Sie sehen, Herr Graf, es ist schon um Jhre Hypothese gethan. Sie ist ein falscher Satz. Sie ist also nicht würdig von einem verständigen Manne beybe- halten zu werden. -- Doch wir wollen sie dem ohnge- achtet noch nicht wegwerfen. Lassen Sie uns erst unter- suchen, ob sie zu der Absicht hinlänglich ist, die bey dem Menschen vorkommenden Erscheinungen zu erklären. Wir wollen dieß nur mit einigen derselben, so wie sie uns zuerst einfallen, versuchen. Das Leben und den Tod des Menschen kann ich aus dem Satz erklären, der Mensch sey eine Maschine. Die Maschine ist in Bewe- gung, das ist, der Mensch lebt. Sie ist zerbrochen, ihre Theile sind verschoben, sie stockt, das ist, der Mensch ist todt. Schwerer möchte es schon seyn die Zeugung und Geburt daraus herzuleiten? Man könnte sagen, Maschi- nen pflegten nicht gezeugt und gebohren, sondern von einem Meister, der da weiß, was er macht, und wozu ers macht, gebauet zu werden. Viele körperliche Verrichtun- gen des Menschen sind aus der Maschine erklärbar; denn unser Leib ist würklich eine Maschine. Dieß sind aber auch nur solche, deren Gegentheil nicht erfolgen kann. Die große Menge der willkührlichen und freyen Hand- lungen, wozu wir den Leib und seine Glieder brauchen, kann niemand aus dem Satze, der Mensch ist eine Ma- schine, begreiflich machen. Denn die Maschine kann keine andre Bewegungen hervorbringen, als diejenigen, die durch ihren Bau bestimmt sind, und deren Gegen- theil durch denselben unmöglich gemacht ist. So ist es unmöglich, daß der Zeiger an einer Uhr von selbst zurück- gehe. Der Mensch aber thut augenscheinlich vieles, dessen Gegentheil er auch hätte thun können, wenn er gewollt hätte. Was wollen Sie endlich von den ab- strakten Jdeen sagen? Diese, antwortete er, können nicht ohne Bilder gemacht werden, und diese Bilder werden aus der Empfindung hergenommen. Die Empfindung
aber
Sie ſehen, Herr Graf, es iſt ſchon um Jhre Hypotheſe gethan. Sie iſt ein falſcher Satz. Sie iſt alſo nicht wuͤrdig von einem verſtaͤndigen Manne beybe- halten zu werden. — Doch wir wollen ſie dem ohnge- achtet noch nicht wegwerfen. Laſſen Sie uns erſt unter- ſuchen, ob ſie zu der Abſicht hinlaͤnglich iſt, die bey dem Menſchen vorkommenden Erſcheinungen zu erklaͤren. Wir wollen dieß nur mit einigen derſelben, ſo wie ſie uns zuerſt einfallen, verſuchen. Das Leben und den Tod des Menſchen kann ich aus dem Satz erklaͤren, der Menſch ſey eine Maſchine. Die Maſchine iſt in Bewe- gung, das iſt, der Menſch lebt. Sie iſt zerbrochen, ihre Theile ſind verſchoben, ſie ſtockt, das iſt, der Menſch iſt todt. Schwerer moͤchte es ſchon ſeyn die Zeugung und Geburt daraus herzuleiten? Man koͤnnte ſagen, Maſchi- nen pflegten nicht gezeugt und gebohren, ſondern von einem Meiſter, der da weiß, was er macht, und wozu ers macht, gebauet zu werden. Viele koͤrperliche Verrichtun- gen des Menſchen ſind aus der Maſchine erklaͤrbar; denn unſer Leib iſt wuͤrklich eine Maſchine. Dieß ſind aber auch nur ſolche, deren Gegentheil nicht erfolgen kann. Die große Menge der willkuͤhrlichen und freyen Hand- lungen, wozu wir den Leib und ſeine Glieder brauchen, kann niemand aus dem Satze, der Menſch iſt eine Ma- ſchine, begreiflich machen. Denn die Maſchine kann keine andre Bewegungen hervorbringen, als diejenigen, die durch ihren Bau beſtimmt ſind, und deren Gegen- theil durch denſelben unmoͤglich gemacht iſt. So iſt es unmoͤglich, daß der Zeiger an einer Uhr von ſelbſt zuruͤck- gehe. Der Menſch aber thut augenſcheinlich vieles, deſſen Gegentheil er auch haͤtte thun koͤnnen, wenn er gewollt haͤtte. Was wollen Sie endlich von den ab- ſtrakten Jdeen ſagen? Dieſe, antwortete er, koͤnnen nicht ohne Bilder gemacht werden, und dieſe Bilder werden aus der Empfindung hergenommen. Die Empfindung
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Sie ſehen, Herr Graf, es iſt ſchon um Jhre
Hypotheſe gethan. Sie iſt ein falſcher Satz. Sie iſt
alſo nicht wuͤrdig von einem verſtaͤndigen Manne beybe-
halten zu werden. — Doch wir wollen ſie dem ohnge-
achtet noch nicht wegwerfen. Laſſen Sie uns erſt unter-
ſuchen, ob ſie zu der Abſicht hinlaͤnglich iſt, die bey dem
Menſchen vorkommenden Erſcheinungen zu erklaͤren.
Wir wollen dieß nur mit einigen derſelben, ſo wie ſie
uns zuerſt einfallen, verſuchen. Das Leben und den
Tod des Menſchen kann ich aus dem Satz erklaͤren, der
Menſch ſey eine Maſchine. Die Maſchine iſt in Bewe-
gung, das iſt, der Menſch lebt. Sie iſt zerbrochen,
ihre Theile ſind verſchoben, ſie ſtockt, das iſt, der Menſch
iſt todt. Schwerer moͤchte es ſchon ſeyn die Zeugung und
Geburt daraus herzuleiten? Man koͤnnte ſagen, Maſchi-
nen pflegten nicht gezeugt und gebohren, ſondern von
einem Meiſter, der da weiß, was er macht, und wozu ers
macht, gebauet zu werden. Viele koͤrperliche Verrichtun-
gen des Menſchen ſind aus der Maſchine erklaͤrbar; denn
unſer Leib iſt wuͤrklich eine Maſchine. Dieß ſind aber
auch nur ſolche, deren Gegentheil nicht erfolgen kann.
Die große Menge der willkuͤhrlichen und freyen Hand-
lungen, wozu wir den Leib und ſeine Glieder brauchen,
kann niemand aus dem Satze, der Menſch iſt eine Ma-
ſchine, begreiflich machen. Denn die Maſchine kann
keine andre Bewegungen hervorbringen, als diejenigen,
die durch ihren Bau beſtimmt ſind, und deren Gegen-
theil durch denſelben unmoͤglich gemacht iſt. So iſt es
unmoͤglich, daß der Zeiger an einer Uhr von ſelbſt zuruͤck-
gehe. Der Menſch aber thut augenſcheinlich vieles,
deſſen Gegentheil er auch haͤtte thun koͤnnen, wenn er
gewollt haͤtte. Was wollen Sie endlich von den ab-
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/28>, abgerufen am 24.11.2024.
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