Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

ihren eigenen Geist zu betrachten und ihm dieselbe Ver-
ehrung entgegenzubringen wie ihr selbst. Nachdem
Ninigi dieses versprochen, verließ er die himmlischen Ge-
filde und kam auf dem Gipfel des Takachio in Tsukushi
auf der Insel Kyushiu zur Erde herab. Dort baute
er sich einen Palast und vermählte sich.

Ninigis Enkel, bekannt unter seinem posthumen
Namen Jimmu Tenno, war es vorbehalten, der eigent-
liche Gründer des japanischen Reiches zu werden. An
der Spitze seines Stammes verließ er Kyushiu und drang
in die Hauptinsel Hondo ein. Teils durch Verträge,
teils durch Gewalt unterwarf er die Bewohner und
machte sich das Land bis über Osaka hinaus unterthan.
Darauf baute er sich einen Palast in Kashiwara (Nara)
in der Provinz Yamato, von wo aus er regierte. Das
geschah im Jahre 660 vor Christus, und von da an rechnen
die Japaner das Bestehen des Reiches und die Thron-
besteigung ihres Herrscherhauses.

Es ist zweifellos, daß in diesen sagenhaften Ge-
schichten ein historischer Kern steckt. In Susano und
Ninigi erkennen wir die Stammväter des japanischen
Volkes, welche in uralter Zeit mit ihren Völkerschaften
vom Festland her in Izumo und Kyushiu einwander-
ten. Wir haben es hier mit dunkeln historischen Er-
innerungen zu thun, die mit den Ansichten moderner

in Beziehung steht), bilden bis heute die Insignien des Reiches
und die Embleme des Shintoismus. Sie sollen im Kashiko-dokoro,
der shintoistischen Hauskapelle des Kaisers, nach anderer Angabe
in dem Daijingu in Ise aufbewahrt sein. Dagegen erzählt Rein,
daß ihm auf dem Gipfel des Takachio ein offenbar uraltes,
großes Schwert gezeigt worden sei, welches die Legende als das
Schwert Ninigis bezeichnet. Es ist aus Bronze mit Kupferzusatz,
ist 1,30 m lang, 0,23 m im Umfang und im Griff 0,54 m dick.

ihren eigenen Geiſt zu betrachten und ihm dieſelbe Ver-
ehrung entgegenzubringen wie ihr ſelbſt. Nachdem
Ninigi dieſes verſprochen, verließ er die himmliſchen Ge-
filde und kam auf dem Gipfel des Takachio in Tſukuſhi
auf der Inſel Kyuſhiu zur Erde herab. Dort baute
er ſich einen Palaſt und vermählte ſich.

Ninigis Enkel, bekannt unter ſeinem poſthumen
Namen Jimmu Tennō, war es vorbehalten, der eigent-
liche Gründer des japaniſchen Reiches zu werden. An
der Spitze ſeines Stammes verließ er Kyuſhiu und drang
in die Hauptinſel Hondo ein. Teils durch Verträge,
teils durch Gewalt unterwarf er die Bewohner und
machte ſich das Land bis über Oſaka hinaus unterthan.
Darauf baute er ſich einen Palaſt in Kaſhiwara (Nara)
in der Provinz Yamato, von wo aus er regierte. Das
geſchah im Jahre 660 vor Chriſtus, und von da an rechnen
die Japaner das Beſtehen des Reiches und die Thron-
beſteigung ihres Herrſcherhauſes.

Es iſt zweifellos, daß in dieſen ſagenhaften Ge-
ſchichten ein hiſtoriſcher Kern ſteckt. In Suſano und
Ninigi erkennen wir die Stammväter des japaniſchen
Volkes, welche in uralter Zeit mit ihren Völkerſchaften
vom Feſtland her in Izumo und Kyuſhiu einwander-
ten. Wir haben es hier mit dunkeln hiſtoriſchen Er-
innerungen zu thun, die mit den Anſichten moderner

in Beziehung ſteht), bilden bis heute die Inſignien des Reiches
und die Embleme des Shintoismus. Sie ſollen im Kaſhiko-dokoro,
der ſhintoiſtiſchen Hauskapelle des Kaiſers, nach anderer Angabe
in dem Daijingu in Iſe aufbewahrt ſein. Dagegen erzählt Rein,
daß ihm auf dem Gipfel des Takachio ein offenbar uraltes,
großes Schwert gezeigt worden ſei, welches die Legende als das
Schwert Ninigis bezeichnet. Es iſt aus Bronze mit Kupferzuſatz,
iſt 1,30 m lang, 0,23 m im Umfang und im Griff 0,54 m dick.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0210" n="196"/>
ihren eigenen Gei&#x017F;t zu betrachten und ihm die&#x017F;elbe Ver-<lb/>
ehrung entgegenzubringen wie ihr &#x017F;elb&#x017F;t. Nachdem<lb/>
Ninigi die&#x017F;es ver&#x017F;prochen, verließ er die himmli&#x017F;chen Ge-<lb/>
filde und kam auf dem Gipfel des Takachio in T&#x017F;uku&#x017F;hi<lb/>
auf der In&#x017F;el Kyu&#x017F;hiu zur Erde herab. Dort baute<lb/>
er &#x017F;ich einen Pala&#x017F;t und vermählte &#x017F;ich.</p><lb/>
        <p>Ninigis Enkel, bekannt unter &#x017F;einem po&#x017F;thumen<lb/>
Namen Jimmu Tenn<hi rendition="#aq">&#x014D;</hi>, war es vorbehalten, der eigent-<lb/>
liche Gründer des japani&#x017F;chen Reiches zu werden. An<lb/>
der Spitze &#x017F;eines Stammes verließ er Kyu&#x017F;hiu und drang<lb/>
in die Hauptin&#x017F;el Hondo ein. Teils durch Verträge,<lb/>
teils durch Gewalt unterwarf er die Bewohner und<lb/>
machte &#x017F;ich das Land bis über O&#x017F;aka hinaus unterthan.<lb/>
Darauf baute er &#x017F;ich einen Pala&#x017F;t in Ka&#x017F;hiwara (Nara)<lb/>
in der Provinz Yamato, von wo aus er regierte. Das<lb/>
ge&#x017F;chah im Jahre 660 vor Chri&#x017F;tus, und von da an rechnen<lb/>
die Japaner das Be&#x017F;tehen des Reiches und die Thron-<lb/>
be&#x017F;teigung ihres Herr&#x017F;cherhau&#x017F;es.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t zweifellos, daß in die&#x017F;en &#x017F;agenhaften Ge-<lb/>
&#x017F;chichten ein hi&#x017F;tori&#x017F;cher Kern &#x017F;teckt. In Su&#x017F;ano und<lb/>
Ninigi erkennen wir die Stammväter des japani&#x017F;chen<lb/>
Volkes, welche in uralter Zeit mit ihren Völker&#x017F;chaften<lb/>
vom Fe&#x017F;tland her in Izumo und Kyu&#x017F;hiu einwander-<lb/>
ten. Wir haben es hier mit dunkeln hi&#x017F;tori&#x017F;chen Er-<lb/>
innerungen zu thun, die mit den An&#x017F;ichten moderner<lb/><note xml:id="note-0210" prev="#note-0209" place="foot" n="1)">in Beziehung &#x017F;teht), bilden bis heute die In&#x017F;ignien des Reiches<lb/>
und die Embleme des Shintoismus. Sie &#x017F;ollen im Ka&#x017F;hiko-dokoro,<lb/>
der &#x017F;hintoi&#x017F;ti&#x017F;chen Hauskapelle des Kai&#x017F;ers, nach anderer Angabe<lb/>
in dem Daijingu in I&#x017F;e aufbewahrt &#x017F;ein. Dagegen erzählt Rein,<lb/>
daß ihm auf dem Gipfel des Takachio ein offenbar uraltes,<lb/>
großes Schwert gezeigt worden &#x017F;ei, welches die Legende als das<lb/>
Schwert Ninigis bezeichnet. Es i&#x017F;t aus Bronze mit Kupferzu&#x017F;atz,<lb/>
i&#x017F;t 1,30 <hi rendition="#aq">m</hi> lang, 0,23 <hi rendition="#aq">m</hi> im Umfang und im Griff 0,54 <hi rendition="#aq">m</hi> dick.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0210] ihren eigenen Geiſt zu betrachten und ihm dieſelbe Ver- ehrung entgegenzubringen wie ihr ſelbſt. Nachdem Ninigi dieſes verſprochen, verließ er die himmliſchen Ge- filde und kam auf dem Gipfel des Takachio in Tſukuſhi auf der Inſel Kyuſhiu zur Erde herab. Dort baute er ſich einen Palaſt und vermählte ſich. Ninigis Enkel, bekannt unter ſeinem poſthumen Namen Jimmu Tennō, war es vorbehalten, der eigent- liche Gründer des japaniſchen Reiches zu werden. An der Spitze ſeines Stammes verließ er Kyuſhiu und drang in die Hauptinſel Hondo ein. Teils durch Verträge, teils durch Gewalt unterwarf er die Bewohner und machte ſich das Land bis über Oſaka hinaus unterthan. Darauf baute er ſich einen Palaſt in Kaſhiwara (Nara) in der Provinz Yamato, von wo aus er regierte. Das geſchah im Jahre 660 vor Chriſtus, und von da an rechnen die Japaner das Beſtehen des Reiches und die Thron- beſteigung ihres Herrſcherhauſes. Es iſt zweifellos, daß in dieſen ſagenhaften Ge- ſchichten ein hiſtoriſcher Kern ſteckt. In Suſano und Ninigi erkennen wir die Stammväter des japaniſchen Volkes, welche in uralter Zeit mit ihren Völkerſchaften vom Feſtland her in Izumo und Kyuſhiu einwander- ten. Wir haben es hier mit dunkeln hiſtoriſchen Er- innerungen zu thun, die mit den Anſichten moderner 1) 1) in Beziehung ſteht), bilden bis heute die Inſignien des Reiches und die Embleme des Shintoismus. Sie ſollen im Kaſhiko-dokoro, der ſhintoiſtiſchen Hauskapelle des Kaiſers, nach anderer Angabe in dem Daijingu in Iſe aufbewahrt ſein. Dagegen erzählt Rein, daß ihm auf dem Gipfel des Takachio ein offenbar uraltes, großes Schwert gezeigt worden ſei, welches die Legende als das Schwert Ninigis bezeichnet. Es iſt aus Bronze mit Kupferzuſatz, iſt 1,30 m lang, 0,23 m im Umfang und im Griff 0,54 m dick.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/210
Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/210>, abgerufen am 22.11.2024.