicht zu verwundern ſei; ſei doch die ganze Politik Europas eine Politik der Eroberung und Gewaltthätigkeit; und wie das Syſtem, ſo ſeien auch die Leute. Den einfältigen Heidenſeelen iſt es eben bis jetzt noch nicht gelungen, zu entdecken, daß die Schachzüge der Diplomatie auf chriſtlichen Grundregeln beruhen. Vielmehr meinen ſie, daß die Mächte ihnen gegenüber mehr nach dem Satz vom Recht des Stärkeren und aus Inſtinkten der Selbſtſucht, als nach den Grundſätzen der Menſchlichkeit und der chriſt- lichen Liebe handeln. Das Gefühl, welches die Heiden den politiſchen Großmächten gegenüber beſeelt, iſt nicht Vertrauen, ſondern Furcht. So gehört auch die „chriſt- liche“ Politik zu den Strömungen, welche für die Miſſion nicht Förderung, ſondern Hemmung bedeuten, und es wäre unter allen Umſtänden wünſchenswert, daß die Motive der Liebe und Menſchlichkeit jeder Zeit klar zu Tage treten.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/425>, abgerufen am 24.11.2024.