Noch unzweideutiger ist die zweite Auslassung, welche von dem Herausgeber der Kristokyo Shimbun herrührt, einer sehr angesehenen und viel gelesenen christlichen Wochenschrift. "Die Zeit", schreibt er, "da alle Reli- gionsgemeinschaften vereinigt werden können, ist noch nicht gekommen. Sie müssen noch ihrer eigenen natür- lichen Entwicklung überlassen werden; Gewalt hilft nichts. Laßt Shintoisten, Buddhisten und Christen, jeden auf seinem Felde, arbeiten und laßt jeden vom andern soviel entlehnen, als ihm gut dünkt. Dies wird sich als die beste Vorbereitung für "Centralismus" und Einigung in der Zukunft erweisen." (Vergl. Christlieb "Japanische Anschauungen über Religion" Z. M. R. XII, 19). Auch unser japanischer Prediger Minami weiß aus dem Jahre 1896 eine bedenkliche Illustration zu derartigen Tendenzen zu geben. "Im letzten Monat", so berichtet er, "haben einige christliche und buddhistische Pastoren, Priester und Redakteure es unternommen, eine Zusammenkunft beider Teile zu veranstalten. Sie kamen am 26. September zusammen, ihre Zahl war etwa vierzig, die meisten darunter Kongregationalisten (Kumiai) und Buddhisten der Yen- und Shinsekte; außerdem waren noch einige Presbyterianer, Methodisten, Shintoisten und Konfuzianer vertreten. Über den Zweck der Versammlung wurde verschiedenes gesagt. Er ist schließlich dahin ausgelegt worden, daß man sich gegen- seitig kennen lernen wolle. Die Zusammenkunft soll jährlich zweimal, im Frühling und im Herbst, wieder- holt werden."
Es ist eine überraschende Häufung derartiger Zeug- nisse, welche in den letzten Jahren zusammengekommen sind, und man kann es wohl begreifen, wenn manche hier die größte Gefahr für das junge japanische Christen-
Noch unzweideutiger iſt die zweite Auslaſſung, welche von dem Herausgeber der Kriſtokyo Shimbun herrührt, einer ſehr angeſehenen und viel geleſenen chriſtlichen Wochenſchrift. „Die Zeit“, ſchreibt er, „da alle Reli- gionsgemeinſchaften vereinigt werden können, iſt noch nicht gekommen. Sie müſſen noch ihrer eigenen natür- lichen Entwicklung überlaſſen werden; Gewalt hilft nichts. Laßt Shintoiſten, Buddhiſten und Chriſten, jeden auf ſeinem Felde, arbeiten und laßt jeden vom andern ſoviel entlehnen, als ihm gut dünkt. Dies wird ſich als die beſte Vorbereitung für „Centralismus“ und Einigung in der Zukunft erweiſen.“ (Vergl. Chriſtlieb „Japaniſche Anſchauungen über Religion“ Z. M. R. XII, 19). Auch unſer japaniſcher Prediger Minami weiß aus dem Jahre 1896 eine bedenkliche Illuſtration zu derartigen Tendenzen zu geben. „Im letzten Monat“, ſo berichtet er, „haben einige chriſtliche und buddhiſtiſche Paſtoren, Prieſter und Redakteure es unternommen, eine Zuſammenkunft beider Teile zu veranſtalten. Sie kamen am 26. September zuſammen, ihre Zahl war etwa vierzig, die meiſten darunter Kongregationaliſten (Kumiai) und Buddhiſten der Yen- und Shinſekte; außerdem waren noch einige Presbyterianer, Methodiſten, Shintoiſten und Konfuzianer vertreten. Über den Zweck der Verſammlung wurde verſchiedenes geſagt. Er iſt ſchließlich dahin ausgelegt worden, daß man ſich gegen- ſeitig kennen lernen wolle. Die Zuſammenkunft ſoll jährlich zweimal, im Frühling und im Herbſt, wieder- holt werden.“
Es iſt eine überraſchende Häufung derartiger Zeug- niſſe, welche in den letzten Jahren zuſammengekommen ſind, und man kann es wohl begreifen, wenn manche hier die größte Gefahr für das junge japaniſche Chriſten-
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Noch unzweideutiger iſt die zweite Auslaſſung, welche
von dem Herausgeber der Kriſtokyo Shimbun herrührt,
einer ſehr angeſehenen und viel geleſenen chriſtlichen
Wochenſchrift. „Die Zeit“, ſchreibt er, „da alle Reli-
gionsgemeinſchaften vereinigt werden können, iſt noch
nicht gekommen. Sie müſſen noch ihrer eigenen natür-
lichen Entwicklung überlaſſen werden; Gewalt hilft
nichts. Laßt Shintoiſten, Buddhiſten und Chriſten,
jeden auf ſeinem Felde, arbeiten und laßt jeden vom
andern ſoviel entlehnen, als ihm gut dünkt. Dies wird
ſich als die beſte Vorbereitung für „Centralismus“ und
Einigung in der Zukunft erweiſen.“ (Vergl. Chriſtlieb
„Japaniſche Anſchauungen über Religion“ Z. M. R.
XII, 19). Auch unſer japaniſcher Prediger Minami
weiß aus dem Jahre 1896 eine bedenkliche Illuſtration
zu derartigen Tendenzen zu geben. „Im letzten Monat“,
ſo berichtet er, „haben einige chriſtliche und buddhiſtiſche
Paſtoren, Prieſter und Redakteure es unternommen,
eine Zuſammenkunft beider Teile zu veranſtalten. Sie
kamen am 26. September zuſammen, ihre Zahl war
etwa vierzig, die meiſten darunter Kongregationaliſten
(Kumiai) und Buddhiſten der Yen- und Shinſekte;
außerdem waren noch einige Presbyterianer, Methodiſten,
Shintoiſten und Konfuzianer vertreten. Über den Zweck
der Verſammlung wurde verſchiedenes geſagt. Er iſt
ſchließlich dahin ausgelegt worden, daß man ſich gegen-
ſeitig kennen lernen wolle. Die Zuſammenkunft ſoll
jährlich zweimal, im Frühling und im Herbſt, wieder-
holt werden.“
Es iſt eine überraſchende Häufung derartiger Zeug-
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ſind, und man kann es wohl begreifen, wenn manche
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/403>, abgerufen am 24.11.2024.
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