Gefahr, Herr Graf, und Jhre Furcht und Besorgniß, muntert mich dazu auf.
Jch hatte mir vorgenommen dießmahl noch über seine Vergehungen mit ihm zu reden, und ihm besonders diejenigen zu Gemüthe zu führen, die er gegen einzelne Personen begangen, und deren ich bisher noch nicht erwähnt hatte. Jch fand auch nicht für gut diesen mei- nen Vorsatz fahren zu lassen; aber der Anblick seiner außerordentlichen Gemühtsunruhe, und die Besorgniß, daß sie etwa zu sehr überhand nehmen möchte, bewog mich ihn mehr zu schonen, als ich sonst würde gethan haben, und über manches leichter hinzugehen. Jch weiß nicht ob ich recht daran that, aber ich habe doch nachher nicht Ursache gefunden in diesem Stücke unzufrieden mit mir zu seyn.
Unter andern kamen wir auch auf den Schmerz und Kummer, den er seinen rechtschaffenen Eltern von seiner frühen Jugend an, und nun zuletzt am meisten, verursacht habe. Jch bat ihn zu überlegen, wie so sehr oft er sie durch Ungehorsam und Widersetzlichkeit, durch seine ihnen gewiß sichtbare Entfernung von der Religion, und durch seine Ausschweifungen werde beleidigt und be- trübt haben. -- Und wie müssen nicht, fuhr ich fort, diese ehrwürdigen Personen durch die übereilten Schritte geängstigt worden seyn, die Sie seit Jhrem hiesigen Auf- enthalte wagten! -- Wird ihnen nicht jede Nachricht von dem gar zu schnell anwachsendem Glücke ihres Sohns, von den Mitteln, wodurch er es erlangt hat, von dem Gebrauch, den er von seiner Gewalt machte, Todes- schrecken verursacht haben? -- Wie müssen sie nicht von einem Tage zum andern vor der Gefahr gezittert haben, von der Sie, Herr Graf, täglich bedroht wurden! -- Jn welch einen unaussprechlichen Schmerz muß sie itzt
nicht
F
Gefahr, Herr Graf, und Jhre Furcht und Beſorgniß, muntert mich dazu auf.
Jch hatte mir vorgenommen dießmahl noch uͤber ſeine Vergehungen mit ihm zu reden, und ihm beſonders diejenigen zu Gemuͤthe zu fuͤhren, die er gegen einzelne Perſonen begangen, und deren ich bisher noch nicht erwaͤhnt hatte. Jch fand auch nicht fuͤr gut dieſen mei- nen Vorſatz fahren zu laſſen; aber der Anblick ſeiner außerordentlichen Gemuͤhtsunruhe, und die Beſorgniß, daß ſie etwa zu ſehr uͤberhand nehmen moͤchte, bewog mich ihn mehr zu ſchonen, als ich ſonſt wuͤrde gethan haben, und uͤber manches leichter hinzugehen. Jch weiß nicht ob ich recht daran that, aber ich habe doch nachher nicht Urſache gefunden in dieſem Stuͤcke unzufrieden mit mir zu ſeyn.
Unter andern kamen wir auch auf den Schmerz und Kummer, den er ſeinen rechtſchaffenen Eltern von ſeiner fruͤhen Jugend an, und nun zuletzt am meiſten, verurſacht habe. Jch bat ihn zu uͤberlegen, wie ſo ſehr oft er ſie durch Ungehorſam und Widerſetzlichkeit, durch ſeine ihnen gewiß ſichtbare Entfernung von der Religion, und durch ſeine Ausſchweifungen werde beleidigt und be- truͤbt haben. — Und wie muͤſſen nicht, fuhr ich fort, dieſe ehrwuͤrdigen Perſonen durch die uͤbereilten Schritte geaͤngſtigt worden ſeyn, die Sie ſeit Jhrem hieſigen Auf- enthalte wagten! — Wird ihnen nicht jede Nachricht von dem gar zu ſchnell anwachſendem Gluͤcke ihres Sohns, von den Mitteln, wodurch er es erlangt hat, von dem Gebrauch, den er von ſeiner Gewalt machte, Todes- ſchrecken verurſacht haben? — Wie muͤſſen ſie nicht von einem Tage zum andern vor der Gefahr gezittert haben, von der Sie, Herr Graf, taͤglich bedroht wurden! — Jn welch einen unausſprechlichen Schmerz muß ſie itzt
nicht
F
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0093"n="81"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Gefahr, Herr Graf, und Jhre Furcht und Beſorgniß,<lb/>
muntert mich dazu auf.</p><lb/><p>Jch hatte mir vorgenommen dießmahl noch uͤber<lb/>ſeine Vergehungen mit ihm zu reden, und ihm beſonders<lb/>
diejenigen zu Gemuͤthe zu fuͤhren, die er gegen einzelne<lb/>
Perſonen begangen, und deren ich bisher noch nicht<lb/>
erwaͤhnt hatte. Jch fand auch nicht fuͤr gut dieſen mei-<lb/>
nen Vorſatz fahren zu laſſen; aber der Anblick ſeiner<lb/>
außerordentlichen Gemuͤhtsunruhe, und die Beſorgniß,<lb/>
daß ſie etwa zu ſehr uͤberhand nehmen moͤchte, bewog<lb/>
mich ihn mehr zu ſchonen, als ich ſonſt wuͤrde gethan<lb/>
haben, und uͤber manches leichter hinzugehen. Jch weiß<lb/>
nicht ob ich recht daran that, aber ich habe doch nachher<lb/>
nicht Urſache gefunden in dieſem Stuͤcke unzufrieden mit<lb/>
mir zu ſeyn.</p><lb/><p>Unter andern kamen wir auch auf den Schmerz<lb/>
und Kummer, den er ſeinen rechtſchaffenen Eltern von<lb/>ſeiner fruͤhen Jugend an, und nun zuletzt am meiſten,<lb/>
verurſacht habe. Jch bat ihn zu uͤberlegen, wie ſo ſehr<lb/>
oft er ſie durch Ungehorſam und Widerſetzlichkeit, durch<lb/>ſeine ihnen gewiß ſichtbare Entfernung von der Religion,<lb/>
und durch ſeine Ausſchweifungen werde beleidigt und be-<lb/>
truͤbt haben. — Und wie muͤſſen nicht, fuhr ich fort,<lb/>
dieſe ehrwuͤrdigen Perſonen durch die uͤbereilten Schritte<lb/>
geaͤngſtigt worden ſeyn, die Sie ſeit Jhrem hieſigen Auf-<lb/>
enthalte wagten! — Wird ihnen nicht jede Nachricht<lb/>
von dem gar zu ſchnell anwachſendem Gluͤcke ihres Sohns,<lb/>
von den Mitteln, wodurch er es erlangt hat, von dem<lb/>
Gebrauch, den er von ſeiner Gewalt machte, Todes-<lb/>ſchrecken verurſacht haben? — Wie muͤſſen ſie nicht von<lb/>
einem Tage zum andern vor der Gefahr gezittert haben,<lb/>
von der Sie, Herr Graf, taͤglich bedroht wurden! —<lb/>
Jn welch einen unausſprechlichen Schmerz muß ſie itzt<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F</fw><fwplace="bottom"type="catch">nicht</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[81/0093]
Gefahr, Herr Graf, und Jhre Furcht und Beſorgniß,
muntert mich dazu auf.
Jch hatte mir vorgenommen dießmahl noch uͤber
ſeine Vergehungen mit ihm zu reden, und ihm beſonders
diejenigen zu Gemuͤthe zu fuͤhren, die er gegen einzelne
Perſonen begangen, und deren ich bisher noch nicht
erwaͤhnt hatte. Jch fand auch nicht fuͤr gut dieſen mei-
nen Vorſatz fahren zu laſſen; aber der Anblick ſeiner
außerordentlichen Gemuͤhtsunruhe, und die Beſorgniß,
daß ſie etwa zu ſehr uͤberhand nehmen moͤchte, bewog
mich ihn mehr zu ſchonen, als ich ſonſt wuͤrde gethan
haben, und uͤber manches leichter hinzugehen. Jch weiß
nicht ob ich recht daran that, aber ich habe doch nachher
nicht Urſache gefunden in dieſem Stuͤcke unzufrieden mit
mir zu ſeyn.
Unter andern kamen wir auch auf den Schmerz
und Kummer, den er ſeinen rechtſchaffenen Eltern von
ſeiner fruͤhen Jugend an, und nun zuletzt am meiſten,
verurſacht habe. Jch bat ihn zu uͤberlegen, wie ſo ſehr
oft er ſie durch Ungehorſam und Widerſetzlichkeit, durch
ſeine ihnen gewiß ſichtbare Entfernung von der Religion,
und durch ſeine Ausſchweifungen werde beleidigt und be-
truͤbt haben. — Und wie muͤſſen nicht, fuhr ich fort,
dieſe ehrwuͤrdigen Perſonen durch die uͤbereilten Schritte
geaͤngſtigt worden ſeyn, die Sie ſeit Jhrem hieſigen Auf-
enthalte wagten! — Wird ihnen nicht jede Nachricht
von dem gar zu ſchnell anwachſendem Gluͤcke ihres Sohns,
von den Mitteln, wodurch er es erlangt hat, von dem
Gebrauch, den er von ſeiner Gewalt machte, Todes-
ſchrecken verurſacht haben? — Wie muͤſſen ſie nicht von
einem Tage zum andern vor der Gefahr gezittert haben,
von der Sie, Herr Graf, taͤglich bedroht wurden! —
Jn welch einen unausſprechlichen Schmerz muß ſie itzt
nicht
F
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/93>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.