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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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veraltet. Der Japaner nennt seinen Kaiser tenno, "Himm-
lischer König" oder tenchi, "Sohn des Himmels." Ist
er doch nach der Mythologie ein Nachkomme der
Sonnengöttin. Das Herrscherhaus ist nachweisbar das
älteste unter den regierenden Fürstengeschlechtern der
Erde. Denn wenn auch sein Ursprung von dem Götter-
sohn Jimmu Tenno, welcher um das Jahr 660 v. Chr.
als erster den Thron bestiegen haben soll, eine Sage ist,
und wenn auch die Zählung des gegewärtigen Kaisers
als des 121. auf dem Thron nicht ganz stimmen mag,
so hat doch die Dynastie nachweisbar schon zu der Zeit
bestanden, wo das sagenumwobene Altertum erkennbar
in das Licht der Geschichte tritt, also mindestens seit
dem fünften Jahrhundert nach Christus. Wollte der
japanische Kronprinz sich seine Frau aus einem euro-
päischen Fürstenhause holen, -- und im Volke sprach
man oft davon, wenn auch im Grunde nicht entfernt
daran zu denken ist --, so müßte es sich jede Prinzessin
zur hohen Ehre anrechnen, ihren Platz zu finden in der
ältesten Ahnengallerie der Welt und unter die Zahl
dieser schlitzäugigen Götter und Göttinnen aufgenommen
zu werden. In Wirklichkeit aber vermochte sich die
Dynastie nur dadurch zu erhalten, daß fortwährend
mangels erbberechtigter Nachkommenschaft Adoptionen
stattfanden, und daß der Kaiser stets eine größere An-
zahl von Frauen hatte. Der jetzige Herrscher besitzt
deren zwölf, und der Kronprinz ist nicht ein Sohn der
wirklichen Kaiserin, sondern einer kaiserlichen Nebenfrau.
Doch haben die Gesetzgeber dem Geiste des Kulturfort-
schrittes insofern Rechnung getragen, als in Zukunft
die Erbfolge an die legitime männliche Nachkommenschaft
von Kaiser und Kaiserin geknüpft ist.

Die weltliche Machtstellung des Kaisers entspricht

veraltet. Der Japaner nennt ſeinen Kaiſer tennō, „Himm-
liſcher König“ oder tenchi, „Sohn des Himmels.“ Iſt
er doch nach der Mythologie ein Nachkomme der
Sonnengöttin. Das Herrſcherhaus iſt nachweisbar das
älteſte unter den regierenden Fürſtengeſchlechtern der
Erde. Denn wenn auch ſein Urſprung von dem Götter-
ſohn Jimmu Tennō, welcher um das Jahr 660 v. Chr.
als erſter den Thron beſtiegen haben ſoll, eine Sage iſt,
und wenn auch die Zählung des gegewärtigen Kaiſers
als des 121. auf dem Thron nicht ganz ſtimmen mag,
ſo hat doch die Dynaſtie nachweisbar ſchon zu der Zeit
beſtanden, wo das ſagenumwobene Altertum erkennbar
in das Licht der Geſchichte tritt, alſo mindeſtens ſeit
dem fünften Jahrhundert nach Chriſtus. Wollte der
japaniſche Kronprinz ſich ſeine Frau aus einem euro-
päiſchen Fürſtenhauſe holen, — und im Volke ſprach
man oft davon, wenn auch im Grunde nicht entfernt
daran zu denken iſt —, ſo müßte es ſich jede Prinzeſſin
zur hohen Ehre anrechnen, ihren Platz zu finden in der
älteſten Ahnengallerie der Welt und unter die Zahl
dieſer ſchlitzäugigen Götter und Göttinnen aufgenommen
zu werden. In Wirklichkeit aber vermochte ſich die
Dynaſtie nur dadurch zu erhalten, daß fortwährend
mangels erbberechtigter Nachkommenſchaft Adoptionen
ſtattfanden, und daß der Kaiſer ſtets eine größere An-
zahl von Frauen hatte. Der jetzige Herrſcher beſitzt
deren zwölf, und der Kronprinz iſt nicht ein Sohn der
wirklichen Kaiſerin, ſondern einer kaiſerlichen Nebenfrau.
Doch haben die Geſetzgeber dem Geiſte des Kulturfort-
ſchrittes inſofern Rechnung getragen, als in Zukunft
die Erbfolge an die legitime männliche Nachkommenſchaft
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[170/0184] veraltet. Der Japaner nennt ſeinen Kaiſer tennō, „Himm- liſcher König“ oder tenchi, „Sohn des Himmels.“ Iſt er doch nach der Mythologie ein Nachkomme der Sonnengöttin. Das Herrſcherhaus iſt nachweisbar das älteſte unter den regierenden Fürſtengeſchlechtern der Erde. Denn wenn auch ſein Urſprung von dem Götter- ſohn Jimmu Tennō, welcher um das Jahr 660 v. Chr. als erſter den Thron beſtiegen haben ſoll, eine Sage iſt, und wenn auch die Zählung des gegewärtigen Kaiſers als des 121. auf dem Thron nicht ganz ſtimmen mag, ſo hat doch die Dynaſtie nachweisbar ſchon zu der Zeit beſtanden, wo das ſagenumwobene Altertum erkennbar in das Licht der Geſchichte tritt, alſo mindeſtens ſeit dem fünften Jahrhundert nach Chriſtus. Wollte der japaniſche Kronprinz ſich ſeine Frau aus einem euro- päiſchen Fürſtenhauſe holen, — und im Volke ſprach man oft davon, wenn auch im Grunde nicht entfernt daran zu denken iſt —, ſo müßte es ſich jede Prinzeſſin zur hohen Ehre anrechnen, ihren Platz zu finden in der älteſten Ahnengallerie der Welt und unter die Zahl dieſer ſchlitzäugigen Götter und Göttinnen aufgenommen zu werden. In Wirklichkeit aber vermochte ſich die Dynaſtie nur dadurch zu erhalten, daß fortwährend mangels erbberechtigter Nachkommenſchaft Adoptionen ſtattfanden, und daß der Kaiſer ſtets eine größere An- zahl von Frauen hatte. Der jetzige Herrſcher beſitzt deren zwölf, und der Kronprinz iſt nicht ein Sohn der wirklichen Kaiſerin, ſondern einer kaiſerlichen Nebenfrau. Doch haben die Geſetzgeber dem Geiſte des Kulturfort- ſchrittes inſofern Rechnung getragen, als in Zukunft die Erbfolge an die legitime männliche Nachkommenſchaft von Kaiſer und Kaiſerin geknüpft iſt. Die weltliche Machtſtellung des Kaiſers entſpricht

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/184>, abgerufen am 25.11.2024.