nem wahren Besten gemäß sey. Jch hielt dieß für ein gutes Mittel, eine Schaam durch die andre zu vertreiben. Jch redete darüber ungefähr in folgenden Worten.
Sie haben es eingesehen und Jhre Vernunft ist überzeugt, daß Jhre Hypothese, der Mensch sey eine bloße Maschine, auf alle Weise ungegründet, unzuläng- lich und Gottes und des Menschen unwürdig ist. Sie können die entgegengesetzte bessere Beschaffenheit des Satzes, daß wir aus Leib und Seele bestehen, nicht leugnen, und Vernunft und Erfahrung muß Sie von der Wahrheit desselben überzeugen. Gleichwohl wollen Sie jenen Gedanken nicht fahren lassen, und diesen nicht anneh- men. Was kann und was muß davon die Ursache seyn?
Sie selbst sagen: Jhre Meynung sey zu tief bey Jhnen eingewurzelt; die menschliche Erkenntniß sey un- gewiß; wenn Sie sich bey der Annehmung ihrer bisheri- gen Meynung eine Jllusion gemacht hätten, so befürch- teten Sie bey der Annehmung einer andern auch einer neuen Jllusion ausgesetzt zu seyn. Sind dieß gegründete Ursachen Jhres Widerstandes? Oder sind es nur Aus- flüchte? Jch befürchte das letztere.
Jhre Hypothese ist zu tief bey Jhnen eingewur- zelt. Jn Jhrer Vernunft? Oder in Jhrem Herzen? Jenes ist nicht möglich. Es ist die Natur und Pflicht der Vernunft, dasjenige für wahr zu halten, von dessen Wahrheit sie überzeugt ist. Sie sind von der Falschheit Jhrer Meynung und von der Wahrheit der entgegenge- setzten überzeugt. Also müssen Sie nothwendig jene für falsch, und diese für wahr halten, das ist, sie anneh- men. Thun Sie das nicht, so muß Jhre Meynung, der Mensch sey eine Maschine, zu tief in Jhrem Herzen eingewurzelt seyn. Davon nachher.
Die
nem wahren Beſten gemaͤß ſey. Jch hielt dieß fuͤr ein gutes Mittel, eine Schaam durch die andre zu vertreiben. Jch redete daruͤber ungefaͤhr in folgenden Worten.
Sie haben es eingeſehen und Jhre Vernunft iſt uͤberzeugt, daß Jhre Hypotheſe, der Menſch ſey eine bloße Maſchine, auf alle Weiſe ungegruͤndet, unzulaͤng- lich und Gottes und des Menſchen unwuͤrdig iſt. Sie koͤnnen die entgegengeſetzte beſſere Beſchaffenheit des Satzes, daß wir aus Leib und Seele beſtehen, nicht leugnen, und Vernunft und Erfahrung muß Sie von der Wahrheit deſſelben uͤberzeugen. Gleichwohl wollen Sie jenen Gedanken nicht fahren laſſen, und dieſen nicht anneh- men. Was kann und was muß davon die Urſache ſeyn?
Sie ſelbſt ſagen: Jhre Meynung ſey zu tief bey Jhnen eingewurzelt; die menſchliche Erkenntniß ſey un- gewiß; wenn Sie ſich bey der Annehmung ihrer bisheri- gen Meynung eine Jlluſion gemacht haͤtten, ſo befuͤrch- teten Sie bey der Annehmung einer andern auch einer neuen Jlluſion ausgeſetzt zu ſeyn. Sind dieß gegruͤndete Urſachen Jhres Widerſtandes? Oder ſind es nur Aus- fluͤchte? Jch befuͤrchte das letztere.
Jhre Hypotheſe iſt zu tief bey Jhnen eingewur- zelt. Jn Jhrer Vernunft? Oder in Jhrem Herzen? Jenes iſt nicht moͤglich. Es iſt die Natur und Pflicht der Vernunft, dasjenige fuͤr wahr zu halten, von deſſen Wahrheit ſie uͤberzeugt iſt. Sie ſind von der Falſchheit Jhrer Meynung und von der Wahrheit der entgegenge- ſetzten uͤberzeugt. Alſo muͤſſen Sie nothwendig jene fuͤr falſch, und dieſe fuͤr wahr halten, das iſt, ſie anneh- men. Thun Sie das nicht, ſo muß Jhre Meynung, der Menſch ſey eine Maſchine, zu tief in Jhrem Herzen eingewurzelt ſeyn. Davon nachher.
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nem wahren Beſten gemaͤß ſey. Jch hielt dieß fuͤr ein
gutes Mittel, eine Schaam durch die andre zu vertreiben.
Jch redete daruͤber ungefaͤhr in folgenden Worten.
Sie haben es eingeſehen und Jhre Vernunft iſt
uͤberzeugt, daß Jhre Hypotheſe, der Menſch ſey eine
bloße Maſchine, auf alle Weiſe ungegruͤndet, unzulaͤng-
lich und Gottes und des Menſchen unwuͤrdig iſt. Sie
koͤnnen die entgegengeſetzte beſſere Beſchaffenheit des
Satzes, daß wir aus Leib und Seele beſtehen, nicht
leugnen, und Vernunft und Erfahrung muß Sie von der
Wahrheit deſſelben uͤberzeugen. Gleichwohl wollen Sie
jenen Gedanken nicht fahren laſſen, und dieſen nicht anneh-
men. Was kann und was muß davon die Urſache ſeyn?
Sie ſelbſt ſagen: Jhre Meynung ſey zu tief bey
Jhnen eingewurzelt; die menſchliche Erkenntniß ſey un-
gewiß; wenn Sie ſich bey der Annehmung ihrer bisheri-
gen Meynung eine Jlluſion gemacht haͤtten, ſo befuͤrch-
teten Sie bey der Annehmung einer andern auch einer
neuen Jlluſion ausgeſetzt zu ſeyn. Sind dieß gegruͤndete
Urſachen Jhres Widerſtandes? Oder ſind es nur Aus-
fluͤchte? Jch befuͤrchte das letztere.
Jhre Hypotheſe iſt zu tief bey Jhnen eingewur-
zelt. Jn Jhrer Vernunft? Oder in Jhrem Herzen?
Jenes iſt nicht moͤglich. Es iſt die Natur und Pflicht
der Vernunft, dasjenige fuͤr wahr zu halten, von deſſen
Wahrheit ſie uͤberzeugt iſt. Sie ſind von der Falſchheit
Jhrer Meynung und von der Wahrheit der entgegenge-
ſetzten uͤberzeugt. Alſo muͤſſen Sie nothwendig jene fuͤr
falſch, und dieſe fuͤr wahr halten, das iſt, ſie anneh-
men. Thun Sie das nicht, ſo muß Jhre Meynung,
der Menſch ſey eine Maſchine, zu tief in Jhrem Herzen
eingewurzelt ſeyn. Davon nachher.
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/38>, abgerufen am 28.07.2024.
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