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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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hier ebenso gute Dienste thun würde wie in dem eisigen
Rußland. Aber welches andere Missionsfeld bietet
denn überhaupt die gesundheitsfördernde Abwechslung
zwischen Sommer und Winter und welcher Missionar
möchte die paar Unannehmlichkeiten nicht gerne mit in
Kauf nehmen! An Regen hat Japan keinen Mangel.
Es regnet wohl doppelt und dreifach soviel als in
Deutschland, besonders in der Regenzeit im Juni und
Juli. Da ist die Luft so von Feuchtigkeit geschwängert,
daß das Salz zerfließt und alles Lederzeug, Stiefel und
Handschuhe, sich binnen weniger Stunden mit Schimmel
überzieht. Die schönste Zeit ist der Herbst, wo bei
milder Luft der Himmel monatelang rein und klar ist.
Da erscheint Japan so recht als das Sonnenland, von
solch hellem Licht überflutet, wie es in unserer Heimat
fast undenkbar ist.

So ist also Japan ein gesundes Land. Der Auf-
enthalt daselbst bekommt dem Europäer prächtig, solange
er maßvoll lebt und im Genuß alkoholischer Getränke
nicht ausschweifend ist. Zwar sind epidemische Krank-
heiten nicht selten; aber von Jahr zu Jahr nehmen sie
an Gefährlichkeit ab, da die Regierung durch die um-
sichtigsten hygienischen Maßregeln erfolgreich gegen sie
ankämpft. Wenn ein Missionar in China, welchem die
Aufreibung der Arbeit und die Unbill des Klimas die
Gesundheit zerstört haben, sich erholen will, so geht er
nach Japan, und unter den Tausenden von Reisenden,
welche alljährlich nach seinen freundlichen Gestaden kom-
men, ist nicht einer, der nicht entzückt wäre von seiner
Lieblichkeit und Anmut. Aus mehr als einem begeister-
ten Hymnus heraus hört man's hindurchklingen: Hier
ist gut sein, hier möcht' ich mir Hütten bauen!

Freilich, wo so viel Licht ist, da kann es auch an

hier ebenſo gute Dienſte thun würde wie in dem eiſigen
Rußland. Aber welches andere Miſſionsfeld bietet
denn überhaupt die geſundheitsfördernde Abwechslung
zwiſchen Sommer und Winter und welcher Miſſionar
möchte die paar Unannehmlichkeiten nicht gerne mit in
Kauf nehmen! An Regen hat Japan keinen Mangel.
Es regnet wohl doppelt und dreifach ſoviel als in
Deutſchland, beſonders in der Regenzeit im Juni und
Juli. Da iſt die Luft ſo von Feuchtigkeit geſchwängert,
daß das Salz zerfließt und alles Lederzeug, Stiefel und
Handſchuhe, ſich binnen weniger Stunden mit Schimmel
überzieht. Die ſchönſte Zeit iſt der Herbſt, wo bei
milder Luft der Himmel monatelang rein und klar iſt.
Da erſcheint Japan ſo recht als das Sonnenland, von
ſolch hellem Licht überflutet, wie es in unſerer Heimat
faſt undenkbar iſt.

So iſt alſo Japan ein geſundes Land. Der Auf-
enthalt daſelbſt bekommt dem Europäer prächtig, ſolange
er maßvoll lebt und im Genuß alkoholiſcher Getränke
nicht ausſchweifend iſt. Zwar ſind epidemiſche Krank-
heiten nicht ſelten; aber von Jahr zu Jahr nehmen ſie
an Gefährlichkeit ab, da die Regierung durch die um-
ſichtigſten hygieniſchen Maßregeln erfolgreich gegen ſie
ankämpft. Wenn ein Miſſionar in China, welchem die
Aufreibung der Arbeit und die Unbill des Klimas die
Geſundheit zerſtört haben, ſich erholen will, ſo geht er
nach Japan, und unter den Tauſenden von Reiſenden,
welche alljährlich nach ſeinen freundlichen Geſtaden kom-
men, iſt nicht einer, der nicht entzückt wäre von ſeiner
Lieblichkeit und Anmut. Aus mehr als einem begeiſter-
ten Hymnus heraus hört man’s hindurchklingen: Hier
iſt gut ſein, hier möcht’ ich mir Hütten bauen!

Freilich, wo ſo viel Licht iſt, da kann es auch an

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[6/0020] hier ebenſo gute Dienſte thun würde wie in dem eiſigen Rußland. Aber welches andere Miſſionsfeld bietet denn überhaupt die geſundheitsfördernde Abwechslung zwiſchen Sommer und Winter und welcher Miſſionar möchte die paar Unannehmlichkeiten nicht gerne mit in Kauf nehmen! An Regen hat Japan keinen Mangel. Es regnet wohl doppelt und dreifach ſoviel als in Deutſchland, beſonders in der Regenzeit im Juni und Juli. Da iſt die Luft ſo von Feuchtigkeit geſchwängert, daß das Salz zerfließt und alles Lederzeug, Stiefel und Handſchuhe, ſich binnen weniger Stunden mit Schimmel überzieht. Die ſchönſte Zeit iſt der Herbſt, wo bei milder Luft der Himmel monatelang rein und klar iſt. Da erſcheint Japan ſo recht als das Sonnenland, von ſolch hellem Licht überflutet, wie es in unſerer Heimat faſt undenkbar iſt. So iſt alſo Japan ein geſundes Land. Der Auf- enthalt daſelbſt bekommt dem Europäer prächtig, ſolange er maßvoll lebt und im Genuß alkoholiſcher Getränke nicht ausſchweifend iſt. Zwar ſind epidemiſche Krank- heiten nicht ſelten; aber von Jahr zu Jahr nehmen ſie an Gefährlichkeit ab, da die Regierung durch die um- ſichtigſten hygieniſchen Maßregeln erfolgreich gegen ſie ankämpft. Wenn ein Miſſionar in China, welchem die Aufreibung der Arbeit und die Unbill des Klimas die Geſundheit zerſtört haben, ſich erholen will, ſo geht er nach Japan, und unter den Tauſenden von Reiſenden, welche alljährlich nach ſeinen freundlichen Geſtaden kom- men, iſt nicht einer, der nicht entzückt wäre von ſeiner Lieblichkeit und Anmut. Aus mehr als einem begeiſter- ten Hymnus heraus hört man’s hindurchklingen: Hier iſt gut ſein, hier möcht’ ich mir Hütten bauen! Freilich, wo ſo viel Licht iſt, da kann es auch an

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/20>, abgerufen am 24.11.2024.