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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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von allem Verkehr abgeschnitten war. Im Anfang März
trat er dann ganz unerwartet in mein Zimmer. Sein
drittes Wort war: "Meine Schwester ist getauft". Auch
seine Mutter und sein Bruder neigten sich dem Evan-
gelium zu. Dann fing er an, von der Kunst zu erzählen,
und brachte eine ganze Menge Skizzen in modernem
und größere Aquarelle in japanischem Stil zum Vor-
schein, auf denen besonders die Blumen mit großer
Wahrheit und Zartheit dargestellt waren.

Nachdem mein Freund etwa ein Jahr lang in
Kyoto, der alten Kunststadt Japans, weiter studiert hatte,
erhielt er einen ehrenvollen Ruf als Lehrer der Kera-
mik und Farbenchemie an die Hochschule der Kongre-
gationalisten in derselben Stadt, an die Doshisha.
Dort hat er sich immer treu zu unserer Mission bekannt,
unserer Zeitschrift Shinri immer mehr Anhänger ge-
wonnen und mich im Winter 1891, als ich die Anstalt
besuchte, bei den meisten japanischen Professoren einge-
führt. Dort habe ich ihn auf meiner Abreise von Japan
zum letztenmal gesehen. Schon vorher hatte er mir
in einem überglücklichen Brief mitgeteilt, er sei verlobt
und zwar mit einem jungen Mädchen, das auf seinen
Antrieb über ein halbes Jahr meinen Taufunterricht
besucht hatte, aber, plötzlich in die Heimat zurückgerufen,
die Taufe selbst nicht mehr hatte empfangen können.
Gewöhnlich ist die Eheschließung in Japan ein Geschäft 1),
hier war es eine Herzenssache. Auf Betreiben der
Mutter, die bei unserem Freund im Hause wohnte,
wurde die Hochzeit beschleunigt. Aber nun war es der
sehnliche Wunsch des jungen Professors, daß seine junge
Frau auch dem Namen nach eine Christin würde, wie
sie es in der That schon war, und daß ich ihr die Taufe

1) Der Ausdruck ist etwas scharf, vergl. Kap. V.

von allem Verkehr abgeſchnitten war. Im Anfang März
trat er dann ganz unerwartet in mein Zimmer. Sein
drittes Wort war: „Meine Schweſter iſt getauft“. Auch
ſeine Mutter und ſein Bruder neigten ſich dem Evan-
gelium zu. Dann fing er an, von der Kunſt zu erzählen,
und brachte eine ganze Menge Skizzen in modernem
und größere Aquarelle in japaniſchem Stil zum Vor-
ſchein, auf denen beſonders die Blumen mit großer
Wahrheit und Zartheit dargeſtellt waren.

Nachdem mein Freund etwa ein Jahr lang in
Kyoto, der alten Kunſtſtadt Japans, weiter ſtudiert hatte,
erhielt er einen ehrenvollen Ruf als Lehrer der Kera-
mik und Farbenchemie an die Hochſchule der Kongre-
gationaliſten in derſelben Stadt, an die Doſhiſha.
Dort hat er ſich immer treu zu unſerer Miſſion bekannt,
unſerer Zeitſchrift Shinri immer mehr Anhänger ge-
wonnen und mich im Winter 1891, als ich die Anſtalt
beſuchte, bei den meiſten japaniſchen Profeſſoren einge-
führt. Dort habe ich ihn auf meiner Abreiſe von Japan
zum letztenmal geſehen. Schon vorher hatte er mir
in einem überglücklichen Brief mitgeteilt, er ſei verlobt
und zwar mit einem jungen Mädchen, das auf ſeinen
Antrieb über ein halbes Jahr meinen Taufunterricht
beſucht hatte, aber, plötzlich in die Heimat zurückgerufen,
die Taufe ſelbſt nicht mehr hatte empfangen können.
Gewöhnlich iſt die Eheſchließung in Japan ein Geſchäft 1),
hier war es eine Herzensſache. Auf Betreiben der
Mutter, die bei unſerem Freund im Hauſe wohnte,
wurde die Hochzeit beſchleunigt. Aber nun war es der
ſehnliche Wunſch des jungen Profeſſors, daß ſeine junge
Frau auch dem Namen nach eine Chriſtin würde, wie
ſie es in der That ſchon war, und daß ich ihr die Taufe

1) Der Ausdruck iſt etwas ſcharf, vergl. Kap. V.
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[344/0358] von allem Verkehr abgeſchnitten war. Im Anfang März trat er dann ganz unerwartet in mein Zimmer. Sein drittes Wort war: „Meine Schweſter iſt getauft“. Auch ſeine Mutter und ſein Bruder neigten ſich dem Evan- gelium zu. Dann fing er an, von der Kunſt zu erzählen, und brachte eine ganze Menge Skizzen in modernem und größere Aquarelle in japaniſchem Stil zum Vor- ſchein, auf denen beſonders die Blumen mit großer Wahrheit und Zartheit dargeſtellt waren. Nachdem mein Freund etwa ein Jahr lang in Kyoto, der alten Kunſtſtadt Japans, weiter ſtudiert hatte, erhielt er einen ehrenvollen Ruf als Lehrer der Kera- mik und Farbenchemie an die Hochſchule der Kongre- gationaliſten in derſelben Stadt, an die Doſhiſha. Dort hat er ſich immer treu zu unſerer Miſſion bekannt, unſerer Zeitſchrift Shinri immer mehr Anhänger ge- wonnen und mich im Winter 1891, als ich die Anſtalt beſuchte, bei den meiſten japaniſchen Profeſſoren einge- führt. Dort habe ich ihn auf meiner Abreiſe von Japan zum letztenmal geſehen. Schon vorher hatte er mir in einem überglücklichen Brief mitgeteilt, er ſei verlobt und zwar mit einem jungen Mädchen, das auf ſeinen Antrieb über ein halbes Jahr meinen Taufunterricht beſucht hatte, aber, plötzlich in die Heimat zurückgerufen, die Taufe ſelbſt nicht mehr hatte empfangen können. Gewöhnlich iſt die Eheſchließung in Japan ein Geſchäft 1), hier war es eine Herzensſache. Auf Betreiben der Mutter, die bei unſerem Freund im Hauſe wohnte, wurde die Hochzeit beſchleunigt. Aber nun war es der ſehnliche Wunſch des jungen Profeſſors, daß ſeine junge Frau auch dem Namen nach eine Chriſtin würde, wie ſie es in der That ſchon war, und daß ich ihr die Taufe 1) Der Ausdruck iſt etwas ſcharf, vergl. Kap. V.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/358>, abgerufen am 22.11.2024.