sich durch die Schmerzen, die ihm das verursachen wür- de, nicht davon abhalten zu lassen. Er setzte auch die Versicherung hinzu, er wolle sich gern vor Gott noch für weit schlechter und böser erkennen, als er selbst es zu seyn glaubte. Selbstliebe und Vorurtheile könnten ihn sonst leicht verleiten partheiisch in seinem Urtheil über sich zu seyn.
Jch hatte ihm die beyden ersten Theile der Ge- schichte der drey letzten Lebensjahre Jesu mitgebracht, und bat ihn, sich nun den Mann, zu dem ihn, wie ich zum Voraus sähe, das Gefühl seines Elendes gewiß noch treiben würde, von der historischen und moralischen Seite nach und nach bekannt zu machen. Er versicherte mich, daß er die Sittenlehre des Christenthums sehr hochschätz- te, und sie eines göttlichen Ursprungs würdig hielte; er befürchtete aber sehr, seine Zweifel gegen die Geheimnisse, für die die Religion seinen Glauben fordern würde, möch- ten ihn verhindern, von ihrer Wahrheit überzeugt zu werden. Doch verspräche er mir, daß er allen Fleiß anwenden wolle, um noch zur Ueberzeugung davon zu gelangen. Wenn Sie das würklich thun wollen, ant- wortete ich, so verspreche ich Jhnen im Vertrauen auf die Kraft der Wahrheit und auf die Gnade Gottes, daß Jhre Bemühungen nicht vergeblich seyn werden. Sie werden bald sehr vernünftige Ursache finden sich über Jhre Zweifel zu beruhigen. Sie wissen, was ich Jh- nen schon darüber gesagt habe. Wenn Sie an Jhren Zweifeln nur kein Wohlgefallen haben, wenn Sie sie nur nicht aus Feindseeligkeit gegen die Wahrheit fortsetzen und ernähren, wenn Sie nur dagegen Jhren möglichsten Fleiß anwenden, sich die Beweise des Christenthums be- kannt zu machen und ihre Stärke zu empfinden, so wer- den Sie bald die Nichtigkeit dieser Zweifel wahrnehmen, oder doch wenigstens einsehen, daß sie viel zu schwach
sind
ſich durch die Schmerzen, die ihm das verurſachen wuͤr- de, nicht davon abhalten zu laſſen. Er ſetzte auch die Verſicherung hinzu, er wolle ſich gern vor Gott noch fuͤr weit ſchlechter und boͤſer erkennen, als er ſelbſt es zu ſeyn glaubte. Selbſtliebe und Vorurtheile koͤnnten ihn ſonſt leicht verleiten partheiiſch in ſeinem Urtheil uͤber ſich zu ſeyn.
Jch hatte ihm die beyden erſten Theile der Ge- ſchichte der drey letzten Lebensjahre Jeſu mitgebracht, und bat ihn, ſich nun den Mann, zu dem ihn, wie ich zum Voraus ſaͤhe, das Gefuͤhl ſeines Elendes gewiß noch treiben wuͤrde, von der hiſtoriſchen und moraliſchen Seite nach und nach bekannt zu machen. Er verſicherte mich, daß er die Sittenlehre des Chriſtenthums ſehr hochſchaͤtz- te, und ſie eines goͤttlichen Urſprungs wuͤrdig hielte; er befuͤrchtete aber ſehr, ſeine Zweifel gegen die Geheimniſſe, fuͤr die die Religion ſeinen Glauben fordern wuͤrde, moͤch- ten ihn verhindern, von ihrer Wahrheit uͤberzeugt zu werden. Doch verſpraͤche er mir, daß er allen Fleiß anwenden wolle, um noch zur Ueberzeugung davon zu gelangen. Wenn Sie das wuͤrklich thun wollen, ant- wortete ich, ſo verſpreche ich Jhnen im Vertrauen auf die Kraft der Wahrheit und auf die Gnade Gottes, daß Jhre Bemuͤhungen nicht vergeblich ſeyn werden. Sie werden bald ſehr vernuͤnftige Urſache finden ſich uͤber Jhre Zweifel zu beruhigen. Sie wiſſen, was ich Jh- nen ſchon daruͤber geſagt habe. Wenn Sie an Jhren Zweifeln nur kein Wohlgefallen haben, wenn Sie ſie nur nicht aus Feindſeeligkeit gegen die Wahrheit fortſetzen und ernaͤhren, wenn Sie nur dagegen Jhren moͤglichſten Fleiß anwenden, ſich die Beweiſe des Chriſtenthums be- kannt zu machen und ihre Staͤrke zu empfinden, ſo wer- den Sie bald die Nichtigkeit dieſer Zweifel wahrnehmen, oder doch wenigſtens einſehen, daß ſie viel zu ſchwach
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ſich durch die Schmerzen, die ihm das verurſachen wuͤr-
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Verſicherung hinzu, er wolle ſich gern vor Gott noch
fuͤr weit ſchlechter und boͤſer erkennen, als er ſelbſt es zu
ſeyn glaubte. Selbſtliebe und Vorurtheile koͤnnten ihn
ſonſt leicht verleiten partheiiſch in ſeinem Urtheil uͤber
ſich zu ſeyn.
Jch hatte ihm die beyden erſten Theile der Ge-
ſchichte der drey letzten Lebensjahre Jeſu mitgebracht,
und bat ihn, ſich nun den Mann, zu dem ihn, wie ich
zum Voraus ſaͤhe, das Gefuͤhl ſeines Elendes gewiß noch
treiben wuͤrde, von der hiſtoriſchen und moraliſchen Seite
nach und nach bekannt zu machen. Er verſicherte mich,
daß er die Sittenlehre des Chriſtenthums ſehr hochſchaͤtz-
te, und ſie eines goͤttlichen Urſprungs wuͤrdig hielte; er
befuͤrchtete aber ſehr, ſeine Zweifel gegen die Geheimniſſe,
fuͤr die die Religion ſeinen Glauben fordern wuͤrde, moͤch-
ten ihn verhindern, von ihrer Wahrheit uͤberzeugt zu
werden. Doch verſpraͤche er mir, daß er allen Fleiß
anwenden wolle, um noch zur Ueberzeugung davon zu
gelangen. Wenn Sie das wuͤrklich thun wollen, ant-
wortete ich, ſo verſpreche ich Jhnen im Vertrauen auf
die Kraft der Wahrheit und auf die Gnade Gottes, daß
Jhre Bemuͤhungen nicht vergeblich ſeyn werden. Sie
werden bald ſehr vernuͤnftige Urſache finden ſich uͤber
Jhre Zweifel zu beruhigen. Sie wiſſen, was ich Jh-
nen ſchon daruͤber geſagt habe. Wenn Sie an Jhren
Zweifeln nur kein Wohlgefallen haben, wenn Sie ſie
nur nicht aus Feindſeeligkeit gegen die Wahrheit fortſetzen
und ernaͤhren, wenn Sie nur dagegen Jhren moͤglichſten
Fleiß anwenden, ſich die Beweiſe des Chriſtenthums be-
kannt zu machen und ihre Staͤrke zu empfinden, ſo wer-
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/75>, abgerufen am 17.02.2025.
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