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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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wesentlich umgestaltet. Auch werden die Japaner, klug
wie sie sind, bald selbst einsehen, daß man in diesem
Stande mit Ehrlichkeit und reeller Behandlung weiter
kommt als mit vermeintlicher Schlauheit; einen Weg
aber, der sie vorwärts bringt, zögern sie nie zu betreten.
Immerhin tragen sie in ihrem sanguinischen Tempera-
ment eine stete Versuchung zur Unzuverlässigkeit mit sich,
so daß es bei ihnen wohl noch gute Weile hat, bis es
in vollem Sinne heißen darf: Ein Mann, ein Wort.

Um so mehr steht zu hoffen, daß sie sich die gleich-
falls auf ihrem Naturell beruhenden Tugenden der
Empfänglichkeit und Eindrucksfähigkeit in dem gegen-
wärtigen vollen Maße bewahren werden. Sind sie doch
die Hauptquellen ihrer sympathischen Züge einer ästhe-
tischen Lebensführung. Sie verstehen es, sich liebevoll
an etwas hinzugeben; aber sie sind gleicherweise bedacht,
sich nicht zu verlieren und sich selbst zu behaupten. Sie
haben Stolz und Selbstbewußtsein, sie werfen sich nicht
weg. Wie sie ästhetisch äußerlich auf sich halten, so
auch innerlich. Servilität und kriechende Unterwürfigkeit
ist ihnen fremd und kann ihnen nur von dem angedichtet
werden, der ihre Höflichkeit mißversteht. Sklavischer
Sinn mit all seinen unschönen Begleiterscheinungen
eignet ihnen nicht. Sie wissen, was sie sind und was
sie können, sie wissen es manchmal nur zu sehr. Sie
verfallen darum leicht in Eitelkeit, Selbstüberschätzung
und Großmannssucht.

Der Japaner möchte mehr scheinen, als er ist.
Kaum hat der Knabe seinen Einzug in die höhere
Schule gehalten, so muß auch eine Brille her, damit
er ein gelehrtes Ansehen gewinnt. Ein Kneifer würde
ihm freilich noch besser gefallen, aber für den ist die
japanische Nase leider nicht gewachsen. Ein echter

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weſentlich umgeſtaltet. Auch werden die Japaner, klug
wie ſie ſind, bald ſelbſt einſehen, daß man in dieſem
Stande mit Ehrlichkeit und reeller Behandlung weiter
kommt als mit vermeintlicher Schlauheit; einen Weg
aber, der ſie vorwärts bringt, zögern ſie nie zu betreten.
Immerhin tragen ſie in ihrem ſanguiniſchen Tempera-
ment eine ſtete Verſuchung zur Unzuverläſſigkeit mit ſich,
ſo daß es bei ihnen wohl noch gute Weile hat, bis es
in vollem Sinne heißen darf: Ein Mann, ein Wort.

Um ſo mehr ſteht zu hoffen, daß ſie ſich die gleich-
falls auf ihrem Naturell beruhenden Tugenden der
Empfänglichkeit und Eindrucksfähigkeit in dem gegen-
wärtigen vollen Maße bewahren werden. Sind ſie doch
die Hauptquellen ihrer ſympathiſchen Züge einer äſthe-
tiſchen Lebensführung. Sie verſtehen es, ſich liebevoll
an etwas hinzugeben; aber ſie ſind gleicherweiſe bedacht,
ſich nicht zu verlieren und ſich ſelbſt zu behaupten. Sie
haben Stolz und Selbſtbewußtſein, ſie werfen ſich nicht
weg. Wie ſie äſthetiſch äußerlich auf ſich halten, ſo
auch innerlich. Servilität und kriechende Unterwürfigkeit
iſt ihnen fremd und kann ihnen nur von dem angedichtet
werden, der ihre Höflichkeit mißverſteht. Sklaviſcher
Sinn mit all ſeinen unſchönen Begleiterſcheinungen
eignet ihnen nicht. Sie wiſſen, was ſie ſind und was
ſie können, ſie wiſſen es manchmal nur zu ſehr. Sie
verfallen darum leicht in Eitelkeit, Selbſtüberſchätzung
und Großmannsſucht.

Der Japaner möchte mehr ſcheinen, als er iſt.
Kaum hat der Knabe ſeinen Einzug in die höhere
Schule gehalten, ſo muß auch eine Brille her, damit
er ein gelehrtes Anſehen gewinnt. Ein Kneifer würde
ihm freilich noch beſſer gefallen, aber für den iſt die
japaniſche Naſe leider nicht gewachſen. Ein echter

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[113/0127] weſentlich umgeſtaltet. Auch werden die Japaner, klug wie ſie ſind, bald ſelbſt einſehen, daß man in dieſem Stande mit Ehrlichkeit und reeller Behandlung weiter kommt als mit vermeintlicher Schlauheit; einen Weg aber, der ſie vorwärts bringt, zögern ſie nie zu betreten. Immerhin tragen ſie in ihrem ſanguiniſchen Tempera- ment eine ſtete Verſuchung zur Unzuverläſſigkeit mit ſich, ſo daß es bei ihnen wohl noch gute Weile hat, bis es in vollem Sinne heißen darf: Ein Mann, ein Wort. Um ſo mehr ſteht zu hoffen, daß ſie ſich die gleich- falls auf ihrem Naturell beruhenden Tugenden der Empfänglichkeit und Eindrucksfähigkeit in dem gegen- wärtigen vollen Maße bewahren werden. Sind ſie doch die Hauptquellen ihrer ſympathiſchen Züge einer äſthe- tiſchen Lebensführung. Sie verſtehen es, ſich liebevoll an etwas hinzugeben; aber ſie ſind gleicherweiſe bedacht, ſich nicht zu verlieren und ſich ſelbſt zu behaupten. Sie haben Stolz und Selbſtbewußtſein, ſie werfen ſich nicht weg. Wie ſie äſthetiſch äußerlich auf ſich halten, ſo auch innerlich. Servilität und kriechende Unterwürfigkeit iſt ihnen fremd und kann ihnen nur von dem angedichtet werden, der ihre Höflichkeit mißverſteht. Sklaviſcher Sinn mit all ſeinen unſchönen Begleiterſcheinungen eignet ihnen nicht. Sie wiſſen, was ſie ſind und was ſie können, ſie wiſſen es manchmal nur zu ſehr. Sie verfallen darum leicht in Eitelkeit, Selbſtüberſchätzung und Großmannsſucht. Der Japaner möchte mehr ſcheinen, als er iſt. Kaum hat der Knabe ſeinen Einzug in die höhere Schule gehalten, ſo muß auch eine Brille her, damit er ein gelehrtes Anſehen gewinnt. Ein Kneifer würde ihm freilich noch beſſer gefallen, aber für den iſt die japaniſche Naſe leider nicht gewachſen. Ein echter 8

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/127>, abgerufen am 24.11.2024.