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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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Erziehung in Egypten, Unterricht in den jüdischen Wissen-
schaften hergenommen sind, gaben mir vielmehr Anlaß ih-
ren außerordentlichen Ursprung zu vermuhten. Wie hätte
er sich über die Vorurtheile von jenen hinaussetzen, und diese
verrahten können, indem er ihnen entgegengesetzte Mey-
nungen behauptete? Es finden sich keine Widersprüche in
seinen Gesprächen und Handlungen. Es ist leicht, sich
von diesem allen zu überzeugen, wenn man nur nicht glaubt,
daß unsre Sitten, Gebräuche und Vorurtheile bey der Un-
tersuchung zum Grunde geleget werden müssen. Das
Evangelium sich nicht bekannt machen wollen, weil Chri-
stus ein Jude war, ist eben so viel, als Mendelsons Schrif-
ten nicht zu lesen, weil er es noch ist. Die Lebensgeschichte
Jesu, so in Zürich herausgekommen, verhindert, daß man
sich nicht beym Ausdruck und der Art zu erzählen aufhält,
und zeigt den Zusammenhang der Begebenheiten. Diese
Hindernisse haben zwar nicht den meisten Eindruck auf mich
gemacht: doch mögen sie mich abgehalten haben, gründli-
chere Untersuchungen über die Offenbahrung anzustellen, da
ich beständig die Schriften las, welche sie von der Seite
angriffen.

Die Offenbahrung schien mir nicht nothwendig, ihre
historische Glaubwürdigkeit zweifelhaft, und die darin er-
zählten Begebenheiten wenig wahrscheinlich. Von dem
ersten war ich itzt überzeugt. Die Ungewißheit über die bey-
den vorhin angezeigten Puncte, und die Nothwendigkeit,
stärkere Bewegungsgründe zur Tugend zu finden, als die,
so die Vernunft uns giebt, ließen mich nicht länger daran
zweifeln. Die historische Glaubwürdigkeit und die Mög-
lichkeit der Wunder bewiesen mir Leß und Bonnet. Es
wäre hinlänglich gewesen, durch West die Gewißheit von
der Auferstehung Christi erhalten zu haben: aber Sie
wissen, ich bin alle übrigen Beweise durchgegangen. Jch
hatte vorhin viele Thatsachen in der Naturlehre geglaubt,
wovon ich den Zusammenhang zwischen der Ursache und

Wür-
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Erziehung in Egypten, Unterricht in den juͤdiſchen Wiſſen-
ſchaften hergenommen ſind, gaben mir vielmehr Anlaß ih-
ren außerordentlichen Urſprung zu vermuhten. Wie haͤtte
er ſich uͤber die Vorurtheile von jenen hinausſetzen, und dieſe
verrahten koͤnnen, indem er ihnen entgegengeſetzte Mey-
nungen behauptete? Es finden ſich keine Widerſpruͤche in
ſeinen Geſpraͤchen und Handlungen. Es iſt leicht, ſich
von dieſem allen zu uͤberzeugen, wenn man nur nicht glaubt,
daß unſre Sitten, Gebraͤuche und Vorurtheile bey der Un-
terſuchung zum Grunde geleget werden muͤſſen. Das
Evangelium ſich nicht bekannt machen wollen, weil Chri-
ſtus ein Jude war, iſt eben ſo viel, als Mendelſons Schrif-
ten nicht zu leſen, weil er es noch iſt. Die Lebensgeſchichte
Jeſu, ſo in Zuͤrich herausgekommen, verhindert, daß man
ſich nicht beym Ausdruck und der Art zu erzaͤhlen aufhaͤlt,
und zeigt den Zuſammenhang der Begebenheiten. Dieſe
Hinderniſſe haben zwar nicht den meiſten Eindruck auf mich
gemacht: doch moͤgen ſie mich abgehalten haben, gruͤndli-
chere Unterſuchungen uͤber die Offenbahrung anzuſtellen, da
ich beſtaͤndig die Schriften las, welche ſie von der Seite
angriffen.

Die Offenbahrung ſchien mir nicht nothwendig, ihre
hiſtoriſche Glaubwuͤrdigkeit zweifelhaft, und die darin er-
zaͤhlten Begebenheiten wenig wahrſcheinlich. Von dem
erſten war ich itzt uͤberzeugt. Die Ungewißheit uͤber die bey-
den vorhin angezeigten Puncte, und die Nothwendigkeit,
ſtaͤrkere Bewegungsgruͤnde zur Tugend zu finden, als die,
ſo die Vernunft uns giebt, ließen mich nicht laͤnger daran
zweifeln. Die hiſtoriſche Glaubwuͤrdigkeit und die Moͤg-
lichkeit der Wunder bewieſen mir Leß und Bonnet. Es
waͤre hinlaͤnglich geweſen, durch Weſt die Gewißheit von
der Auferſtehung Chriſti erhalten zu haben: aber Sie
wiſſen, ich bin alle uͤbrigen Beweiſe durchgegangen. Jch
hatte vorhin viele Thatſachen in der Naturlehre geglaubt,
wovon ich den Zuſammenhang zwiſchen der Urſache und

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[297/0309] Erziehung in Egypten, Unterricht in den juͤdiſchen Wiſſen- ſchaften hergenommen ſind, gaben mir vielmehr Anlaß ih- ren außerordentlichen Urſprung zu vermuhten. Wie haͤtte er ſich uͤber die Vorurtheile von jenen hinausſetzen, und dieſe verrahten koͤnnen, indem er ihnen entgegengeſetzte Mey- nungen behauptete? Es finden ſich keine Widerſpruͤche in ſeinen Geſpraͤchen und Handlungen. Es iſt leicht, ſich von dieſem allen zu uͤberzeugen, wenn man nur nicht glaubt, daß unſre Sitten, Gebraͤuche und Vorurtheile bey der Un- terſuchung zum Grunde geleget werden muͤſſen. Das Evangelium ſich nicht bekannt machen wollen, weil Chri- ſtus ein Jude war, iſt eben ſo viel, als Mendelſons Schrif- ten nicht zu leſen, weil er es noch iſt. Die Lebensgeſchichte Jeſu, ſo in Zuͤrich herausgekommen, verhindert, daß man ſich nicht beym Ausdruck und der Art zu erzaͤhlen aufhaͤlt, und zeigt den Zuſammenhang der Begebenheiten. Dieſe Hinderniſſe haben zwar nicht den meiſten Eindruck auf mich gemacht: doch moͤgen ſie mich abgehalten haben, gruͤndli- chere Unterſuchungen uͤber die Offenbahrung anzuſtellen, da ich beſtaͤndig die Schriften las, welche ſie von der Seite angriffen. Die Offenbahrung ſchien mir nicht nothwendig, ihre hiſtoriſche Glaubwuͤrdigkeit zweifelhaft, und die darin er- zaͤhlten Begebenheiten wenig wahrſcheinlich. Von dem erſten war ich itzt uͤberzeugt. Die Ungewißheit uͤber die bey- den vorhin angezeigten Puncte, und die Nothwendigkeit, ſtaͤrkere Bewegungsgruͤnde zur Tugend zu finden, als die, ſo die Vernunft uns giebt, ließen mich nicht laͤnger daran zweifeln. Die hiſtoriſche Glaubwuͤrdigkeit und die Moͤg- lichkeit der Wunder bewieſen mir Leß und Bonnet. Es waͤre hinlaͤnglich geweſen, durch Weſt die Gewißheit von der Auferſtehung Chriſti erhalten zu haben: aber Sie wiſſen, ich bin alle uͤbrigen Beweiſe durchgegangen. Jch hatte vorhin viele Thatſachen in der Naturlehre geglaubt, wovon ich den Zuſammenhang zwiſchen der Urſache und Wuͤr- T 5

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/309>, abgerufen am 27.11.2024.