lich ein erleuchtender Gedanke. Er zog seine Kleider aus und legte sich nackt auf das Eis hin, um dieses durch die Wärme seines Körpers zu erweichen. Da durchströmte ihn plötzlich eine starke Glut, das Eis zerschmolz, und es entstand ein Loch. Alsbald erschienen an dem Loch zwei prächtige Karpfen, um Atem zu schöpfen. Die ergriff der Knabe und brachte sie nach Hause.
Eine andere Geschichte erzählt von einem Manne, welcher in sehr ärmlichen Verhältnissen lebte. Er hatte einen alten Vater und einen jungen Sohn, und beide hatte er sehr lieb. Er hätte sich glücklich preisen dürfen, wenn nicht trotz aller fleißigen Arbeit Schmalhans be- ständig Küchenmeister bei ihm gewesen wäre. Hungrig setzte man sich zum Essen, und hungrig stand man wieder auf. Darüber grämte sich der arme Mann gar sehr, und um seines alten Vaters willen machte er sich nicht wenig Gewissensskrupel. "Sieh", so dachte er, "wenn ich mit meinem Vater allein wäre, könnte ich meiner Kindespflicht ihm gegenüber genügen. Ich will mich daran machen und meinen lieben Sohn lebendig be- graben". Mit großen Schmerzen ging er an die trau- rige Arbeit. Er grub ein Loch, darin das Kind be- graben werden sollte; aber, o Wunder! plötzlich stieß er auf etwas hartes, und da er es herauszog, war es ein Gefäß voll von Goldstücken. Nun war die Tugend des pietätvollen Sohnes reichlich belohnt; aus dem armen Mann war ein reicher geworden, die Not hatte ein Ende, und sie lebten alle glücklich zusammen weiter.
Bekanntlich gehören zu den größten Plagen der wärmeren Zone die Mosquitos, Insekten, welche auch den Anwohnern des Rheins als sogenannte Rhein- schnaken wohlbekannt sind. Wer in einer warmen Sommernacht ohne Schutznetz zu Bette geht, muß eine
lich ein erleuchtender Gedanke. Er zog ſeine Kleider aus und legte ſich nackt auf das Eis hin, um dieſes durch die Wärme ſeines Körpers zu erweichen. Da durchſtrömte ihn plötzlich eine ſtarke Glut, das Eis zerſchmolz, und es entſtand ein Loch. Alsbald erſchienen an dem Loch zwei prächtige Karpfen, um Atem zu ſchöpfen. Die ergriff der Knabe und brachte ſie nach Hauſe.
Eine andere Geſchichte erzählt von einem Manne, welcher in ſehr ärmlichen Verhältniſſen lebte. Er hatte einen alten Vater und einen jungen Sohn, und beide hatte er ſehr lieb. Er hätte ſich glücklich preiſen dürfen, wenn nicht trotz aller fleißigen Arbeit Schmalhans be- ſtändig Küchenmeiſter bei ihm geweſen wäre. Hungrig ſetzte man ſich zum Eſſen, und hungrig ſtand man wieder auf. Darüber grämte ſich der arme Mann gar ſehr, und um ſeines alten Vaters willen machte er ſich nicht wenig Gewiſſensſkrupel. „Sieh“, ſo dachte er, „wenn ich mit meinem Vater allein wäre, könnte ich meiner Kindespflicht ihm gegenüber genügen. Ich will mich daran machen und meinen lieben Sohn lebendig be- graben“. Mit großen Schmerzen ging er an die trau- rige Arbeit. Er grub ein Loch, darin das Kind be- graben werden ſollte; aber, o Wunder! plötzlich ſtieß er auf etwas hartes, und da er es herauszog, war es ein Gefäß voll von Goldſtücken. Nun war die Tugend des pietätvollen Sohnes reichlich belohnt; aus dem armen Mann war ein reicher geworden, die Not hatte ein Ende, und ſie lebten alle glücklich zuſammen weiter.
Bekanntlich gehören zu den größten Plagen der wärmeren Zone die Mosquitos, Inſekten, welche auch den Anwohnern des Rheins als ſogenannte Rhein- ſchnaken wohlbekannt ſind. Wer in einer warmen Sommernacht ohne Schutznetz zu Bette geht, muß eine
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lich ein erleuchtender Gedanke. Er zog ſeine Kleider
aus und legte ſich nackt auf das Eis hin, um dieſes
durch die Wärme ſeines Körpers zu erweichen. Da
durchſtrömte ihn plötzlich eine ſtarke Glut, das Eis
zerſchmolz, und es entſtand ein Loch. Alsbald erſchienen
an dem Loch zwei prächtige Karpfen, um Atem zu ſchöpfen.
Die ergriff der Knabe und brachte ſie nach Hauſe.
Eine andere Geſchichte erzählt von einem Manne,
welcher in ſehr ärmlichen Verhältniſſen lebte. Er hatte
einen alten Vater und einen jungen Sohn, und beide
hatte er ſehr lieb. Er hätte ſich glücklich preiſen dürfen,
wenn nicht trotz aller fleißigen Arbeit Schmalhans be-
ſtändig Küchenmeiſter bei ihm geweſen wäre. Hungrig
ſetzte man ſich zum Eſſen, und hungrig ſtand man wieder
auf. Darüber grämte ſich der arme Mann gar ſehr,
und um ſeines alten Vaters willen machte er ſich nicht
wenig Gewiſſensſkrupel. „Sieh“, ſo dachte er, „wenn
ich mit meinem Vater allein wäre, könnte ich meiner
Kindespflicht ihm gegenüber genügen. Ich will mich
daran machen und meinen lieben Sohn lebendig be-
graben“. Mit großen Schmerzen ging er an die trau-
rige Arbeit. Er grub ein Loch, darin das Kind be-
graben werden ſollte; aber, o Wunder! plötzlich ſtieß er
auf etwas hartes, und da er es herauszog, war es ein
Gefäß voll von Goldſtücken. Nun war die Tugend des
pietätvollen Sohnes reichlich belohnt; aus dem armen
Mann war ein reicher geworden, die Not hatte ein
Ende, und ſie lebten alle glücklich zuſammen weiter.
Bekanntlich gehören zu den größten Plagen der
wärmeren Zone die Mosquitos, Inſekten, welche auch
den Anwohnern des Rheins als ſogenannte Rhein-
ſchnaken wohlbekannt ſind. Wer in einer warmen
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/163>, abgerufen am 22.11.2024.
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