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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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oder ist es das Bewußtseyn, daß Sie Gott und Religion
und Tugend in Jhren unglücklichen Freunden beleidigt,
ist es das Gefühl Jhres ganzen Unrechts, was Sie so
weich macht? Er dachte eine Weile nach, und rief aus:
O, es ist entsetzlich schwer, darüber zur Gewißheit zu
kommen!

Gleich darauf setzte er hinzu: Wenn es auch nur
nicht itzt für mich zu spät ist, bey Gott zu suchen!
Jch thue es ja auch itzt nur aus Noth! "Sie haben Ur-
sache, Herr Graf, sich darüber die schmerzlichsten Vor-
würfe zu machen, daß Sie Jhr ganzes Leben bis hieher
fast ohne an Gott zu denken, ohne sich um sein Wohlge-
fallen zu bemühen, haben dahingehen, sich durch alle
seine Güte nicht gewinnen, sondern es ihm nothwendig
gemacht, Sie in das tiefste Elend versinken zu lassen, um
Sie dadurch noch zur Rückkehr zu ihm zu bewegen. Aber
an der Möglichkeit Jhrer Errettung haben Sie deswegen
noch nicht Ursache zu zweifeln. Vor Gott ist kein Un-
terschied zwischen früh und spät, und Ein Antrieb muß
es doch seyn, der den Sünder auf seinen Zustand auf-
merksam macht, und ihm Verlangen nach seiner Begna-
digung bey Gott erweckt, sollte es auch nur das Elend
seyn, womit ihn seine Sünde belohnt. Auf Jhre Auf-
richtigkeit, mit der Sie Gnade suchen werden, wird es
ankommen, ob Gott Sie Jhnen wird schenken können.
Der, den ich als meinen Heyland anbete, und den Sie,
wie ich zu Gott hoffe, auch noch dafür werde erkennen
lernen; sagt, ohne Zeit und Bewegungsgrund zu bestim-
men: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinaus-
stoßen." -- Jch könnte es auch wohl, setzte er hinzu,
aus Gefälligkeit gegen sie thun. "Dieser Gedanke hat
mir schon Unruhe gemacht. Prüfen Sie sich wohl dar-
über. Wenn Sie aus Achtung für die Freundschaft,
die ich für Sie habe, sich entschlossen hätten, mich nicht

durch



oder iſt es das Bewußtſeyn, daß Sie Gott und Religion
und Tugend in Jhren ungluͤcklichen Freunden beleidigt,
iſt es das Gefuͤhl Jhres ganzen Unrechts, was Sie ſo
weich macht? Er dachte eine Weile nach, und rief aus:
O, es iſt entſetzlich ſchwer, daruͤber zur Gewißheit zu
kommen!

Gleich darauf ſetzte er hinzu: Wenn es auch nur
nicht itzt fuͤr mich zu ſpaͤt iſt, bey Gott zu ſuchen!
Jch thue es ja auch itzt nur aus Noth! “Sie haben Ur-
ſache, Herr Graf, ſich daruͤber die ſchmerzlichſten Vor-
wuͤrfe zu machen, daß Sie Jhr ganzes Leben bis hieher
faſt ohne an Gott zu denken, ohne ſich um ſein Wohlge-
fallen zu bemuͤhen, haben dahingehen, ſich durch alle
ſeine Guͤte nicht gewinnen, ſondern es ihm nothwendig
gemacht, Sie in das tiefſte Elend verſinken zu laſſen, um
Sie dadurch noch zur Ruͤckkehr zu ihm zu bewegen. Aber
an der Moͤglichkeit Jhrer Errettung haben Sie deswegen
noch nicht Urſache zu zweifeln. Vor Gott iſt kein Un-
terſchied zwiſchen fruͤh und ſpaͤt, und Ein Antrieb muß
es doch ſeyn, der den Suͤnder auf ſeinen Zuſtand auf-
merkſam macht, und ihm Verlangen nach ſeiner Begna-
digung bey Gott erweckt, ſollte es auch nur das Elend
ſeyn, womit ihn ſeine Suͤnde belohnt. Auf Jhre Auf-
richtigkeit, mit der Sie Gnade ſuchen werden, wird es
ankommen, ob Gott Sie Jhnen wird ſchenken koͤnnen.
Der, den ich als meinen Heyland anbete, und den Sie,
wie ich zu Gott hoffe, auch noch dafuͤr werde erkennen
lernen; ſagt, ohne Zeit und Bewegungsgrund zu beſtim-
men: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinaus-
ſtoßen.„ — Jch koͤnnte es auch wohl, ſetzte er hinzu,
aus Gefaͤlligkeit gegen ſie thun. “Dieſer Gedanke hat
mir ſchon Unruhe gemacht. Pruͤfen Sie ſich wohl dar-
uͤber. Wenn Sie aus Achtung fuͤr die Freundſchaft,
die ich fuͤr Sie habe, ſich entſchloſſen haͤtten, mich nicht

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[47/0059] oder iſt es das Bewußtſeyn, daß Sie Gott und Religion und Tugend in Jhren ungluͤcklichen Freunden beleidigt, iſt es das Gefuͤhl Jhres ganzen Unrechts, was Sie ſo weich macht? Er dachte eine Weile nach, und rief aus: O, es iſt entſetzlich ſchwer, daruͤber zur Gewißheit zu kommen! Gleich darauf ſetzte er hinzu: Wenn es auch nur nicht itzt fuͤr mich zu ſpaͤt iſt, bey Gott zu ſuchen! Jch thue es ja auch itzt nur aus Noth! “Sie haben Ur- ſache, Herr Graf, ſich daruͤber die ſchmerzlichſten Vor- wuͤrfe zu machen, daß Sie Jhr ganzes Leben bis hieher faſt ohne an Gott zu denken, ohne ſich um ſein Wohlge- fallen zu bemuͤhen, haben dahingehen, ſich durch alle ſeine Guͤte nicht gewinnen, ſondern es ihm nothwendig gemacht, Sie in das tiefſte Elend verſinken zu laſſen, um Sie dadurch noch zur Ruͤckkehr zu ihm zu bewegen. Aber an der Moͤglichkeit Jhrer Errettung haben Sie deswegen noch nicht Urſache zu zweifeln. Vor Gott iſt kein Un- terſchied zwiſchen fruͤh und ſpaͤt, und Ein Antrieb muß es doch ſeyn, der den Suͤnder auf ſeinen Zuſtand auf- merkſam macht, und ihm Verlangen nach ſeiner Begna- digung bey Gott erweckt, ſollte es auch nur das Elend ſeyn, womit ihn ſeine Suͤnde belohnt. Auf Jhre Auf- richtigkeit, mit der Sie Gnade ſuchen werden, wird es ankommen, ob Gott Sie Jhnen wird ſchenken koͤnnen. Der, den ich als meinen Heyland anbete, und den Sie, wie ich zu Gott hoffe, auch noch dafuͤr werde erkennen lernen; ſagt, ohne Zeit und Bewegungsgrund zu beſtim- men: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinaus- ſtoßen.„ — Jch koͤnnte es auch wohl, ſetzte er hinzu, aus Gefaͤlligkeit gegen ſie thun. “Dieſer Gedanke hat mir ſchon Unruhe gemacht. Pruͤfen Sie ſich wohl dar- uͤber. Wenn Sie aus Achtung fuͤr die Freundſchaft, die ich fuͤr Sie habe, ſich entſchloſſen haͤtten, mich nicht durch

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/59>, abgerufen am 23.11.2024.