"einzuziehen, die ihnen angehören. Erlauben Sie mir, "gnädige Frau, daß ich noch Empfehlungen an das Fräu- "lein von Thun und an das Haus des Herrn von Waiz "hinzufüge. Jch habe die Ehre mit den ehrerbietigsten "Gesinnungen zu seyn u. s. w." den 26 April 1772.
Sechs und dreißigste Unterredung, den 27sten April.
Jch kam in Begleitung des Herrn Generallieutenants von Hoben, der auf meine Bitte bey der Communion des Vorurtheilten gegenwärtig seyn wollte. Dieser versi- cherte jenen mit vieler Bewegung, daß ihm dieses eine sehr wichtige und freudenvolle Handlung sey. Jch hielt eine kurze Anrede an ihn, absolvirte ihn nach dem Gebrauch der Kirche und reichte ihm das heilige Abendmahl. Der Mann, der sein fürchterliches Todesurtheil ohne die min- deste in die Augen fallende Bewegung empfieng, war bey dieser feyerlichen Erinnerung an den Tod Jesu so weich, daß er in Thränen zerfloß. Jch habe nie eine Thräne in seinen Augen wahrgenommen, so oft auch von seinem Unglücke und Tode unter uns die Rede gewesen ist: aber über seine Sünden, über das Elend, vornehmlich das moralische, in welches er andre gestürzt, über die Liebe Gottes gegen ihn und das menschliche Geschlecht, hat er mehr geweint, als ich selbst glauben würde, wenn ich es nicht gesehen hätte.
Als die heilige Handlung mit Gebet beschlossen war, bat er den Herrn Commendanten um Erlaubniß, die Kleinigkeiten an Betten und Wäsche, die er bey sich hatte, und das wenige Geld, welches ihm von seinem täglichen Reichsthaler übrig geblieben war, verschenken zu dürfen. Jch habe itzt kein Eigenthum, sagte er. Aber das edelste Geschenk, unterbrach ich ihn, das Jhnen Gott anvertraut hat, Jhre unsterbliche Seele, ist ganz das Jhrige und Gottes. Er nahm hierauf von dem Commendanten auf eine rührende Art Abschied, dankte ihm für alle seine Güte, und
bezeugte,
“einzuziehen, die ihnen angehoͤren. Erlauben Sie mir, “gnaͤdige Frau, daß ich noch Empfehlungen an das Fraͤu- “lein von Thun und an das Haus des Herrn von Waiz “hinzufuͤge. Jch habe die Ehre mit den ehrerbietigſten “Geſinnungen zu ſeyn u. ſ. w.„ den 26 April 1772.
Sechs und dreißigſte Unterredung, den 27ſten April.
Jch kam in Begleitung des Herrn Generallieutenants von Hoben, der auf meine Bitte bey der Communion des Vorurtheilten gegenwaͤrtig ſeyn wollte. Dieſer verſi- cherte jenen mit vieler Bewegung, daß ihm dieſes eine ſehr wichtige und freudenvolle Handlung ſey. Jch hielt eine kurze Anrede an ihn, abſolvirte ihn nach dem Gebrauch der Kirche und reichte ihm das heilige Abendmahl. Der Mann, der ſein fuͤrchterliches Todesurtheil ohne die min- deſte in die Augen fallende Bewegung empfieng, war bey dieſer feyerlichen Erinnerung an den Tod Jeſu ſo weich, daß er in Thraͤnen zerfloß. Jch habe nie eine Thraͤne in ſeinen Augen wahrgenommen, ſo oft auch von ſeinem Ungluͤcke und Tode unter uns die Rede geweſen iſt: aber uͤber ſeine Suͤnden, uͤber das Elend, vornehmlich das moraliſche, in welches er andre geſtuͤrzt, uͤber die Liebe Gottes gegen ihn und das menſchliche Geſchlecht, hat er mehr geweint, als ich ſelbſt glauben wuͤrde, wenn ich es nicht geſehen haͤtte.
Als die heilige Handlung mit Gebet beſchloſſen war, bat er den Herrn Commendanten um Erlaubniß, die Kleinigkeiten an Betten und Waͤſche, die er bey ſich hatte, und das wenige Geld, welches ihm von ſeinem taͤglichen Reichsthaler uͤbrig geblieben war, verſchenken zu duͤrfen. Jch habe itzt kein Eigenthum, ſagte er. Aber das edelſte Geſchenk, unterbrach ich ihn, das Jhnen Gott anvertraut hat, Jhre unſterbliche Seele, iſt ganz das Jhrige und Gottes. Er nahm hierauf von dem Commendanten auf eine ruͤhrende Art Abſchied, dankte ihm fuͤr alle ſeine Guͤte, und
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“einzuziehen, die ihnen angehoͤren. Erlauben Sie mir,
“gnaͤdige Frau, daß ich noch Empfehlungen an das Fraͤu-
“lein von Thun und an das Haus des Herrn von Waiz
“hinzufuͤge. Jch habe die Ehre mit den ehrerbietigſten
“Geſinnungen zu ſeyn u. ſ. w.„ den 26 April 1772.
Sechs und dreißigſte Unterredung, den
27ſten April.
Jch kam in Begleitung des Herrn Generallieutenants
von Hoben, der auf meine Bitte bey der Communion
des Vorurtheilten gegenwaͤrtig ſeyn wollte. Dieſer verſi-
cherte jenen mit vieler Bewegung, daß ihm dieſes eine ſehr
wichtige und freudenvolle Handlung ſey. Jch hielt eine
kurze Anrede an ihn, abſolvirte ihn nach dem Gebrauch der
Kirche und reichte ihm das heilige Abendmahl. Der
Mann, der ſein fuͤrchterliches Todesurtheil ohne die min-
deſte in die Augen fallende Bewegung empfieng, war bey
dieſer feyerlichen Erinnerung an den Tod Jeſu ſo weich, daß
er in Thraͤnen zerfloß. Jch habe nie eine Thraͤne in ſeinen
Augen wahrgenommen, ſo oft auch von ſeinem Ungluͤcke
und Tode unter uns die Rede geweſen iſt: aber uͤber ſeine
Suͤnden, uͤber das Elend, vornehmlich das moraliſche,
in welches er andre geſtuͤrzt, uͤber die Liebe Gottes gegen
ihn und das menſchliche Geſchlecht, hat er mehr geweint,
als ich ſelbſt glauben wuͤrde, wenn ich es nicht geſehen haͤtte.
Als die heilige Handlung mit Gebet beſchloſſen
war, bat er den Herrn Commendanten um Erlaubniß, die
Kleinigkeiten an Betten und Waͤſche, die er bey ſich hatte,
und das wenige Geld, welches ihm von ſeinem taͤglichen
Reichsthaler uͤbrig geblieben war, verſchenken zu duͤrfen.
Jch habe itzt kein Eigenthum, ſagte er. Aber das edelſte
Geſchenk, unterbrach ich ihn, das Jhnen Gott anvertraut
hat, Jhre unſterbliche Seele, iſt ganz das Jhrige und
Gottes. Er nahm hierauf von dem Commendanten auf eine
ruͤhrende Art Abſchied, dankte ihm fuͤr alle ſeine Guͤte, und
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/274>, abgerufen am 16.02.2025.
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