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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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zueignen. Im Chinesischen wird jedes Wort durch ein
besonderes Zeichen ausgedrückt. Es giebt also etwa
so viele verschiedene Zeichen, als die Sprache Worte
hat, d. h. viele tausende. Auch der einfache Mann in
Japan braucht seine tausend bis fünfzehnhundert Zeichen,
während dem Gebildeten drei bis sechstausend bekannt
sein dürften.

Aber nicht genug damit, zu jedem Zeichen müssen
auch wenigstens zwei verschiedene Worte bezw. Aus-
sprachen gelernt werden, ja mitunter sogar noch mehr.
Ein und derselbe Begriff lautet in der Schriftsprache
ganz anders als in der Umgangssprache. So ist für
das Zeichen für "Berg" neben dem Wort "yama" der
gesprochenen Sprache noch das Wort "san" für die
Schriftsprache zu merken; das Zeichen für "Markt"
wird "ichiba" gesprochen und "shijo" gelesen und der
gut japanische Name "Hajime" wird in der Schrift-
sprache mit "Ryo" wiedergegeben. Es ist also in ge-
wissem Sinn eine fast völlig neue Sprache, welche das
japanische Kind in der Schriftsprache zu erlernen hat.

Die Schriftsprache ist ein gekünsteltes System auf
chinesischer Grundlage. Nur in der Umgangssprache
haben wir die eigentlich japanische Sprache, nur in
ihr spiegelt sich die ganze japanische Denkweise rein
und unverfälscht wieder. Darum ist ethnologisch nur
die Umgangssprache von Interesse.

Gewisse und nicht unrichtige Bemerkungen bezüg-
lich des Charakters der Umgangssprache können auch
von dem schon gemacht werden, welcher selbst gar kein
Japanisch versteht, wenn sich ihm eine Gelegenheit
bietet, das Japanische mit dem ihm gegenüberstehenden
Deutschen rein äußerlich zu vergleichen, z. B. bei einer
deutschen Rede mit sich anschließender japanischer Über-

zueignen. Im Chineſiſchen wird jedes Wort durch ein
beſonderes Zeichen ausgedrückt. Es giebt alſo etwa
ſo viele verſchiedene Zeichen, als die Sprache Worte
hat, d. h. viele tauſende. Auch der einfache Mann in
Japan braucht ſeine tauſend bis fünfzehnhundert Zeichen,
während dem Gebildeten drei bis ſechstauſend bekannt
ſein dürften.

Aber nicht genug damit, zu jedem Zeichen müſſen
auch wenigſtens zwei verſchiedene Worte bezw. Aus-
ſprachen gelernt werden, ja mitunter ſogar noch mehr.
Ein und derſelbe Begriff lautet in der Schriftſprache
ganz anders als in der Umgangsſprache. So iſt für
das Zeichen für „Berg“ neben dem Wort „yama“ der
geſprochenen Sprache noch das Wort „san“ für die
Schriftſprache zu merken; das Zeichen für „Markt“
wird „ichiba“ geſprochen und „shijo“ geleſen und der
gut japaniſche Name „Hajime“ wird in der Schrift-
ſprache mit „Ryo“ wiedergegeben. Es iſt alſo in ge-
wiſſem Sinn eine faſt völlig neue Sprache, welche das
japaniſche Kind in der Schriftſprache zu erlernen hat.

Die Schriftſprache iſt ein gekünſteltes Syſtem auf
chineſiſcher Grundlage. Nur in der Umgangsſprache
haben wir die eigentlich japaniſche Sprache, nur in
ihr ſpiegelt ſich die ganze japaniſche Denkweiſe rein
und unverfälſcht wieder. Darum iſt ethnologiſch nur
die Umgangsſprache von Intereſſe.

Gewiſſe und nicht unrichtige Bemerkungen bezüg-
lich des Charakters der Umgangsſprache können auch
von dem ſchon gemacht werden, welcher ſelbſt gar kein
Japaniſch verſteht, wenn ſich ihm eine Gelegenheit
bietet, das Japaniſche mit dem ihm gegenüberſtehenden
Deutſchen rein äußerlich zu vergleichen, z. B. bei einer
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[27/0041] zueignen. Im Chineſiſchen wird jedes Wort durch ein beſonderes Zeichen ausgedrückt. Es giebt alſo etwa ſo viele verſchiedene Zeichen, als die Sprache Worte hat, d. h. viele tauſende. Auch der einfache Mann in Japan braucht ſeine tauſend bis fünfzehnhundert Zeichen, während dem Gebildeten drei bis ſechstauſend bekannt ſein dürften. Aber nicht genug damit, zu jedem Zeichen müſſen auch wenigſtens zwei verſchiedene Worte bezw. Aus- ſprachen gelernt werden, ja mitunter ſogar noch mehr. Ein und derſelbe Begriff lautet in der Schriftſprache ganz anders als in der Umgangsſprache. So iſt für das Zeichen für „Berg“ neben dem Wort „yama“ der geſprochenen Sprache noch das Wort „san“ für die Schriftſprache zu merken; das Zeichen für „Markt“ wird „ichiba“ geſprochen und „shijo“ geleſen und der gut japaniſche Name „Hajime“ wird in der Schrift- ſprache mit „Ryo“ wiedergegeben. Es iſt alſo in ge- wiſſem Sinn eine faſt völlig neue Sprache, welche das japaniſche Kind in der Schriftſprache zu erlernen hat. Die Schriftſprache iſt ein gekünſteltes Syſtem auf chineſiſcher Grundlage. Nur in der Umgangsſprache haben wir die eigentlich japaniſche Sprache, nur in ihr ſpiegelt ſich die ganze japaniſche Denkweiſe rein und unverfälſcht wieder. Darum iſt ethnologiſch nur die Umgangsſprache von Intereſſe. Gewiſſe und nicht unrichtige Bemerkungen bezüg- lich des Charakters der Umgangsſprache können auch von dem ſchon gemacht werden, welcher ſelbſt gar kein Japaniſch verſteht, wenn ſich ihm eine Gelegenheit bietet, das Japaniſche mit dem ihm gegenüberſtehenden Deutſchen rein äußerlich zu vergleichen, z. B. bei einer deutſchen Rede mit ſich anſchließender japaniſcher Über-

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/41>, abgerufen am 24.11.2024.