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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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die Tugend nur für ein Mittel gehalten die Begierden zu
befriedigen, nicht für Pflicht der Verehrung und des
Gehorsams gegen Gott; und die Glückseeligkeit in die
Befriedigung bloß thierischer Triebe gesetzt! Wie leicht
hätten Sie Jhren Jrrthum entdecken können, wenn Sie
sich nur die Mühe hätten geben wollen nachzudenken!

Die ehrwürdigste und edelste Bestimmung des
Menschen zur Ewigkeit haben Sie mit Wohlgefallen in
Zweifel gezogen, ja sich ein angelegentliches Geschäfft
daraus gemacht, sichs zu beweisen, daß die Erwartung
der Zukunft nach dem Tode ein Traum sey, welche, wenn
Sie auch nur in der Einbildung bestünde, doch schon
wegen ihres Einflusses auf die irdische Glückseeligkeit des
Menschen, sehr wichtig wäre. "Ja, sagte er, sie ist
allerdings in jedem Falle für Tugend und Glückseeligkeit
eine sehr wichtige Sache!"

Leichtsinnig, Herr Graf, haben Sie überhaupt
gedacht und gehandelt, nicht überlegt, was Jhre Unter-
nehmungen für Folgen haben könnten oder würden, sich
eingebildet, daß Sie wenigstens die nächsten dieser Fol-
gen in Jhrer Gewalt hätten, und die entferntern ohne
Bedenken dem Zufall überlassen dürften, und sich bloß
dem Raht und Eindruck sinnlicher Triebe anvertraut.

Mit einem Leichtsinn, von dem man schwerlich
ein Beyspiel kennt, haben Sie sich ans Ruder des Staats
gesetzt. Wie konnten Sie sich dazu für geschickt halten?
Vielleicht hatten Sie durch Jhre Lectüre einige gute
Grundsätze der Regierungskunst gesammlet: aber Sie
wissen, jede Kunst, jedes noch so kleine und leichte Hand-
werk, erfordert gewisse Handgriffe, die man nur nach
und nach durch die Uebung lernen kann, und diese Ue-
bung hatten Sie nicht. -- Mit welcher Uebereilung

haben
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die Tugend nur fuͤr ein Mittel gehalten die Begierden zu
befriedigen, nicht fuͤr Pflicht der Verehrung und des
Gehorſams gegen Gott; und die Gluͤckſeeligkeit in die
Befriedigung bloß thieriſcher Triebe geſetzt! Wie leicht
haͤtten Sie Jhren Jrrthum entdecken koͤnnen, wenn Sie
ſich nur die Muͤhe haͤtten geben wollen nachzudenken!

Die ehrwuͤrdigſte und edelſte Beſtimmung des
Menſchen zur Ewigkeit haben Sie mit Wohlgefallen in
Zweifel gezogen, ja ſich ein angelegentliches Geſchaͤfft
daraus gemacht, ſichs zu beweiſen, daß die Erwartung
der Zukunft nach dem Tode ein Traum ſey, welche, wenn
Sie auch nur in der Einbildung beſtuͤnde, doch ſchon
wegen ihres Einfluſſes auf die irdiſche Gluͤckſeeligkeit des
Menſchen, ſehr wichtig waͤre. “Ja, ſagte er, ſie iſt
allerdings in jedem Falle fuͤr Tugend und Gluͤckſeeligkeit
eine ſehr wichtige Sache!„

Leichtſinnig, Herr Graf, haben Sie uͤberhaupt
gedacht und gehandelt, nicht uͤberlegt, was Jhre Unter-
nehmungen fuͤr Folgen haben koͤnnten oder wuͤrden, ſich
eingebildet, daß Sie wenigſtens die naͤchſten dieſer Fol-
gen in Jhrer Gewalt haͤtten, und die entferntern ohne
Bedenken dem Zufall uͤberlaſſen duͤrften, und ſich bloß
dem Raht und Eindruck ſinnlicher Triebe anvertraut.

Mit einem Leichtſinn, von dem man ſchwerlich
ein Beyſpiel kennt, haben Sie ſich ans Ruder des Staats
geſetzt. Wie konnten Sie ſich dazu fuͤr geſchickt halten?
Vielleicht hatten Sie durch Jhre Lectuͤre einige gute
Grundſaͤtze der Regierungskunſt geſammlet: aber Sie
wiſſen, jede Kunſt, jedes noch ſo kleine und leichte Hand-
werk, erfordert gewiſſe Handgriffe, die man nur nach
und nach durch die Uebung lernen kann, und dieſe Ue-
bung hatten Sie nicht. — Mit welcher Uebereilung

haben
E 4
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[71/0083] die Tugend nur fuͤr ein Mittel gehalten die Begierden zu befriedigen, nicht fuͤr Pflicht der Verehrung und des Gehorſams gegen Gott; und die Gluͤckſeeligkeit in die Befriedigung bloß thieriſcher Triebe geſetzt! Wie leicht haͤtten Sie Jhren Jrrthum entdecken koͤnnen, wenn Sie ſich nur die Muͤhe haͤtten geben wollen nachzudenken! Die ehrwuͤrdigſte und edelſte Beſtimmung des Menſchen zur Ewigkeit haben Sie mit Wohlgefallen in Zweifel gezogen, ja ſich ein angelegentliches Geſchaͤfft daraus gemacht, ſichs zu beweiſen, daß die Erwartung der Zukunft nach dem Tode ein Traum ſey, welche, wenn Sie auch nur in der Einbildung beſtuͤnde, doch ſchon wegen ihres Einfluſſes auf die irdiſche Gluͤckſeeligkeit des Menſchen, ſehr wichtig waͤre. “Ja, ſagte er, ſie iſt allerdings in jedem Falle fuͤr Tugend und Gluͤckſeeligkeit eine ſehr wichtige Sache!„ Leichtſinnig, Herr Graf, haben Sie uͤberhaupt gedacht und gehandelt, nicht uͤberlegt, was Jhre Unter- nehmungen fuͤr Folgen haben koͤnnten oder wuͤrden, ſich eingebildet, daß Sie wenigſtens die naͤchſten dieſer Fol- gen in Jhrer Gewalt haͤtten, und die entferntern ohne Bedenken dem Zufall uͤberlaſſen duͤrften, und ſich bloß dem Raht und Eindruck ſinnlicher Triebe anvertraut. Mit einem Leichtſinn, von dem man ſchwerlich ein Beyſpiel kennt, haben Sie ſich ans Ruder des Staats geſetzt. Wie konnten Sie ſich dazu fuͤr geſchickt halten? Vielleicht hatten Sie durch Jhre Lectuͤre einige gute Grundſaͤtze der Regierungskunſt geſammlet: aber Sie wiſſen, jede Kunſt, jedes noch ſo kleine und leichte Hand- werk, erfordert gewiſſe Handgriffe, die man nur nach und nach durch die Uebung lernen kann, und dieſe Ue- bung hatten Sie nicht. — Mit welcher Uebereilung haben E 4

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/83>, abgerufen am 27.11.2024.