und Begießen spricht und dann hinzufügt: "Ihr seid Gottes Ackerwerk".
Der erste Teil besteht also darin, daß der Missionar sich Boden schafft, Material, an dem sich arbeiten läßt, Leute, die an sich arbeiten lassen. Man darf nicht etwa meinen, daß ihm der Grund und Boden von selbst zu- fällt, wie den alten europäischen Ansiedlern in Amerika. Man darf nicht glauben, daß es nur zu heißen braucht: "Der Missionar X. ist angekommen", und sofort laufen ihm die Leute zu, um sich von ihm belehren und taufen zu lassen. Ganz im Gegenteil: Der Missionar darf nicht warten, bis die Leute zu ihm kommen -- denn da könnte er lange warten, -- vielmehr muß er zu den Leuten gehen. Auf dem Missionsfeld gilt der Satz unbe- dingt, daß nicht das Volk in die Kirche geht, sondern daß zuerst die Kirche in das Volk gehen muß. Man dürfte sich auf eine Kanzel in Tokyo stellen und Sonntag für Sonntag die erbaulichsten und die geistvollsten Pre- digten halten, und man würde doch dadurch keine neuen Zuhörer in die Kirche hereinlocken. Ein vortrefflicher Prediger kann immer noch ein sehr schlechter Missionar sein. Mir sind durch die praktische Bibelerklärung der alten Lehrmeisterin Erfahrung auf dem Missionsfelde manche Worte der Heiligen Schrift klarer geworden als durch die wissenschaftliche Exegese im Hörsaal, und zu diesen Worten gehört auch das: "Gehe hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie herein zu kommen!"
"Gehe hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune!" Es giebt nicht wenige, welche dieser Mahnung buchstäblich Folge leisten. Auf vielen Missionsgebieten versucht man es mit der Straßenpredigt. Man stellt sich an einem öffentlichen Orte auf, wo viele Menschen
und Begießen ſpricht und dann hinzufügt: „Ihr ſeid Gottes Ackerwerk“.
Der erſte Teil beſteht alſo darin, daß der Miſſionar ſich Boden ſchafft, Material, an dem ſich arbeiten läßt, Leute, die an ſich arbeiten laſſen. Man darf nicht etwa meinen, daß ihm der Grund und Boden von ſelbſt zu- fällt, wie den alten europäiſchen Anſiedlern in Amerika. Man darf nicht glauben, daß es nur zu heißen braucht: „Der Miſſionar X. iſt angekommen“, und ſofort laufen ihm die Leute zu, um ſich von ihm belehren und taufen zu laſſen. Ganz im Gegenteil: Der Miſſionar darf nicht warten, bis die Leute zu ihm kommen — denn da könnte er lange warten, — vielmehr muß er zu den Leuten gehen. Auf dem Miſſionsfeld gilt der Satz unbe- dingt, daß nicht das Volk in die Kirche geht, ſondern daß zuerſt die Kirche in das Volk gehen muß. Man dürfte ſich auf eine Kanzel in Tokyo ſtellen und Sonntag für Sonntag die erbaulichſten und die geiſtvollſten Pre- digten halten, und man würde doch dadurch keine neuen Zuhörer in die Kirche hereinlocken. Ein vortrefflicher Prediger kann immer noch ein ſehr ſchlechter Miſſionar ſein. Mir ſind durch die praktiſche Bibelerklärung der alten Lehrmeiſterin Erfahrung auf dem Miſſionsfelde manche Worte der Heiligen Schrift klarer geworden als durch die wiſſenſchaftliche Exegeſe im Hörſaal, und zu dieſen Worten gehört auch das: „Gehe hinaus auf die Landſtraßen und an die Zäune und nötige ſie herein zu kommen!“
„Gehe hinaus auf die Landſtraßen und an die Zäune!“ Es giebt nicht wenige, welche dieſer Mahnung buchſtäblich Folge leiſten. Auf vielen Miſſionsgebieten verſucht man es mit der Straßenpredigt. Man ſtellt ſich an einem öffentlichen Orte auf, wo viele Menſchen
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[310/0324]
und Begießen ſpricht und dann hinzufügt: „Ihr ſeid
Gottes Ackerwerk“.
Der erſte Teil beſteht alſo darin, daß der Miſſionar
ſich Boden ſchafft, Material, an dem ſich arbeiten läßt,
Leute, die an ſich arbeiten laſſen. Man darf nicht etwa
meinen, daß ihm der Grund und Boden von ſelbſt zu-
fällt, wie den alten europäiſchen Anſiedlern in Amerika.
Man darf nicht glauben, daß es nur zu heißen braucht:
„Der Miſſionar X. iſt angekommen“, und ſofort laufen
ihm die Leute zu, um ſich von ihm belehren und taufen
zu laſſen. Ganz im Gegenteil: Der Miſſionar darf
nicht warten, bis die Leute zu ihm kommen — denn
da könnte er lange warten, — vielmehr muß er zu den
Leuten gehen. Auf dem Miſſionsfeld gilt der Satz unbe-
dingt, daß nicht das Volk in die Kirche geht, ſondern
daß zuerſt die Kirche in das Volk gehen muß. Man dürfte
ſich auf eine Kanzel in Tokyo ſtellen und Sonntag
für Sonntag die erbaulichſten und die geiſtvollſten Pre-
digten halten, und man würde doch dadurch keine neuen
Zuhörer in die Kirche hereinlocken. Ein vortrefflicher
Prediger kann immer noch ein ſehr ſchlechter Miſſionar
ſein. Mir ſind durch die praktiſche Bibelerklärung der
alten Lehrmeiſterin Erfahrung auf dem Miſſionsfelde
manche Worte der Heiligen Schrift klarer geworden
als durch die wiſſenſchaftliche Exegeſe im Hörſaal, und
zu dieſen Worten gehört auch das: „Gehe hinaus auf
die Landſtraßen und an die Zäune und nötige ſie herein
zu kommen!“
„Gehe hinaus auf die Landſtraßen und an die
Zäune!“ Es giebt nicht wenige, welche dieſer Mahnung
buchſtäblich Folge leiſten. Auf vielen Miſſionsgebieten
verſucht man es mit der Straßenpredigt. Man ſtellt
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/324>, abgerufen am 25.11.2024.
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