Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.puncte stelle ich mir die Pflichten der Liebe vor, die ich ge- gen Gott und meinen Erlöser empfinde. Jch muß erstlich wissen und fühlen, was ich meinem Freunde und Wohlthä- ter schuldig bin. Er wünscht mich glücklich zu machen, er bemüht sich darum, er opfert mir auf, was ihm lieb und wehrt ist. So lange ich das alles nicht erkenne und zu schätzen weiß, so lange bin ich seiner Freundschaft noch un- wehrt, ich liebe ihn nicht. Jch bin ihm aber auch schuldig thätig zu seyn, um seinen Absichten gemäß zu handeln. Sonst bin ich undankbar, liebe seine Freundschaft aus blo- ßem Eigennutz, und thue nichts ihrer würdig zu seyn. Hier sehen Sie, nach welchen Grundsätzen ich Gott und meinen Erlöser liebe. Jch weiß, was Gott an mir gethan, was Christus an mich gewendet hat, um mich selig zu machen. Jch weiß, welch ein Heil ich dadurch erlangen soll. Aber ich bin mirs auch bewußt, daß ich alle meine Kräfte anwende nach dem Willen Gottes thätig zu seyn, meine Gesinnungen zu berichtigen, mich zu einer Gott gefälligen Fassung beym Tode zuzubereiten. Jch unterwerfe mich auch ohne den mindesten Widerstand dem Willen Gottes mit mir, weil ich weiß, daß er mich liebt. Jch sehe meinen Tod, und selbst alles Schreckliche und Beschimpfende, was mit dem- selben verbunden ist, als Dinge an, die Gott zu meinem Besten nöthig findet. Jm Anfange meiner Gefangenschaft dachte ich darüber ganz anders, wenn es mir zuweilen ein- fiel, daß dieser Ausgang meiner Sache wahrscheinlich wäre. Jch wünschte, daß ich krank werden und sterben möchte. Auch habe ich wohl den Gedanken gehabt, nicht zu essen und todt zu hungern: aber die Hand würde ich doch nie an mich gelegt haben, wenn ich auch Gelegenheit dazu gehabt hätte. Jtzt danke ich Gott von Herzen, daß keines von beyden geschehen ist. Jch versicherte ihn hierauf, daß ich bey diesen sei- heiter
puncte ſtelle ich mir die Pflichten der Liebe vor, die ich ge- gen Gott und meinen Erloͤſer empfinde. Jch muß erſtlich wiſſen und fuͤhlen, was ich meinem Freunde und Wohlthaͤ- ter ſchuldig bin. Er wuͤnſcht mich gluͤcklich zu machen, er bemuͤht ſich darum, er opfert mir auf, was ihm lieb und wehrt iſt. So lange ich das alles nicht erkenne und zu ſchaͤtzen weiß, ſo lange bin ich ſeiner Freundſchaft noch un- wehrt, ich liebe ihn nicht. Jch bin ihm aber auch ſchuldig thaͤtig zu ſeyn, um ſeinen Abſichten gemaͤß zu handeln. Sonſt bin ich undankbar, liebe ſeine Freundſchaft aus blo- ßem Eigennutz, und thue nichts ihrer wuͤrdig zu ſeyn. Hier ſehen Sie, nach welchen Grundſaͤtzen ich Gott und meinen Erloͤſer liebe. Jch weiß, was Gott an mir gethan, was Chriſtus an mich gewendet hat, um mich ſelig zu machen. Jch weiß, welch ein Heil ich dadurch erlangen ſoll. Aber ich bin mirs auch bewußt, daß ich alle meine Kraͤfte anwende nach dem Willen Gottes thaͤtig zu ſeyn, meine Geſinnungen zu berichtigen, mich zu einer Gott gefaͤlligen Faſſung beym Tode zuzubereiten. Jch unterwerfe mich auch ohne den mindeſten Widerſtand dem Willen Gottes mit mir, weil ich weiß, daß er mich liebt. Jch ſehe meinen Tod, und ſelbſt alles Schreckliche und Beſchimpfende, was mit dem- ſelben verbunden iſt, als Dinge an, die Gott zu meinem Beſten noͤthig findet. Jm Anfange meiner Gefangenſchaft dachte ich daruͤber ganz anders, wenn es mir zuweilen ein- fiel, daß dieſer Ausgang meiner Sache wahrſcheinlich waͤre. Jch wuͤnſchte, daß ich krank werden und ſterben moͤchte. Auch habe ich wohl den Gedanken gehabt, nicht zu eſſen und todt zu hungern: aber die Hand wuͤrde ich doch nie an mich gelegt haben, wenn ich auch Gelegenheit dazu gehabt haͤtte. Jtzt danke ich Gott von Herzen, daß keines von beyden geſchehen iſt. Jch verſicherte ihn hierauf, daß ich bey dieſen ſei- heiter
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puncte ſtelle ich mir die Pflichten der Liebe vor, die ich ge-
gen Gott und meinen Erloͤſer empfinde. Jch muß erſtlich
wiſſen und fuͤhlen, was ich meinem Freunde und Wohlthaͤ-
ter ſchuldig bin. Er wuͤnſcht mich gluͤcklich zu machen, er
bemuͤht ſich darum, er opfert mir auf, was ihm lieb und
wehrt iſt. So lange ich das alles nicht erkenne und zu
ſchaͤtzen weiß, ſo lange bin ich ſeiner Freundſchaft noch un-
wehrt, ich liebe ihn nicht. Jch bin ihm aber auch ſchuldig
thaͤtig zu ſeyn, um ſeinen Abſichten gemaͤß zu handeln.
Sonſt bin ich undankbar, liebe ſeine Freundſchaft aus blo-
ßem Eigennutz, und thue nichts ihrer wuͤrdig zu ſeyn. Hier
ſehen Sie, nach welchen Grundſaͤtzen ich Gott und meinen
Erloͤſer liebe. Jch weiß, was Gott an mir gethan, was
Chriſtus an mich gewendet hat, um mich ſelig zu machen.
Jch weiß, welch ein Heil ich dadurch erlangen ſoll. Aber
ich bin mirs auch bewußt, daß ich alle meine Kraͤfte anwende
nach dem Willen Gottes thaͤtig zu ſeyn, meine Geſinnungen
zu berichtigen, mich zu einer Gott gefaͤlligen Faſſung beym
Tode zuzubereiten. Jch unterwerfe mich auch ohne den
mindeſten Widerſtand dem Willen Gottes mit mir, weil
ich weiß, daß er mich liebt. Jch ſehe meinen Tod, und
ſelbſt alles Schreckliche und Beſchimpfende, was mit dem-
ſelben verbunden iſt, als Dinge an, die Gott zu meinem
Beſten noͤthig findet. Jm Anfange meiner Gefangenſchaft
dachte ich daruͤber ganz anders, wenn es mir zuweilen ein-
fiel, daß dieſer Ausgang meiner Sache wahrſcheinlich
waͤre. Jch wuͤnſchte, daß ich krank werden und ſterben
moͤchte. Auch habe ich wohl den Gedanken gehabt, nicht
zu eſſen und todt zu hungern: aber die Hand wuͤrde ich doch
nie an mich gelegt haben, wenn ich auch Gelegenheit dazu
gehabt haͤtte. Jtzt danke ich Gott von Herzen, daß keines
von beyden geſchehen iſt.
Jch verſicherte ihn hierauf, daß ich bey dieſen ſei-
nen Geſinnungen uͤber ſeine Seeligkeit ſehr getroſt waͤre,
und daß ich ſaͤhe, wie ſehr er Urſache haͤtte, ſo ruhig und
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