wie die Schweiz, sondern mehr romantisch und lieb- lich wie die Ufer des Rheins. Grüne Thäler, von Flüssen durchzogen, wechseln ab mit romanti- schen Gebirgslandschaften, und zwischen dunkeln Bergen eingeschlossen liegen herrliche Seen. Hunderte von Fuß hoch stürzen sich rauschende Wasserfälle herab, um als friedlich murmelnde Bäche weiter zu wandern. Von allen Seiten des Landes erglänzt weit hinaus das ewige Meer. Der größte Stolz des Japaners aber ist der Fujinoyama, der in dem Herzen des Landes mitten aus der Ebene heraus, nur wenig niedriger als der Montblanc, majestätisch sich erhebt und mit seiner schnee- bedeckten Kuppel weit hinausschaut als ein treuer Hüter über Land und Meer.
Aber mit dem Schönen lieblich vereint ist das Nützliche. Die japanische Erde ist nicht nur schön, sie ist auch fruchtbar. Zwar sind die Gaben, welche sie beschert, meist ganz anderer Natur als in Deutschland 1). An Obst bringt sie verhältnismäßig wenig hervor, am meisten noch Orangen, Kaki und Feigen. Äpfel und Birnen gedeihen nur auf der Nordinsel Yezo, und auch hier nicht zum besten, die Kirschen blühen zwar, tragen aber keine Früchte, und die Weintraube hat man ver- gebens versucht anzupflanzen. Um so reicher aber ver- gilt die Reisernte dem Landmann seine Mühe. Der Reis bildet weitaus das Hauptprodukt, neben welchem andere Getreidearten wie Hafer, Gerste und Weizen bedeutend zurückstehen. Die Kartoffel wird nur sehr
1) Eine musterhafte Darstellung der landwirtschaftlichen Ver- hältnisse giebt der deutsche Gelehrte Prof. Dr. M. Fesca in einem umfangreichen, im Auftrag der japanischen Regierung herausge- gebenen Buche: "Beiträge zur Kenntnis der japanischen Land- wirtschaft".
wie die Schweiz, ſondern mehr romantiſch und lieb- lich wie die Ufer des Rheins. Grüne Thäler, von Flüſſen durchzogen, wechſeln ab mit romanti- ſchen Gebirgslandſchaften, und zwiſchen dunkeln Bergen eingeſchloſſen liegen herrliche Seen. Hunderte von Fuß hoch ſtürzen ſich rauſchende Waſſerfälle herab, um als friedlich murmelnde Bäche weiter zu wandern. Von allen Seiten des Landes erglänzt weit hinaus das ewige Meer. Der größte Stolz des Japaners aber iſt der Fujinoyama, der in dem Herzen des Landes mitten aus der Ebene heraus, nur wenig niedriger als der Montblanc, majeſtätiſch ſich erhebt und mit ſeiner ſchnee- bedeckten Kuppel weit hinausſchaut als ein treuer Hüter über Land und Meer.
Aber mit dem Schönen lieblich vereint iſt das Nützliche. Die japaniſche Erde iſt nicht nur ſchön, ſie iſt auch fruchtbar. Zwar ſind die Gaben, welche ſie beſchert, meiſt ganz anderer Natur als in Deutſchland 1). An Obſt bringt ſie verhältnismäßig wenig hervor, am meiſten noch Orangen, Kaki und Feigen. Äpfel und Birnen gedeihen nur auf der Nordinſel Yezo, und auch hier nicht zum beſten, die Kirſchen blühen zwar, tragen aber keine Früchte, und die Weintraube hat man ver- gebens verſucht anzupflanzen. Um ſo reicher aber ver- gilt die Reisernte dem Landmann ſeine Mühe. Der Reis bildet weitaus das Hauptprodukt, neben welchem andere Getreidearten wie Hafer, Gerſte und Weizen bedeutend zurückſtehen. Die Kartoffel wird nur ſehr
1) Eine muſterhafte Darſtellung der landwirtſchaftlichen Ver- hältniſſe giebt der deutſche Gelehrte Prof. Dr. M. Fesca in einem umfangreichen, im Auftrag der japaniſchen Regierung herausge- gebenen Buche: „Beiträge zur Kenntnis der japaniſchen Land- wirtſchaft“.
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wie die Schweiz, ſondern mehr romantiſch und lieb-
lich wie die Ufer des Rheins. Grüne Thäler,
von Flüſſen durchzogen, wechſeln ab mit romanti-
ſchen Gebirgslandſchaften, und zwiſchen dunkeln Bergen
eingeſchloſſen liegen herrliche Seen. Hunderte von Fuß
hoch ſtürzen ſich rauſchende Waſſerfälle herab, um als
friedlich murmelnde Bäche weiter zu wandern. Von
allen Seiten des Landes erglänzt weit hinaus das ewige
Meer. Der größte Stolz des Japaners aber iſt der
Fujinoyama, der in dem Herzen des Landes mitten
aus der Ebene heraus, nur wenig niedriger als der
Montblanc, majeſtätiſch ſich erhebt und mit ſeiner ſchnee-
bedeckten Kuppel weit hinausſchaut als ein treuer
Hüter über Land und Meer.
Aber mit dem Schönen lieblich vereint iſt das
Nützliche. Die japaniſche Erde iſt nicht nur ſchön, ſie
iſt auch fruchtbar. Zwar ſind die Gaben, welche ſie
beſchert, meiſt ganz anderer Natur als in Deutſchland 1).
An Obſt bringt ſie verhältnismäßig wenig hervor, am
meiſten noch Orangen, Kaki und Feigen. Äpfel und
Birnen gedeihen nur auf der Nordinſel Yezo, und auch
hier nicht zum beſten, die Kirſchen blühen zwar, tragen
aber keine Früchte, und die Weintraube hat man ver-
gebens verſucht anzupflanzen. Um ſo reicher aber ver-
gilt die Reisernte dem Landmann ſeine Mühe. Der
Reis bildet weitaus das Hauptprodukt, neben welchem
andere Getreidearten wie Hafer, Gerſte und Weizen
bedeutend zurückſtehen. Die Kartoffel wird nur ſehr
1) Eine muſterhafte Darſtellung der landwirtſchaftlichen Ver-
hältniſſe giebt der deutſche Gelehrte Prof. Dr. M. Fesca in einem
umfangreichen, im Auftrag der japaniſchen Regierung herausge-
gebenen Buche: „Beiträge zur Kenntnis der japaniſchen Land-
wirtſchaft“.
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/18>, abgerufen am 16.02.2025.
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