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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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greifen, wenn ich ihre Zahl in Tokyo allein auf etwa
hundert schätze. Die meisten sind freilich auch darnach!

Überhaupt ist das pädagogische Manchestertum, das
ganze ausgebreitete Privatschulwesen für Japan ein be-
klagenswerter Übelstand. Es sind zwar in diesen An-
stalten auch tüchtige Schüler zu finden, aber zu einem
großen Teil ist es doch minderwertiges Material, welches,
für Regierungsschulen zu gering, hier immer noch mit
offenen Armen angenommen wird. Der Besuch einer
Privatschule berechtigt zu keinem öffentlichen Amt, und
so entsteht ein großes halbgebildetes Proletariat und
damit ein unzufriedenes, nörgelndes Element in dem
Volksganzen. Das können doch unmöglich gesunde
Zustände sein, wenn bei einer staatlichen Prüfung zur
Qualifikation für das höhere Justizfach ein paar hundert
junge Leute aus Privatrechtsschulen das Examen mit-
machen, während doch von vornherein feststeht, daß
entsprechend dem Bedarf nur sechsunddreißig bestehen
können!

Auch die Disziplin wird durch das Privatschul-
wesen in einer Weise untergraben, welche sich allmählich
als recht bedenklich herausstellt. Hier haben sich nicht
die Schüler nach den Lehrern, sondern die Lehrer nach
den Schülern zu richten. Geschieht das nicht, so treten
die Schüler aus. Sie riskieren ja nichts dabei. Sie
finden immer wieder ihre Unterkunft in einer Konkurrenz-
schule, welche sie mit Freuden und ohne jede Nachfrage
nach ihrem sittlichen Charakter aufnimmt. Die Trinität,
zu welcher der junge Samurai in früheren Jahren ehr-
furchtsvoll aufschaute, waren Vater, Fürst und Lehrer,
und er konnte in die größte Verlegenheit gebracht wer-
den, wenn man ihn fragte: "Wen würdest du zuerst
retten, wenn die drei zusammen in das Wasser fielen

greifen, wenn ich ihre Zahl in Tokyo allein auf etwa
hundert ſchätze. Die meiſten ſind freilich auch darnach!

Überhaupt iſt das pädagogiſche Mancheſtertum, das
ganze ausgebreitete Privatſchulweſen für Japan ein be-
klagenswerter Übelſtand. Es ſind zwar in dieſen An-
ſtalten auch tüchtige Schüler zu finden, aber zu einem
großen Teil iſt es doch minderwertiges Material, welches,
für Regierungsſchulen zu gering, hier immer noch mit
offenen Armen angenommen wird. Der Beſuch einer
Privatſchule berechtigt zu keinem öffentlichen Amt, und
ſo entſteht ein großes halbgebildetes Proletariat und
damit ein unzufriedenes, nörgelndes Element in dem
Volksganzen. Das können doch unmöglich geſunde
Zuſtände ſein, wenn bei einer ſtaatlichen Prüfung zur
Qualifikation für das höhere Juſtizfach ein paar hundert
junge Leute aus Privatrechtsſchulen das Examen mit-
machen, während doch von vornherein feſtſteht, daß
entſprechend dem Bedarf nur ſechsunddreißig beſtehen
können!

Auch die Disziplin wird durch das Privatſchul-
weſen in einer Weiſe untergraben, welche ſich allmählich
als recht bedenklich herausſtellt. Hier haben ſich nicht
die Schüler nach den Lehrern, ſondern die Lehrer nach
den Schülern zu richten. Geſchieht das nicht, ſo treten
die Schüler aus. Sie riskieren ja nichts dabei. Sie
finden immer wieder ihre Unterkunft in einer Konkurrenz-
ſchule, welche ſie mit Freuden und ohne jede Nachfrage
nach ihrem ſittlichen Charakter aufnimmt. Die Trinität,
zu welcher der junge Samurai in früheren Jahren ehr-
furchtsvoll aufſchaute, waren Vater, Fürſt und Lehrer,
und er konnte in die größte Verlegenheit gebracht wer-
den, wenn man ihn fragte: „Wen würdeſt du zuerſt
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[94/0108] greifen, wenn ich ihre Zahl in Tokyo allein auf etwa hundert ſchätze. Die meiſten ſind freilich auch darnach! Überhaupt iſt das pädagogiſche Mancheſtertum, das ganze ausgebreitete Privatſchulweſen für Japan ein be- klagenswerter Übelſtand. Es ſind zwar in dieſen An- ſtalten auch tüchtige Schüler zu finden, aber zu einem großen Teil iſt es doch minderwertiges Material, welches, für Regierungsſchulen zu gering, hier immer noch mit offenen Armen angenommen wird. Der Beſuch einer Privatſchule berechtigt zu keinem öffentlichen Amt, und ſo entſteht ein großes halbgebildetes Proletariat und damit ein unzufriedenes, nörgelndes Element in dem Volksganzen. Das können doch unmöglich geſunde Zuſtände ſein, wenn bei einer ſtaatlichen Prüfung zur Qualifikation für das höhere Juſtizfach ein paar hundert junge Leute aus Privatrechtsſchulen das Examen mit- machen, während doch von vornherein feſtſteht, daß entſprechend dem Bedarf nur ſechsunddreißig beſtehen können! Auch die Disziplin wird durch das Privatſchul- weſen in einer Weiſe untergraben, welche ſich allmählich als recht bedenklich herausſtellt. Hier haben ſich nicht die Schüler nach den Lehrern, ſondern die Lehrer nach den Schülern zu richten. Geſchieht das nicht, ſo treten die Schüler aus. Sie riskieren ja nichts dabei. Sie finden immer wieder ihre Unterkunft in einer Konkurrenz- ſchule, welche ſie mit Freuden und ohne jede Nachfrage nach ihrem ſittlichen Charakter aufnimmt. Die Trinität, zu welcher der junge Samurai in früheren Jahren ehr- furchtsvoll aufſchaute, waren Vater, Fürſt und Lehrer, und er konnte in die größte Verlegenheit gebracht wer- den, wenn man ihn fragte: „Wen würdeſt du zuerſt retten, wenn die drei zuſammen in das Waſſer fielen

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/108>, abgerufen am 24.11.2024.