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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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hielt, was nach Unglauben schmeckt, läßt sich leicht
überzeugen, wenn er nachher zufällig Pfleiderers Reli-
gionsphilosophie in die Hände bekommt; und wäre es
Schopenhauer, so würde er, um seinem neuen Abgott
zu huldigen, ebensowohl seinen nichtfundierten Glaubens-
besitz über Bord werfen. Der Theologe aber, mag er
nun orthodox oder liberal sein, welcher an der Hand
des Lehrers durch die Gedankengänge des Skeptizismus
gegangen ist, steht auf festem Boden; er kennt die
Feinde, er hat sie selbst schon überwunden, er fürchtet
sie nicht mehr. Ist der Japaner leicht, so ist es gut,
daß er durch eine durchgebildete Weltanschauung be-
schwert werde, damit er nicht wie ein schwankendes
Rohr von jedem Windhauch bewegt werde. Hier liegt
die Bürgschaft gegen einen sonst sehr gefährlichen Radi-
kalismus. Die Vermeidung der historisch-kritischen
Methode ist dabei unmöglich, wenn auch die Durch-
dringung mit christlichem Geist und Leben das alleinige
Ziel bleibt.

Auf diesen Standpunkt hat sich auch die Mission
des Allg. evang.-prot. Missionsvereins gestellt. Ihre
Theologische Schule (Shinkyo Shingakko = Protestantische
Theologieschule) steht im Mittelpunkte der missionari-
schen Thätigkeit. Während meines japanischen Aufent-
halts habe ich wöchentlich sechszehn bis zu sechsund-
zwanzig Stunden Unterricht an dieser Schule gegeben,
infolge von Mangel an Lehrkräften so viele, daß es
nicht möglich war, der großen Aufgabe voll und ganz
gerecht zu werden. Wir versuchten, unseren Studenten
Hochschulbildung mitzuteilen, nicht zwar in akademischer
Freiheit, sondern in seminaristischer Zucht. Ihre Schluß-
examina würden sie auch vor einer deutschen theolo-
gischen Prüfungskommission bestanden haben. Den Unter-
richt erteilten wir, wie das in den Seminarien der Ame-

hielt, was nach Unglauben ſchmeckt, läßt ſich leicht
überzeugen, wenn er nachher zufällig Pfleiderers Reli-
gionsphiloſophie in die Hände bekommt; und wäre es
Schopenhauer, ſo würde er, um ſeinem neuen Abgott
zu huldigen, ebenſowohl ſeinen nichtfundierten Glaubens-
beſitz über Bord werfen. Der Theologe aber, mag er
nun orthodox oder liberal ſein, welcher an der Hand
des Lehrers durch die Gedankengänge des Skeptizismus
gegangen iſt, ſteht auf feſtem Boden; er kennt die
Feinde, er hat ſie ſelbſt ſchon überwunden, er fürchtet
ſie nicht mehr. Iſt der Japaner leicht, ſo iſt es gut,
daß er durch eine durchgebildete Weltanſchauung be-
ſchwert werde, damit er nicht wie ein ſchwankendes
Rohr von jedem Windhauch bewegt werde. Hier liegt
die Bürgſchaft gegen einen ſonſt ſehr gefährlichen Radi-
kalismus. Die Vermeidung der hiſtoriſch-kritiſchen
Methode iſt dabei unmöglich, wenn auch die Durch-
dringung mit chriſtlichem Geiſt und Leben das alleinige
Ziel bleibt.

Auf dieſen Standpunkt hat ſich auch die Miſſion
des Allg. evang.-prot. Miſſionsvereins geſtellt. Ihre
Theologiſche Schule (Shinkyo Shingakkō = Proteſtantiſche
Theologieſchule) ſteht im Mittelpunkte der miſſionari-
ſchen Thätigkeit. Während meines japaniſchen Aufent-
halts habe ich wöchentlich ſechszehn bis zu ſechsund-
zwanzig Stunden Unterricht an dieſer Schule gegeben,
infolge von Mangel an Lehrkräften ſo viele, daß es
nicht möglich war, der großen Aufgabe voll und ganz
gerecht zu werden. Wir verſuchten, unſeren Studenten
Hochſchulbildung mitzuteilen, nicht zwar in akademiſcher
Freiheit, ſondern in ſeminariſtiſcher Zucht. Ihre Schluß-
examina würden ſie auch vor einer deutſchen theolo-
giſchen Prüfungskommiſſion beſtanden haben. Den Unter-
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[375/0389] hielt, was nach Unglauben ſchmeckt, läßt ſich leicht überzeugen, wenn er nachher zufällig Pfleiderers Reli- gionsphiloſophie in die Hände bekommt; und wäre es Schopenhauer, ſo würde er, um ſeinem neuen Abgott zu huldigen, ebenſowohl ſeinen nichtfundierten Glaubens- beſitz über Bord werfen. Der Theologe aber, mag er nun orthodox oder liberal ſein, welcher an der Hand des Lehrers durch die Gedankengänge des Skeptizismus gegangen iſt, ſteht auf feſtem Boden; er kennt die Feinde, er hat ſie ſelbſt ſchon überwunden, er fürchtet ſie nicht mehr. Iſt der Japaner leicht, ſo iſt es gut, daß er durch eine durchgebildete Weltanſchauung be- ſchwert werde, damit er nicht wie ein ſchwankendes Rohr von jedem Windhauch bewegt werde. Hier liegt die Bürgſchaft gegen einen ſonſt ſehr gefährlichen Radi- kalismus. Die Vermeidung der hiſtoriſch-kritiſchen Methode iſt dabei unmöglich, wenn auch die Durch- dringung mit chriſtlichem Geiſt und Leben das alleinige Ziel bleibt. Auf dieſen Standpunkt hat ſich auch die Miſſion des Allg. evang.-prot. Miſſionsvereins geſtellt. Ihre Theologiſche Schule (Shinkyo Shingakkō = Proteſtantiſche Theologieſchule) ſteht im Mittelpunkte der miſſionari- ſchen Thätigkeit. Während meines japaniſchen Aufent- halts habe ich wöchentlich ſechszehn bis zu ſechsund- zwanzig Stunden Unterricht an dieſer Schule gegeben, infolge von Mangel an Lehrkräften ſo viele, daß es nicht möglich war, der großen Aufgabe voll und ganz gerecht zu werden. Wir verſuchten, unſeren Studenten Hochſchulbildung mitzuteilen, nicht zwar in akademiſcher Freiheit, ſondern in ſeminariſtiſcher Zucht. Ihre Schluß- examina würden ſie auch vor einer deutſchen theolo- giſchen Prüfungskommiſſion beſtanden haben. Den Unter- richt erteilten wir, wie das in den Seminarien der Ame-

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/389>, abgerufen am 22.11.2024.