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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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ausschließlich auf das Gebiet des Glaubens und
Empfindens beschränkt, und eine ethische Bedeutung
haben sie eigentlich nur insoweit gewonnen, als sie sich
zu Verbreitern der konfuzianischen Tugendlehre hergaben.
In Japan umfaßt die Religion nicht in gleicher Weise
die Gebiete des Denkens, Fühlens und Wollens; denn
das Gebiet des Wollens nimmt fast ausschließlich die
religionslose Moral für sich in Anspruch. Die Frage-
stellung: Sind die Japaner Konfuzianer oder Buddhisten?
ist darum verkehrt. Der Japaner kann ethisch Kon-
fuzianer und religiös Buddhist, also beides zu gleicher
Zeit sein. Die gewöhnliche Formel, daß die gebildeten
Japaner Konfuzianer, die ungebildeten aber Buddhisten
seien, ist auch nur teilweise richtig. Vielmehr ist Kon-
fuzius, nach seiner ethischen Seite wenigstens, Gemein-
gut des ganzen Volkes, so daß -- ethisch betrachtet --
alle Japaner bis zum heutigen Tag als Konfuzianer
bezeichnet werden müssen. Freilich, das ist wahr, daß
der Samuraistand vermöge seiner Bildung zum Hüter
der konfuzianischen Ethik berufen war, während im
besonderen die Tugend der Loyalität und damit die
Staatsidee für ihn als eigentliche Kriegerkaste eine ganz
andere und höhere Bedeutung gewann als für das
gemeine Volk. Aber man darf doch eigentlich von
Konfuzius nur nach seiner philosophisch-agnostischen
Seite behaupten, daß er ausschließlich den oberen Stän-
den angehöre. Für sie ist er nicht nur der Lehrer der
Ethik, sondern auch der der Philosophie geworden;
seine religiösen Anschauungen sind auch die ihrigen.
Wie der chinesische Weise, so sind auch sie, die Männer
wenigstens, religionslos. Nicht als ob sie noch mit
besonderem Stolz an Konfuzius hingen, oder als ob
die alten chinesischen Lehrer je wieder Aussicht hätten,

ausſchließlich auf das Gebiet des Glaubens und
Empfindens beſchränkt, und eine ethiſche Bedeutung
haben ſie eigentlich nur inſoweit gewonnen, als ſie ſich
zu Verbreitern der konfuzianiſchen Tugendlehre hergaben.
In Japan umfaßt die Religion nicht in gleicher Weiſe
die Gebiete des Denkens, Fühlens und Wollens; denn
das Gebiet des Wollens nimmt faſt ausſchließlich die
religionsloſe Moral für ſich in Anſpruch. Die Frage-
ſtellung: Sind die Japaner Konfuzianer oder Buddhiſten?
iſt darum verkehrt. Der Japaner kann ethiſch Kon-
fuzianer und religiös Buddhiſt, alſo beides zu gleicher
Zeit ſein. Die gewöhnliche Formel, daß die gebildeten
Japaner Konfuzianer, die ungebildeten aber Buddhiſten
ſeien, iſt auch nur teilweiſe richtig. Vielmehr iſt Kon-
fuzius, nach ſeiner ethiſchen Seite wenigſtens, Gemein-
gut des ganzen Volkes, ſo daß — ethiſch betrachtet —
alle Japaner bis zum heutigen Tag als Konfuzianer
bezeichnet werden müſſen. Freilich, das iſt wahr, daß
der Samuraiſtand vermöge ſeiner Bildung zum Hüter
der konfuzianiſchen Ethik berufen war, während im
beſonderen die Tugend der Loyalität und damit die
Staatsidee für ihn als eigentliche Kriegerkaſte eine ganz
andere und höhere Bedeutung gewann als für das
gemeine Volk. Aber man darf doch eigentlich von
Konfuzius nur nach ſeiner philoſophiſch-agnoſtiſchen
Seite behaupten, daß er ausſchließlich den oberen Stän-
den angehöre. Für ſie iſt er nicht nur der Lehrer der
Ethik, ſondern auch der der Philoſophie geworden;
ſeine religiöſen Anſchauungen ſind auch die ihrigen.
Wie der chineſiſche Weiſe, ſo ſind auch ſie, die Männer
wenigſtens, religionslos. Nicht als ob ſie noch mit
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[188/0202] ausſchließlich auf das Gebiet des Glaubens und Empfindens beſchränkt, und eine ethiſche Bedeutung haben ſie eigentlich nur inſoweit gewonnen, als ſie ſich zu Verbreitern der konfuzianiſchen Tugendlehre hergaben. In Japan umfaßt die Religion nicht in gleicher Weiſe die Gebiete des Denkens, Fühlens und Wollens; denn das Gebiet des Wollens nimmt faſt ausſchließlich die religionsloſe Moral für ſich in Anſpruch. Die Frage- ſtellung: Sind die Japaner Konfuzianer oder Buddhiſten? iſt darum verkehrt. Der Japaner kann ethiſch Kon- fuzianer und religiös Buddhiſt, alſo beides zu gleicher Zeit ſein. Die gewöhnliche Formel, daß die gebildeten Japaner Konfuzianer, die ungebildeten aber Buddhiſten ſeien, iſt auch nur teilweiſe richtig. Vielmehr iſt Kon- fuzius, nach ſeiner ethiſchen Seite wenigſtens, Gemein- gut des ganzen Volkes, ſo daß — ethiſch betrachtet — alle Japaner bis zum heutigen Tag als Konfuzianer bezeichnet werden müſſen. Freilich, das iſt wahr, daß der Samuraiſtand vermöge ſeiner Bildung zum Hüter der konfuzianiſchen Ethik berufen war, während im beſonderen die Tugend der Loyalität und damit die Staatsidee für ihn als eigentliche Kriegerkaſte eine ganz andere und höhere Bedeutung gewann als für das gemeine Volk. Aber man darf doch eigentlich von Konfuzius nur nach ſeiner philoſophiſch-agnoſtiſchen Seite behaupten, daß er ausſchließlich den oberen Stän- den angehöre. Für ſie iſt er nicht nur der Lehrer der Ethik, ſondern auch der der Philoſophie geworden; ſeine religiöſen Anſchauungen ſind auch die ihrigen. Wie der chineſiſche Weiſe, ſo ſind auch ſie, die Männer wenigſtens, religionslos. Nicht als ob ſie noch mit beſonderem Stolz an Konfuzius hingen, oder als ob die alten chineſiſchen Lehrer je wieder Ausſicht hätten,

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/202>, abgerufen am 22.11.2024.