hier die Bekenntnisfrage nicht, und um dieselbe Zeit, wo die Kumiai sich ein "japanisches" Bekenntnis schuf, sah sich auch die Synode der "Kirche Christi in Japan" veranlaßt, sich ernstlich mit der Sache zu beschäftigen. Unter stillschweigender Übergehung der übrigen Be- kenntnisschriften vereinigte man sich auf das Apostolikum als allein verbindlich. Doch schickte man demselben noch einige Sätze voran, und wenn dieselben auch orthodox klingen, so haben sie doch die Wirkung, daß sie die starre Autorität des Apostolikums, die nirgends mehr zur Geltung kommt, als wo dasselbe in seiner ganzen Wucht und Schärfe allein für sich steht, in etwas ab- schwächen.
Die Bewegung beschränkte sich aber nicht etwa auf die Kumiai- und Ichikirchen, welche beide von jeher mit einem besonders starken Unabhängigkeitsbewußtsein beseelt waren. Sie geht vielmehr durch das ganze evangelische Christentum hindurch, und selbst diejenige Kirche, welche, starr und spröde wie die katholische, es seither immer und überall abgelehnt hatte, irgend welche Kompromisse einzugehen, auch die episkopale Mission mußte es sich gefallen lassen, daß ihre japanischen Christen ihr manches abzwackten. Schon im Jahre 1887, als die Zahl der bischöflichen Christen kaum anderthalb tausend betrug, wurde von diesen der Be- schluß gefaßt, das gegenwärtige Verhältnis zu der eng- lischen Kirche sowie die Anerkennung der Verbindlich- keit des Common-Prayer-Book nur als provisorisch zu betrachten, für die Zukunft aber eine freie Regelung der Sache im Auge zu behalten. Die japanischen Christen beschlossen es, und, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb, fügten sich die Missionare mit der bischöflichen Oberleitung an der Spitze. In den hoch-
hier die Bekenntnisfrage nicht, und um dieſelbe Zeit, wo die Kumiai ſich ein „japaniſches“ Bekenntnis ſchuf, ſah ſich auch die Synode der „Kirche Chriſti in Japan“ veranlaßt, ſich ernſtlich mit der Sache zu beſchäftigen. Unter ſtillſchweigender Übergehung der übrigen Be- kenntnisſchriften vereinigte man ſich auf das Apoſtolikum als allein verbindlich. Doch ſchickte man demſelben noch einige Sätze voran, und wenn dieſelben auch orthodox klingen, ſo haben ſie doch die Wirkung, daß ſie die ſtarre Autorität des Apoſtolikums, die nirgends mehr zur Geltung kommt, als wo dasſelbe in ſeiner ganzen Wucht und Schärfe allein für ſich ſteht, in etwas ab- ſchwächen.
Die Bewegung beſchränkte ſich aber nicht etwa auf die Kumiai- und Ichikirchen, welche beide von jeher mit einem beſonders ſtarken Unabhängigkeitsbewußtſein beſeelt waren. Sie geht vielmehr durch das ganze evangeliſche Chriſtentum hindurch, und ſelbſt diejenige Kirche, welche, ſtarr und ſpröde wie die katholiſche, es ſeither immer und überall abgelehnt hatte, irgend welche Kompromiſſe einzugehen, auch die episkopale Miſſion mußte es ſich gefallen laſſen, daß ihre japaniſchen Chriſten ihr manches abzwackten. Schon im Jahre 1887, als die Zahl der biſchöflichen Chriſten kaum anderthalb tauſend betrug, wurde von dieſen der Be- ſchluß gefaßt, das gegenwärtige Verhältnis zu der eng- liſchen Kirche ſowie die Anerkennung der Verbindlich- keit des Common-Prayer-Book nur als proviſoriſch zu betrachten, für die Zukunft aber eine freie Regelung der Sache im Auge zu behalten. Die japaniſchen Chriſten beſchloſſen es, und, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb, fügten ſich die Miſſionare mit der biſchöflichen Oberleitung an der Spitze. In den hoch-
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hier die Bekenntnisfrage nicht, und um dieſelbe Zeit,
wo die Kumiai ſich ein „japaniſches“ Bekenntnis ſchuf,
ſah ſich auch die Synode der „Kirche Chriſti in Japan“
veranlaßt, ſich ernſtlich mit der Sache zu beſchäftigen.
Unter ſtillſchweigender Übergehung der übrigen Be-
kenntnisſchriften vereinigte man ſich auf das Apoſtolikum
als allein verbindlich. Doch ſchickte man demſelben noch
einige Sätze voran, und wenn dieſelben auch orthodox
klingen, ſo haben ſie doch die Wirkung, daß ſie die
ſtarre Autorität des Apoſtolikums, die nirgends mehr
zur Geltung kommt, als wo dasſelbe in ſeiner ganzen
Wucht und Schärfe allein für ſich ſteht, in etwas ab-
ſchwächen.
Die Bewegung beſchränkte ſich aber nicht etwa auf
die Kumiai- und Ichikirchen, welche beide von jeher
mit einem beſonders ſtarken Unabhängigkeitsbewußtſein
beſeelt waren. Sie geht vielmehr durch das ganze
evangeliſche Chriſtentum hindurch, und ſelbſt diejenige
Kirche, welche, ſtarr und ſpröde wie die katholiſche, es
ſeither immer und überall abgelehnt hatte, irgend welche
Kompromiſſe einzugehen, auch die episkopale Miſſion
mußte es ſich gefallen laſſen, daß ihre japaniſchen
Chriſten ihr manches abzwackten. Schon im Jahre
1887, als die Zahl der biſchöflichen Chriſten kaum
anderthalb tauſend betrug, wurde von dieſen der Be-
ſchluß gefaßt, das gegenwärtige Verhältnis zu der eng-
liſchen Kirche ſowie die Anerkennung der Verbindlich-
keit des Common-Prayer-Book nur als proviſoriſch zu
betrachten, für die Zukunft aber eine freie Regelung
der Sache im Auge zu behalten. Die japaniſchen
Chriſten beſchloſſen es, und, der Not gehorchend, nicht
dem eigenen Trieb, fügten ſich die Miſſionare mit der
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/400>, abgerufen am 23.11.2024.
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