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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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innerlich beeinflußt, und im Volksbewußtsein stehen sie
sich so nahe, daß man eben sowohl zu dem buddhistischen
Götzen "hotoke" als zu dem shintoistischen Gott "kami"
betet, daß man ebenso gut zu dem buddhistischen Tempel
"o tera" wie zu dem shintoistischen "o miya" geht.
Warum aber der Buddhismus bestimmenden Einfluß
vor dem Shintoismus gewonnen hat, erklärt sich daraus,
daß in ihm viel mehr religiöser Gehalt steckt als im
Shintoismus.

Der Shintoismus (shin = Gott, to = Weg,
Lehre) ist mit der Mythologie und Geschichte Japans
auf das engste verknüpft 1). Die ältesten Geschichtswerke,
das im Jahre 712 verfaßte Kojiki (Erzählung alter
Geschichten) und das um 720 entstandene Nihongi
(japanische Geschichte) sind zugleich auch die religiösen
Urkunden des Shinto.

Ehe die Geschichte der Menschheit ihren Anfang
nahm, spielte sich schon eine vieltausendjährige Geschichte
im Reiche der Götter ab. Wie in den Systemen der
Gnostiker löste ein Göttergeschlecht das andere ab, bis
als letzte der göttlichen Geburten das Geschwisterpaar
Izanagi und Izanami in das Dasein trat, die sich mit
einander vermählten. Eines Tages saßen die beiden
auf der Himmelsbrücke und schauten hinab in das
wogende Meer. Da tauchte Izanagi von ungefähr
seine Lanze in die Fluten. Als er sie zurückzog, fielen

1) Zur Bezeichnung ihres Gottes haben die Christen nach
einigem Schwanken die shintoistische Terminologie übernommen.
Für Christen und Shintoisten heißt also Gott für die Umgangs-
sprache "kami", in Zusammensetzungen nach der chinesischen Aus-
sprache "shin" z. B. shin-gaku Theologie. Der buddhistische
"hotoke" bedeutet ein Götzenbild, so daß der Ausdruck für den
geistigen Gott der Christen nicht zu gebrauchen war.

innerlich beeinflußt, und im Volksbewußtſein ſtehen ſie
ſich ſo nahe, daß man eben ſowohl zu dem buddhiſtiſchen
Götzen „hotoke“ als zu dem ſhintoiſtiſchen Gott „kami“
betet, daß man ebenſo gut zu dem buddhiſtiſchen Tempel
„o tera“ wie zu dem ſhintoiſtiſchen „o miya“ geht.
Warum aber der Buddhismus beſtimmenden Einfluß
vor dem Shintoismus gewonnen hat, erklärt ſich daraus,
daß in ihm viel mehr religiöſer Gehalt ſteckt als im
Shintoismus.

Der Shintoismus (shin = Gott, = Weg,
Lehre) iſt mit der Mythologie und Geſchichte Japans
auf das engſte verknüpft 1). Die älteſten Geſchichtswerke,
das im Jahre 712 verfaßte Kojiki (Erzählung alter
Geſchichten) und das um 720 entſtandene Nihongi
(japaniſche Geſchichte) ſind zugleich auch die religiöſen
Urkunden des Shinto.

Ehe die Geſchichte der Menſchheit ihren Anfang
nahm, ſpielte ſich ſchon eine vieltauſendjährige Geſchichte
im Reiche der Götter ab. Wie in den Syſtemen der
Gnoſtiker löſte ein Göttergeſchlecht das andere ab, bis
als letzte der göttlichen Geburten das Geſchwiſterpaar
Izanagi und Izanami in das Daſein trat, die ſich mit
einander vermählten. Eines Tages ſaßen die beiden
auf der Himmelsbrücke und ſchauten hinab in das
wogende Meer. Da tauchte Izanagi von ungefähr
ſeine Lanze in die Fluten. Als er ſie zurückzog, fielen

1) Zur Bezeichnung ihres Gottes haben die Chriſten nach
einigem Schwanken die ſhintoiſtiſche Terminologie übernommen.
Für Chriſten und Shintoiſten heißt alſo Gott für die Umgangs-
ſprache „kami“, in Zuſammenſetzungen nach der chineſiſchen Aus-
ſprache „shin“ z. B. shin-gaku Theologie. Der buddhiſtiſche
„hotoke“ bedeutet ein Götzenbild, ſo daß der Ausdruck für den
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[192/0206] innerlich beeinflußt, und im Volksbewußtſein ſtehen ſie ſich ſo nahe, daß man eben ſowohl zu dem buddhiſtiſchen Götzen „hotoke“ als zu dem ſhintoiſtiſchen Gott „kami“ betet, daß man ebenſo gut zu dem buddhiſtiſchen Tempel „o tera“ wie zu dem ſhintoiſtiſchen „o miya“ geht. Warum aber der Buddhismus beſtimmenden Einfluß vor dem Shintoismus gewonnen hat, erklärt ſich daraus, daß in ihm viel mehr religiöſer Gehalt ſteckt als im Shintoismus. Der Shintoismus (shin = Gott, tō = Weg, Lehre) iſt mit der Mythologie und Geſchichte Japans auf das engſte verknüpft 1). Die älteſten Geſchichtswerke, das im Jahre 712 verfaßte Kojiki (Erzählung alter Geſchichten) und das um 720 entſtandene Nihongi (japaniſche Geſchichte) ſind zugleich auch die religiöſen Urkunden des Shinto. Ehe die Geſchichte der Menſchheit ihren Anfang nahm, ſpielte ſich ſchon eine vieltauſendjährige Geſchichte im Reiche der Götter ab. Wie in den Syſtemen der Gnoſtiker löſte ein Göttergeſchlecht das andere ab, bis als letzte der göttlichen Geburten das Geſchwiſterpaar Izanagi und Izanami in das Daſein trat, die ſich mit einander vermählten. Eines Tages ſaßen die beiden auf der Himmelsbrücke und ſchauten hinab in das wogende Meer. Da tauchte Izanagi von ungefähr ſeine Lanze in die Fluten. Als er ſie zurückzog, fielen 1) Zur Bezeichnung ihres Gottes haben die Chriſten nach einigem Schwanken die ſhintoiſtiſche Terminologie übernommen. Für Chriſten und Shintoiſten heißt alſo Gott für die Umgangs- ſprache „kami“, in Zuſammenſetzungen nach der chineſiſchen Aus- ſprache „shin“ z. B. shin-gaku Theologie. Der buddhiſtiſche „hotoke“ bedeutet ein Götzenbild, ſo daß der Ausdruck für den geiſtigen Gott der Chriſten nicht zu gebrauchen war.

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/206>, abgerufen am 24.11.2024.