Vielleicht haben Sie auch vaterlose Kinder in die Welt gesetzt, die nun aus Mangel der Erziehung der Gesellschaft zur Last werden können, und in Gefahr sind zeitlich und ewig verlohren zu gehen. "Er bat mich hier, mich eines gewissen zweyjährigen Kindes, welches ihm zugehöre, anzunehmen, und für die Erziehung desselben zu sorgen." Jch hatte es kaum ausgeforscht, so erhielt ich schon die Nachricht, daß es gestorben sey. Jch führe diesen Umstand an, weil er ein Beweis seiner Aufrich- tigkeit ist.
Auch eheliche Verbindungen, die doch nach dem übereinstimmenden Urtheile aller gesitteten und ungesitte- ten Völker heilig sollen gehalten werden, werden Sie ohne Zweifel zerrissen haben? -- Welch unersetzliches Unrecht ist dadurch beyden Theilen wiederfahren! -- Und wie muß die Empfindung dieses Unrechts den beleidigten Theil betrübt haben? -- Welche Gewissensangst ist die Folge davon für die unglücklichen Personen geworden, die sich von Jhnen haben verführen lassen, oder kann es noch werden? -- Womit wollen Sie sich entschuldigen, wenn [et]wa der Kummer oder die Verzweiflung des un- schuldigen oder schuldigen Theils ihrer Gesundheit oder ihrem Leben nachtheilig geworden wäre? --
Sollte nicht durch diese Jhre Vergehungen der eheliche Friede, das beste Glück häuslicher Gesellschaften vielfältig gestört worden seyn? "Oft, sagt er hierauf, hätte der leidende Theil sein Unrecht nicht erfahren. Jn einigen Fällen hätte er den Hausfrieden durch guten Raht, den er den Verbrecherinnen gegeben, vielmehr befördert. Mit dergleichen Entschuldigungen habe er sich sonst befriedigt. Jtzt führe er sie nicht in dieser Absicht an."
Müssen
Vielleicht haben Sie auch vaterloſe Kinder in die Welt geſetzt, die nun aus Mangel der Erziehung der Geſellſchaft zur Laſt werden koͤnnen, und in Gefahr ſind zeitlich und ewig verlohren zu gehen. “Er bat mich hier, mich eines gewiſſen zweyjaͤhrigen Kindes, welches ihm zugehoͤre, anzunehmen, und fuͤr die Erziehung deſſelben zu ſorgen.„ Jch hatte es kaum ausgeforſcht, ſo erhielt ich ſchon die Nachricht, daß es geſtorben ſey. Jch fuͤhre dieſen Umſtand an, weil er ein Beweis ſeiner Aufrich- tigkeit iſt.
Auch eheliche Verbindungen, die doch nach dem uͤbereinſtimmenden Urtheile aller geſitteten und ungeſitte- ten Voͤlker heilig ſollen gehalten werden, werden Sie ohne Zweifel zerriſſen haben? — Welch unerſetzliches Unrecht iſt dadurch beyden Theilen wiederfahren! — Und wie muß die Empfindung dieſes Unrechts den beleidigten Theil betruͤbt haben? — Welche Gewiſſensangſt iſt die Folge davon fuͤr die ungluͤcklichen Perſonen geworden, die ſich von Jhnen haben verfuͤhren laſſen, oder kann es noch werden? — Womit wollen Sie ſich entſchuldigen, wenn [et]wa der Kummer oder die Verzweiflung des un- ſchuldigen oder ſchuldigen Theils ihrer Geſundheit oder ihrem Leben nachtheilig geworden waͤre? —
Sollte nicht durch dieſe Jhre Vergehungen der eheliche Friede, das beſte Gluͤck haͤuslicher Geſellſchaften vielfaͤltig geſtoͤrt worden ſeyn? “Oft, ſagt er hierauf, haͤtte der leidende Theil ſein Unrecht nicht erfahren. Jn einigen Faͤllen haͤtte er den Hausfrieden durch guten Raht, den er den Verbrecherinnen gegeben, vielmehr befoͤrdert. Mit dergleichen Entſchuldigungen habe er ſich ſonſt befriedigt. Jtzt fuͤhre er ſie nicht in dieſer Abſicht an.„
Muͤſſen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0072"n="60"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Vielleicht haben Sie auch vaterloſe Kinder in<lb/>
die Welt geſetzt, die nun aus Mangel der Erziehung der<lb/>
Geſellſchaft zur Laſt werden koͤnnen, und in Gefahr ſind<lb/>
zeitlich und ewig verlohren zu gehen. “Er bat mich hier,<lb/>
mich eines gewiſſen zweyjaͤhrigen Kindes, welches ihm<lb/>
zugehoͤre, anzunehmen, und fuͤr die Erziehung deſſelben<lb/>
zu ſorgen.„ Jch hatte es kaum ausgeforſcht, ſo erhielt<lb/>
ich ſchon die Nachricht, daß es geſtorben ſey. Jch fuͤhre<lb/>
dieſen Umſtand an, weil er ein Beweis ſeiner Aufrich-<lb/>
tigkeit iſt.</p><lb/><p>Auch eheliche Verbindungen, die doch nach dem<lb/>
uͤbereinſtimmenden Urtheile aller geſitteten und ungeſitte-<lb/>
ten Voͤlker heilig ſollen gehalten werden, werden Sie<lb/>
ohne Zweifel zerriſſen haben? — Welch unerſetzliches<lb/>
Unrecht iſt dadurch beyden Theilen wiederfahren! — Und<lb/>
wie muß die Empfindung dieſes Unrechts den beleidigten<lb/>
Theil betruͤbt haben? — Welche Gewiſſensangſt iſt die<lb/>
Folge davon fuͤr die ungluͤcklichen Perſonen geworden,<lb/>
die ſich von Jhnen haben verfuͤhren laſſen, oder kann es<lb/>
noch werden? — Womit wollen Sie ſich entſchuldigen,<lb/>
wenn <supplied>et</supplied>wa der Kummer oder die Verzweiflung des un-<lb/>ſchuldigen oder ſchuldigen Theils ihrer Geſundheit oder<lb/>
ihrem Leben nachtheilig geworden waͤre? —</p><lb/><p>Sollte nicht durch dieſe Jhre Vergehungen der<lb/>
eheliche Friede, das beſte Gluͤck haͤuslicher Geſellſchaften<lb/>
vielfaͤltig geſtoͤrt worden ſeyn? “Oft, ſagt er hierauf,<lb/>
haͤtte der leidende Theil ſein Unrecht nicht erfahren. Jn<lb/>
einigen Faͤllen haͤtte er den Hausfrieden durch guten<lb/>
Raht, den er den Verbrecherinnen gegeben, vielmehr<lb/>
befoͤrdert. Mit dergleichen Entſchuldigungen habe er<lb/>ſich ſonſt befriedigt. Jtzt fuͤhre er ſie nicht in dieſer<lb/>
Abſicht an.„</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Muͤſſen</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[60/0072]
Vielleicht haben Sie auch vaterloſe Kinder in
die Welt geſetzt, die nun aus Mangel der Erziehung der
Geſellſchaft zur Laſt werden koͤnnen, und in Gefahr ſind
zeitlich und ewig verlohren zu gehen. “Er bat mich hier,
mich eines gewiſſen zweyjaͤhrigen Kindes, welches ihm
zugehoͤre, anzunehmen, und fuͤr die Erziehung deſſelben
zu ſorgen.„ Jch hatte es kaum ausgeforſcht, ſo erhielt
ich ſchon die Nachricht, daß es geſtorben ſey. Jch fuͤhre
dieſen Umſtand an, weil er ein Beweis ſeiner Aufrich-
tigkeit iſt.
Auch eheliche Verbindungen, die doch nach dem
uͤbereinſtimmenden Urtheile aller geſitteten und ungeſitte-
ten Voͤlker heilig ſollen gehalten werden, werden Sie
ohne Zweifel zerriſſen haben? — Welch unerſetzliches
Unrecht iſt dadurch beyden Theilen wiederfahren! — Und
wie muß die Empfindung dieſes Unrechts den beleidigten
Theil betruͤbt haben? — Welche Gewiſſensangſt iſt die
Folge davon fuͤr die ungluͤcklichen Perſonen geworden,
die ſich von Jhnen haben verfuͤhren laſſen, oder kann es
noch werden? — Womit wollen Sie ſich entſchuldigen,
wenn etwa der Kummer oder die Verzweiflung des un-
ſchuldigen oder ſchuldigen Theils ihrer Geſundheit oder
ihrem Leben nachtheilig geworden waͤre? —
Sollte nicht durch dieſe Jhre Vergehungen der
eheliche Friede, das beſte Gluͤck haͤuslicher Geſellſchaften
vielfaͤltig geſtoͤrt worden ſeyn? “Oft, ſagt er hierauf,
haͤtte der leidende Theil ſein Unrecht nicht erfahren. Jn
einigen Faͤllen haͤtte er den Hausfrieden durch guten
Raht, den er den Verbrecherinnen gegeben, vielmehr
befoͤrdert. Mit dergleichen Entſchuldigungen habe er
ſich ſonſt befriedigt. Jtzt fuͤhre er ſie nicht in dieſer
Abſicht an.„
Muͤſſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/72>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.