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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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oder Gebetsleistung Ablaß der Sündenstrafe verbürgt;
oder aber, wenn er noch etwas mehr thun will, ein
opus supererogativum, unternimmt er eine Wallfahrt.

Überhaupt ist die Ähnlichkeit zwischen modernem
Buddhismus und römischem Katholizismus (der russisch-
griechische übrigens nicht ausgeschlossen) eine ganz auf-
fallende. Und zwar nicht nur in äußeren Dingen.
Denn die Lehren von der Verehrung der Heiligen, von
Himmel und Hölle, von einem künftigen Gericht, vom
Fegefeuer, vom Ablaß, vom verdienstlichen Werk beziehen
sich nicht auf Außendinge, sondern auf den Kern der
religiösen Lehrauffassung. Freilich viel frappanter ist
die Ähnlichkeit in Bezug auf Organisation und Formen.
Die hierarchische Ordnung ist im Buddhismus eine ganz
ähnliche wie im Katholizismus. Auch hier läßt sich von
Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten und Priestern reden,
und der buddhistische Bischof hat seinen Hirten- oder
Krummstab so gut wie der katholische. Auch hier
nimmt der Klerus eine esoterische Stellung über dem
"Volk" ein, und die besondere höhere Sittlichkeit für
die Eingeweihten bezw. Geistlichen, welche der Katho-
lizismus erst im Laufe der Zeit einschmuggelte, wurde
von dem Buddhismus schon von Anfang an gelehrt.
Auch hier ist darum der geistliche Stand auch äußerlich
gekennzeichnet. Der Bonze (jap. "bozu") hat sein
Priestergewand wie der katholische Geistliche, und beide
Bekleidungen sehen sich noch dazu recht ähnlich. Die
gewöhnliche Tracht ist von schwarzgrauer Farbe; bei
feierlichen Amtshandlungen aber vertauscht man dieses
einfache Kleid mit einem farbenprächtigen Gewand,
welches wiederum stark an die katholische Amtstracht
erinnert. Dasselbe ist je nach der Ansehnlichkeit und
dem Reichtum des Tempels mitunter sehr kostbar, und

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oder Gebetsleiſtung Ablaß der Sündenſtrafe verbürgt;
oder aber, wenn er noch etwas mehr thun will, ein
opus supererogativum, unternimmt er eine Wallfahrt.

Überhaupt iſt die Ähnlichkeit zwiſchen modernem
Buddhismus und römiſchem Katholizismus (der ruſſiſch-
griechiſche übrigens nicht ausgeſchloſſen) eine ganz auf-
fallende. Und zwar nicht nur in äußeren Dingen.
Denn die Lehren von der Verehrung der Heiligen, von
Himmel und Hölle, von einem künftigen Gericht, vom
Fegefeuer, vom Ablaß, vom verdienſtlichen Werk beziehen
ſich nicht auf Außendinge, ſondern auf den Kern der
religiöſen Lehrauffaſſung. Freilich viel frappanter iſt
die Ähnlichkeit in Bezug auf Organiſation und Formen.
Die hierarchiſche Ordnung iſt im Buddhismus eine ganz
ähnliche wie im Katholizismus. Auch hier läßt ſich von
Erzbiſchöfen, Biſchöfen, Äbten und Prieſtern reden,
und der buddhiſtiſche Biſchof hat ſeinen Hirten- oder
Krummſtab ſo gut wie der katholiſche. Auch hier
nimmt der Klerus eine eſoteriſche Stellung über dem
„Volk“ ein, und die beſondere höhere Sittlichkeit für
die Eingeweihten bezw. Geiſtlichen, welche der Katho-
lizismus erſt im Laufe der Zeit einſchmuggelte, wurde
von dem Buddhismus ſchon von Anfang an gelehrt.
Auch hier iſt darum der geiſtliche Stand auch äußerlich
gekennzeichnet. Der Bonze (jap. „bōzu“) hat ſein
Prieſtergewand wie der katholiſche Geiſtliche, und beide
Bekleidungen ſehen ſich noch dazu recht ähnlich. Die
gewöhnliche Tracht iſt von ſchwarzgrauer Farbe; bei
feierlichen Amtshandlungen aber vertauſcht man dieſes
einfache Kleid mit einem farbenprächtigen Gewand,
welches wiederum ſtark an die katholiſche Amtstracht
erinnert. Dasſelbe iſt je nach der Anſehnlichkeit und
dem Reichtum des Tempels mitunter ſehr koſtbar, und

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[243/0257] oder Gebetsleiſtung Ablaß der Sündenſtrafe verbürgt; oder aber, wenn er noch etwas mehr thun will, ein opus supererogativum, unternimmt er eine Wallfahrt. Überhaupt iſt die Ähnlichkeit zwiſchen modernem Buddhismus und römiſchem Katholizismus (der ruſſiſch- griechiſche übrigens nicht ausgeſchloſſen) eine ganz auf- fallende. Und zwar nicht nur in äußeren Dingen. Denn die Lehren von der Verehrung der Heiligen, von Himmel und Hölle, von einem künftigen Gericht, vom Fegefeuer, vom Ablaß, vom verdienſtlichen Werk beziehen ſich nicht auf Außendinge, ſondern auf den Kern der religiöſen Lehrauffaſſung. Freilich viel frappanter iſt die Ähnlichkeit in Bezug auf Organiſation und Formen. Die hierarchiſche Ordnung iſt im Buddhismus eine ganz ähnliche wie im Katholizismus. Auch hier läßt ſich von Erzbiſchöfen, Biſchöfen, Äbten und Prieſtern reden, und der buddhiſtiſche Biſchof hat ſeinen Hirten- oder Krummſtab ſo gut wie der katholiſche. Auch hier nimmt der Klerus eine eſoteriſche Stellung über dem „Volk“ ein, und die beſondere höhere Sittlichkeit für die Eingeweihten bezw. Geiſtlichen, welche der Katho- lizismus erſt im Laufe der Zeit einſchmuggelte, wurde von dem Buddhismus ſchon von Anfang an gelehrt. Auch hier iſt darum der geiſtliche Stand auch äußerlich gekennzeichnet. Der Bonze (jap. „bōzu“) hat ſein Prieſtergewand wie der katholiſche Geiſtliche, und beide Bekleidungen ſehen ſich noch dazu recht ähnlich. Die gewöhnliche Tracht iſt von ſchwarzgrauer Farbe; bei feierlichen Amtshandlungen aber vertauſcht man dieſes einfache Kleid mit einem farbenprächtigen Gewand, welches wiederum ſtark an die katholiſche Amtstracht erinnert. Dasſelbe iſt je nach der Anſehnlichkeit und dem Reichtum des Tempels mitunter ſehr koſtbar, und 16*

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/257>, abgerufen am 23.11.2024.