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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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nicht anzuerkennen. Er ist der Hauptträger der chine-
sischen Kultur gewesen, er hat die Japaner mit Kunst
und Wissenschaft bekannt gemacht und hat die vordem
barbarischen Sitten gemildert. Er war durch tausend
Jahre der Lehrer des Volks, und er ist dieser seiner
Aufgabe selbst in höherem Grade gerecht geworden als
der Katholizismus in Europa. Es muß ihm zum Ruhme
nachgesagt werden, daß er gerade auch den niederen
Klassen die Bildung zugänglich gemacht hat. Er hat
den nüchternen Konfuzianismus und den dürftigen
Shintoismus religiös ergänzt und das Bedürfnis der
Volksseele nach höheren Gütern, im besonderen die
Sehnsucht nach Erlösung wachgehalten. Er hat die alte
Zeit erfüllt, -- aber in die neue paßt er nicht mehr
hinein.

Das Licht, welches ehedem Asien erleuchtete, ist gar
trübe geworden und gegenüber der leuchtenden Sonne,
welche jetzt über Japan heraufzieht, verschwindet es
völlig. Jetzt erst soll Japan in Wahrheit das werden,
was sein Name verheißungsvoll sagt: Das Land des
Sonnenaufgangs. Jetzt erst ertönt auch über seinen
Gefilden der Adventsruf: "Die Nacht ist vorüber, und
der Tag ist herbeigekommen!" Der Morgenstern ver-
blaßt vor dem hellen Gestirn des Tages, und wenn wir
auch gerne anerkennen, daß Buddha ein Vorläufer
Christi war, so gilt doch heute auch für ihn das Wort,
welches das Evangelium Johannes, Jesu größten Weg-
bahner, sprechen läßt: "Er muß wachsen, ich aber muß
abnehmen!"



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nicht anzuerkennen. Er iſt der Hauptträger der chine-
ſiſchen Kultur geweſen, er hat die Japaner mit Kunſt
und Wiſſenſchaft bekannt gemacht und hat die vordem
barbariſchen Sitten gemildert. Er war durch tauſend
Jahre der Lehrer des Volks, und er iſt dieſer ſeiner
Aufgabe ſelbſt in höherem Grade gerecht geworden als
der Katholizismus in Europa. Es muß ihm zum Ruhme
nachgeſagt werden, daß er gerade auch den niederen
Klaſſen die Bildung zugänglich gemacht hat. Er hat
den nüchternen Konfuzianismus und den dürftigen
Shintoismus religiös ergänzt und das Bedürfnis der
Volksſeele nach höheren Gütern, im beſonderen die
Sehnſucht nach Erlöſung wachgehalten. Er hat die alte
Zeit erfüllt, — aber in die neue paßt er nicht mehr
hinein.

Das Licht, welches ehedem Aſien erleuchtete, iſt gar
trübe geworden und gegenüber der leuchtenden Sonne,
welche jetzt über Japan heraufzieht, verſchwindet es
völlig. Jetzt erſt ſoll Japan in Wahrheit das werden,
was ſein Name verheißungsvoll ſagt: Das Land des
Sonnenaufgangs. Jetzt erſt ertönt auch über ſeinen
Gefilden der Adventsruf: „Die Nacht iſt vorüber, und
der Tag iſt herbeigekommen!“ Der Morgenſtern ver-
blaßt vor dem hellen Geſtirn des Tages, und wenn wir
auch gerne anerkennen, daß Buddha ein Vorläufer
Chriſti war, ſo gilt doch heute auch für ihn das Wort,
welches das Evangelium Johannes, Jeſu größten Weg-
bahner, ſprechen läßt: „Er muß wachſen, ich aber muß
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[259/0273] nicht anzuerkennen. Er iſt der Hauptträger der chine- ſiſchen Kultur geweſen, er hat die Japaner mit Kunſt und Wiſſenſchaft bekannt gemacht und hat die vordem barbariſchen Sitten gemildert. Er war durch tauſend Jahre der Lehrer des Volks, und er iſt dieſer ſeiner Aufgabe ſelbſt in höherem Grade gerecht geworden als der Katholizismus in Europa. Es muß ihm zum Ruhme nachgeſagt werden, daß er gerade auch den niederen Klaſſen die Bildung zugänglich gemacht hat. Er hat den nüchternen Konfuzianismus und den dürftigen Shintoismus religiös ergänzt und das Bedürfnis der Volksſeele nach höheren Gütern, im beſonderen die Sehnſucht nach Erlöſung wachgehalten. Er hat die alte Zeit erfüllt, — aber in die neue paßt er nicht mehr hinein. Das Licht, welches ehedem Aſien erleuchtete, iſt gar trübe geworden und gegenüber der leuchtenden Sonne, welche jetzt über Japan heraufzieht, verſchwindet es völlig. Jetzt erſt ſoll Japan in Wahrheit das werden, was ſein Name verheißungsvoll ſagt: Das Land des Sonnenaufgangs. Jetzt erſt ertönt auch über ſeinen Gefilden der Adventsruf: „Die Nacht iſt vorüber, und der Tag iſt herbeigekommen!“ Der Morgenſtern ver- blaßt vor dem hellen Geſtirn des Tages, und wenn wir auch gerne anerkennen, daß Buddha ein Vorläufer Chriſti war, ſo gilt doch heute auch für ihn das Wort, welches das Evangelium Johannes, Jeſu größten Weg- bahner, ſprechen läßt: „Er muß wachſen, ich aber muß abnehmen!“ 17*

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/273>, abgerufen am 24.11.2024.