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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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theilen, so zweifelte ich nicht, daß seine Reue so lebhaft
und allgemein werden würde, als es zu einer wahren
Buße nöthig wäre. Von der Liebe Gottes gegen ihn
würde er in seinem Leben viele Beweise finden. Unter
andern könnte er sie daraus erkennen, daß Gott ihm hier
noch in seinem Gefängnisse Zeit und Gelegenheit zur
Bekehrung gönnte. Wie leicht hätte er durch einen
Meuchelmord, der ihm so oft gedroht worden, und so
leicht zu vollziehen gewesen wäre, können hingerissen
werden, wie unwiederbringlich wäre dann sein Heil ver-
lohren gewesen! u. s. w.

Seit unserer letzten Unterredung hatte der Graf
die beyden ersten Theile der Geschichte Jesu gelesen. Jch
fragte ihn nun, wie ihm der Mann gefiele? Seine Mo-
ral, antwortete er, und sein persönliches Verhalten ist
vortrefflich. Jene ist unstreitig für die Menschen in allen
Ständen die beste Anweisung zur Glückseeligkeit. Jch habe
zwar hin und wieder etwas gefunden, das ich nicht ver-
stehe, und das vermuhtlich aus den Sitten und andern
Umständen der damaligen Zeit erklärt werden muß. Aber
es ist mir auch vieles vorgekommen, das mir sehr ans
Herz gedrungen ist. Es hat mich sehr gedemüthigt, daß
ich hier vieles wiederfinde, was ich in meiner Jugend
aus der Bibel gelernt, aber nachher geglaubt habe an-
dern Büchern verdanken zu müssen. Diese gute Mey-
nung, sagte ich hierauf, die Sie von der Person und
der Sittenlehre Jesu haben, muß Jhnen schon ein gut
Vorurtheil für die mit seiner Moral verbundenen That-
sachen und Lehrsätze erwecken. Sagen Sie mir, finden
Sie es wahrscheinlich, daß der Mann, der eine so vor-
treffliche Sittenlehre predigte; der alles, was je die Phi-
losophen brauchbares über das Thun und Lassen der
Menschen, in tausend Büchern zerstreut, gesagt haben,
in einer fruchtbaren Kürze, mit so vieler Einfalt und

Deut-



theilen, ſo zweifelte ich nicht, daß ſeine Reue ſo lebhaft
und allgemein werden wuͤrde, als es zu einer wahren
Buße noͤthig waͤre. Von der Liebe Gottes gegen ihn
wuͤrde er in ſeinem Leben viele Beweiſe finden. Unter
andern koͤnnte er ſie daraus erkennen, daß Gott ihm hier
noch in ſeinem Gefaͤngniſſe Zeit und Gelegenheit zur
Bekehrung goͤnnte. Wie leicht haͤtte er durch einen
Meuchelmord, der ihm ſo oft gedroht worden, und ſo
leicht zu vollziehen geweſen waͤre, koͤnnen hingeriſſen
werden, wie unwiederbringlich waͤre dann ſein Heil ver-
lohren geweſen! u. ſ. w.

Seit unſerer letzten Unterredung hatte der Graf
die beyden erſten Theile der Geſchichte Jeſu geleſen. Jch
fragte ihn nun, wie ihm der Mann gefiele? Seine Mo-
ral, antwortete er, und ſein perſoͤnliches Verhalten iſt
vortrefflich. Jene iſt unſtreitig fuͤr die Menſchen in allen
Staͤnden die beſte Anweiſung zur Gluͤckſeeligkeit. Jch habe
zwar hin und wieder etwas gefunden, das ich nicht ver-
ſtehe, und das vermuhtlich aus den Sitten und andern
Umſtaͤnden der damaligen Zeit erklaͤrt werden muß. Aber
es iſt mir auch vieles vorgekommen, das mir ſehr ans
Herz gedrungen iſt. Es hat mich ſehr gedemuͤthigt, daß
ich hier vieles wiederfinde, was ich in meiner Jugend
aus der Bibel gelernt, aber nachher geglaubt habe an-
dern Buͤchern verdanken zu muͤſſen. Dieſe gute Mey-
nung, ſagte ich hierauf, die Sie von der Perſon und
der Sittenlehre Jeſu haben, muß Jhnen ſchon ein gut
Vorurtheil fuͤr die mit ſeiner Moral verbundenen That-
ſachen und Lehrſaͤtze erwecken. Sagen Sie mir, finden
Sie es wahrſcheinlich, daß der Mann, der eine ſo vor-
treffliche Sittenlehre predigte; der alles, was je die Phi-
loſophen brauchbares uͤber das Thun und Laſſen der
Menſchen, in tauſend Buͤchern zerſtreut, geſagt haben,
in einer fruchtbaren Kuͤrze, mit ſo vieler Einfalt und

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[75/0087] theilen, ſo zweifelte ich nicht, daß ſeine Reue ſo lebhaft und allgemein werden wuͤrde, als es zu einer wahren Buße noͤthig waͤre. Von der Liebe Gottes gegen ihn wuͤrde er in ſeinem Leben viele Beweiſe finden. Unter andern koͤnnte er ſie daraus erkennen, daß Gott ihm hier noch in ſeinem Gefaͤngniſſe Zeit und Gelegenheit zur Bekehrung goͤnnte. Wie leicht haͤtte er durch einen Meuchelmord, der ihm ſo oft gedroht worden, und ſo leicht zu vollziehen geweſen waͤre, koͤnnen hingeriſſen werden, wie unwiederbringlich waͤre dann ſein Heil ver- lohren geweſen! u. ſ. w. Seit unſerer letzten Unterredung hatte der Graf die beyden erſten Theile der Geſchichte Jeſu geleſen. Jch fragte ihn nun, wie ihm der Mann gefiele? Seine Mo- ral, antwortete er, und ſein perſoͤnliches Verhalten iſt vortrefflich. Jene iſt unſtreitig fuͤr die Menſchen in allen Staͤnden die beſte Anweiſung zur Gluͤckſeeligkeit. Jch habe zwar hin und wieder etwas gefunden, das ich nicht ver- ſtehe, und das vermuhtlich aus den Sitten und andern Umſtaͤnden der damaligen Zeit erklaͤrt werden muß. Aber es iſt mir auch vieles vorgekommen, das mir ſehr ans Herz gedrungen iſt. Es hat mich ſehr gedemuͤthigt, daß ich hier vieles wiederfinde, was ich in meiner Jugend aus der Bibel gelernt, aber nachher geglaubt habe an- dern Buͤchern verdanken zu muͤſſen. Dieſe gute Mey- nung, ſagte ich hierauf, die Sie von der Perſon und der Sittenlehre Jeſu haben, muß Jhnen ſchon ein gut Vorurtheil fuͤr die mit ſeiner Moral verbundenen That- ſachen und Lehrſaͤtze erwecken. Sagen Sie mir, finden Sie es wahrſcheinlich, daß der Mann, der eine ſo vor- treffliche Sittenlehre predigte; der alles, was je die Phi- loſophen brauchbares uͤber das Thun und Laſſen der Menſchen, in tauſend Buͤchern zerſtreut, geſagt haben, in einer fruchtbaren Kuͤrze, mit ſo vieler Einfalt und Deut-

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/87>, abgerufen am 27.11.2024.