eine Ausgießung des Heiligen Geistes genannt zu wer- den verdient; ein Taumel der Begeisterung, welchem die Abkühlung und Ernüchterung später notwendig folgen mußte, hatte sich der ganzen japanischen Christen- heit, nicht nur der Methodisten, sondern auch der sonst nüchternen Kongregationalisten und Presbyterianer be- mächtigt.
Der thatkräftigen Propaganda der christlichen Kreise entsprach die mutlose Lethargie der Gegner. 1884 traf den Buddhismus und den Shintoismus der letzte schwere Schlag. Trotzdem der erstere schon früher aus der Gunst des Staates gefallen war, wurden doch seine Priester ebenso wie die des Shinto immer noch von der Regierung ernannt. Dadurch haftete ihnen ge- wissermaßen ein amtlicher Charakter an, was ihnen in den Augen des loyalen Volkes immerhin noch ein ge- wichtiges Ansehen verlieh. Jetzt aber wurde das "staatliche Priestertum" aufgehoben, und die Ernennung von Priestern den religiösen Oberen anheimgegeben. Auch die Friedhöfe wurden ihres sozusagen konfessionellen Charakters entkleidet, fortan durfte keinem Toten um seines religiösen Bekenntnisses willen ein Begräbnisplatz verweigert werden. Die beiden Religionen ließen alles ruhig über sich ergehen. Noch besaßen sie manche Vor- rechte gegenüber dem Christentum, aber eine hoffnungs- lose Resignation hatte sich ihrer bemächtigt.
So ist es denn kein Wunder, wenn die Missions- statistik am Schlusse des Jahres 1889 große Zahlen aufzuweisen hat. Die Zahl der fremden Missions- arbeiter war von 1882 bis 1889 von 145 (89 männ- lichen und 56 weiblichen, unter Ausschluß der Missio- narsfrauen) auf 363 (201 männlichen und 162 weib- lichen) gewachsen, die der Missionsstationen von 120
eine Ausgießung des Heiligen Geiſtes genannt zu wer- den verdient; ein Taumel der Begeiſterung, welchem die Abkühlung und Ernüchterung ſpäter notwendig folgen mußte, hatte ſich der ganzen japaniſchen Chriſten- heit, nicht nur der Methodiſten, ſondern auch der ſonſt nüchternen Kongregationaliſten und Presbyterianer be- mächtigt.
Der thatkräftigen Propaganda der chriſtlichen Kreiſe entſprach die mutloſe Lethargie der Gegner. 1884 traf den Buddhismus und den Shintoismus der letzte ſchwere Schlag. Trotzdem der erſtere ſchon früher aus der Gunſt des Staates gefallen war, wurden doch ſeine Prieſter ebenſo wie die des Shinto immer noch von der Regierung ernannt. Dadurch haftete ihnen ge- wiſſermaßen ein amtlicher Charakter an, was ihnen in den Augen des loyalen Volkes immerhin noch ein ge- wichtiges Anſehen verlieh. Jetzt aber wurde das „ſtaatliche Prieſtertum“ aufgehoben, und die Ernennung von Prieſtern den religiöſen Oberen anheimgegeben. Auch die Friedhöfe wurden ihres ſozuſagen konfeſſionellen Charakters entkleidet, fortan durfte keinem Toten um ſeines religiöſen Bekenntniſſes willen ein Begräbnisplatz verweigert werden. Die beiden Religionen ließen alles ruhig über ſich ergehen. Noch beſaßen ſie manche Vor- rechte gegenüber dem Chriſtentum, aber eine hoffnungs- loſe Reſignation hatte ſich ihrer bemächtigt.
So iſt es denn kein Wunder, wenn die Miſſions- ſtatiſtik am Schluſſe des Jahres 1889 große Zahlen aufzuweiſen hat. Die Zahl der fremden Miſſions- arbeiter war von 1882 bis 1889 von 145 (89 männ- lichen und 56 weiblichen, unter Ausſchluß der Miſſio- narsfrauen) auf 363 (201 männlichen und 162 weib- lichen) gewachſen, die der Miſſionsſtationen von 120
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eine Ausgießung des Heiligen Geiſtes genannt zu wer-
den verdient; ein Taumel der Begeiſterung, welchem
die Abkühlung und Ernüchterung ſpäter notwendig
folgen mußte, hatte ſich der ganzen japaniſchen Chriſten-
heit, nicht nur der Methodiſten, ſondern auch der ſonſt
nüchternen Kongregationaliſten und Presbyterianer be-
mächtigt.
Der thatkräftigen Propaganda der chriſtlichen Kreiſe
entſprach die mutloſe Lethargie der Gegner. 1884 traf
den Buddhismus und den Shintoismus der letzte
ſchwere Schlag. Trotzdem der erſtere ſchon früher aus
der Gunſt des Staates gefallen war, wurden doch ſeine
Prieſter ebenſo wie die des Shinto immer noch von
der Regierung ernannt. Dadurch haftete ihnen ge-
wiſſermaßen ein amtlicher Charakter an, was ihnen in
den Augen des loyalen Volkes immerhin noch ein ge-
wichtiges Anſehen verlieh. Jetzt aber wurde das
„ſtaatliche Prieſtertum“ aufgehoben, und die Ernennung
von Prieſtern den religiöſen Oberen anheimgegeben.
Auch die Friedhöfe wurden ihres ſozuſagen konfeſſionellen
Charakters entkleidet, fortan durfte keinem Toten um
ſeines religiöſen Bekenntniſſes willen ein Begräbnisplatz
verweigert werden. Die beiden Religionen ließen alles
ruhig über ſich ergehen. Noch beſaßen ſie manche Vor-
rechte gegenüber dem Chriſtentum, aber eine hoffnungs-
loſe Reſignation hatte ſich ihrer bemächtigt.
So iſt es denn kein Wunder, wenn die Miſſions-
ſtatiſtik am Schluſſe des Jahres 1889 große Zahlen
aufzuweiſen hat. Die Zahl der fremden Miſſions-
arbeiter war von 1882 bis 1889 von 145 (89 männ-
lichen und 56 weiblichen, unter Ausſchluß der Miſſio-
narsfrauen) auf 363 (201 männlichen und 162 weib-
lichen) gewachſen, die der Miſſionsſtationen von 120
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/297>, abgerufen am 23.11.2024.
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