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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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Deutlichkeit, aber auch zugleich mit solcher Hoheit und
Würde vorgetragen hat; der selbst seiner Moral so sehr
gemäß handelte; und, dieß setzte er selbst hinzu, der das
alles ohne den mindesten Eigennutz that, und so gar sein
Leben für die Wahrheit, die er predigte, aufopferte:
sagen Sie mir, finden Sie es wahrscheinlich oder auch
nur glaublich, daß dieser Mann die Welt habe hinterge-
hen wollen, daß er ihr Blendwerke für Wunder aufge-
drungen, oder sich für einen Gesandten Gottes ausgege-
ben habe, der ihr geheime Wahrheiten bekannt machen
solle, wenn er es doch nicht gewesen wäre? Nein, ant-
wortete er, das ist nicht wahrscheinlich.

Von der Wahrscheinlichkeit zu der in dieser Sa-
che möglichen Gewißheit ist noch ein ziemlicher Weg.
Jch will Jhnen nun sagen, wie ich glaube, daß Sie
denn aufs kürzeste und sicherste zurücklegen können. Jch
muß noch einmahl mit Jhnen über Jhre Vergehungen
reden. Wenn ich dann Jhnen Jhre moralische Gestalt
gezeigt haben werde, wie ich glaube, daß sie ist, so will
ich es Jhnen selbst überlassen, Jhre Vernunft zu fragen,
ob sie Jhnen ein zuverlässiges Mittel zur Beruhigung
Jhres Gewissens und zur Versicherung, daß Gott Sie
begnadigt habe oder begnadigen werde, entdecken könne.
Finden Sie dann, daß Jhre Vernunft Sie hülflos läßt,
und daß ich, der ich Jhnen dieß zum Voraus sage,
recht darin habe, so bleibt Jhnen nichts übrig, als daß
Sie das einzige Mittel ergreifen, das in der Welt be-
kannt, und von vielen einsichtsvollen und rechtschaffenen
Leuten bewährt erfunden worden ist. Ja, sagte er, das
ist wahr. Dann aber, fuhr ich fort, sollen Sie dieß
Mittel noch nicht auf meine und andrer Menschen Auto-
rität so ungeprüft annehmen. Das würde ich Jhnen
zumuhten, wenn Gott die Offenbahrung nicht mit Be-
weisen versehen hätte. Aber sie hat so überzeugende

Beweise,



Deutlichkeit, aber auch zugleich mit ſolcher Hoheit und
Wuͤrde vorgetragen hat; der ſelbſt ſeiner Moral ſo ſehr
gemaͤß handelte; und, dieß ſetzte er ſelbſt hinzu, der das
alles ohne den mindeſten Eigennutz that, und ſo gar ſein
Leben fuͤr die Wahrheit, die er predigte, aufopferte:
ſagen Sie mir, finden Sie es wahrſcheinlich oder auch
nur glaublich, daß dieſer Mann die Welt habe hinterge-
hen wollen, daß er ihr Blendwerke fuͤr Wunder aufge-
drungen, oder ſich fuͤr einen Geſandten Gottes ausgege-
ben habe, der ihr geheime Wahrheiten bekannt machen
ſolle, wenn er es doch nicht geweſen waͤre? Nein, ant-
wortete er, das iſt nicht wahrſcheinlich.

Von der Wahrſcheinlichkeit zu der in dieſer Sa-
che moͤglichen Gewißheit iſt noch ein ziemlicher Weg.
Jch will Jhnen nun ſagen, wie ich glaube, daß Sie
denn aufs kuͤrzeſte und ſicherſte zuruͤcklegen koͤnnen. Jch
muß noch einmahl mit Jhnen uͤber Jhre Vergehungen
reden. Wenn ich dann Jhnen Jhre moraliſche Geſtalt
gezeigt haben werde, wie ich glaube, daß ſie iſt, ſo will
ich es Jhnen ſelbſt uͤberlaſſen, Jhre Vernunft zu fragen,
ob ſie Jhnen ein zuverlaͤſſiges Mittel zur Beruhigung
Jhres Gewiſſens und zur Verſicherung, daß Gott Sie
begnadigt habe oder begnadigen werde, entdecken koͤnne.
Finden Sie dann, daß Jhre Vernunft Sie huͤlflos laͤßt,
und daß ich, der ich Jhnen dieß zum Voraus ſage,
recht darin habe, ſo bleibt Jhnen nichts uͤbrig, als daß
Sie das einzige Mittel ergreifen, das in der Welt be-
kannt, und von vielen einſichtsvollen und rechtſchaffenen
Leuten bewaͤhrt erfunden worden iſt. Ja, ſagte er, das
iſt wahr. Dann aber, fuhr ich fort, ſollen Sie dieß
Mittel noch nicht auf meine und andrer Menſchen Auto-
ritaͤt ſo ungepruͤft annehmen. Das wuͤrde ich Jhnen
zumuhten, wenn Gott die Offenbahrung nicht mit Be-
weiſen verſehen haͤtte. Aber ſie hat ſo uͤberzeugende

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[76/0088] Deutlichkeit, aber auch zugleich mit ſolcher Hoheit und Wuͤrde vorgetragen hat; der ſelbſt ſeiner Moral ſo ſehr gemaͤß handelte; und, dieß ſetzte er ſelbſt hinzu, der das alles ohne den mindeſten Eigennutz that, und ſo gar ſein Leben fuͤr die Wahrheit, die er predigte, aufopferte: ſagen Sie mir, finden Sie es wahrſcheinlich oder auch nur glaublich, daß dieſer Mann die Welt habe hinterge- hen wollen, daß er ihr Blendwerke fuͤr Wunder aufge- drungen, oder ſich fuͤr einen Geſandten Gottes ausgege- ben habe, der ihr geheime Wahrheiten bekannt machen ſolle, wenn er es doch nicht geweſen waͤre? Nein, ant- wortete er, das iſt nicht wahrſcheinlich. Von der Wahrſcheinlichkeit zu der in dieſer Sa- che moͤglichen Gewißheit iſt noch ein ziemlicher Weg. Jch will Jhnen nun ſagen, wie ich glaube, daß Sie denn aufs kuͤrzeſte und ſicherſte zuruͤcklegen koͤnnen. Jch muß noch einmahl mit Jhnen uͤber Jhre Vergehungen reden. Wenn ich dann Jhnen Jhre moraliſche Geſtalt gezeigt haben werde, wie ich glaube, daß ſie iſt, ſo will ich es Jhnen ſelbſt uͤberlaſſen, Jhre Vernunft zu fragen, ob ſie Jhnen ein zuverlaͤſſiges Mittel zur Beruhigung Jhres Gewiſſens und zur Verſicherung, daß Gott Sie begnadigt habe oder begnadigen werde, entdecken koͤnne. Finden Sie dann, daß Jhre Vernunft Sie huͤlflos laͤßt, und daß ich, der ich Jhnen dieß zum Voraus ſage, recht darin habe, ſo bleibt Jhnen nichts uͤbrig, als daß Sie das einzige Mittel ergreifen, das in der Welt be- kannt, und von vielen einſichtsvollen und rechtſchaffenen Leuten bewaͤhrt erfunden worden iſt. Ja, ſagte er, das iſt wahr. Dann aber, fuhr ich fort, ſollen Sie dieß Mittel noch nicht auf meine und andrer Menſchen Auto- ritaͤt ſo ungepruͤft annehmen. Das wuͤrde ich Jhnen zumuhten, wenn Gott die Offenbahrung nicht mit Be- weiſen verſehen haͤtte. Aber ſie hat ſo uͤberzeugende Beweiſe,

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/88>, abgerufen am 23.11.2024.