Jch hatte ihm die traurige Nachricht zu bringen, daß sein Urtheil in allen Stücken bestätigt sey, und daß es übermorgen vollzogen werden solle. Was ich vermuhtet hatte, daß er sie mit der möglichsten Gelassenheit anhören würde, das geschah auch. Jn Ansehung der beschimpfen- den Umstände seiner Todesstrafe drückte er sich so aus: Jch habe mich über das alles weit hinausgesetzt, und wünsche nur daß mein Freund Brandt das auch thun möge. Hier in der Welt kann mich, der ich im Begriff bin, sie zu verlassen, weder Ehre noch Schande mehr treffen. Ob mein Fleisch in der Erde oder in der Luft verweset, ob es von Würmern oder Vögeln verzehrt wird, das ist in Beziehung auf mich selbst völlig einerley. Gott wird die Theile meines Körpers, die bey der Auferstehung desselben zu meinem künftigen verklär- ten Leibe nöthig seyn werden, schon aufzubewahren wissen. Jch bin ja das nicht, was aufs Rad gelegt wird. Jch weiß Gottlob sehr gut, wie wenig dieser Staub mein Jch aus- macht. -- Als ich ihm sagte, daß der bevorstehende Dien- stag sein Todestag seyn werde, antwortete er: Jch dachte es würde der Freytag seyn. Aber ich wünschte mir nicht ein- mahl diesen kurzen Aufschub. Das würde eben so viel seyn, als wenn ich eine schmerzhafte zu meiner Gesundheit noth- wendige Operation auszustehen hätte, und sie nun, da sie vor sich gehen sollte, auszusetzen verlangte. Jch würde mich ihr ja doch endlich unterwerfen müssen, und um so viel später gesund werden. Er gieng hierauf noch besonders alle mit seinem Tode verknüpften Umstände einzeln durch, ver- glich sie mit den Umständen des Todes Jesu, und fand daß Jesus aus Liebe zu ihm unendlich viel mehr gelitten habe, als er um seiner Sünden willen werde leiden müssen. Er rühmte auch die Kraft des Gebets zu seiner Beruhigung, wenn er zuweilen über den schweren Schritt, der ihm bevor- stünde bekümmert wäre.
Die Ruhe und Zufriedenheit, mit der er über das alles redete, weiß ich nicht zu beschreiben. Sehr viel hatte
ich
Jch hatte ihm die traurige Nachricht zu bringen, daß ſein Urtheil in allen Stuͤcken beſtaͤtigt ſey, und daß es uͤbermorgen vollzogen werden ſolle. Was ich vermuhtet hatte, daß er ſie mit der moͤglichſten Gelaſſenheit anhoͤren wuͤrde, das geſchah auch. Jn Anſehung der beſchimpfen- den Umſtaͤnde ſeiner Todesſtrafe druͤckte er ſich ſo aus: Jch habe mich uͤber das alles weit hinausgeſetzt, und wuͤnſche nur daß mein Freund Brandt das auch thun moͤge. Hier in der Welt kann mich, der ich im Begriff bin, ſie zu verlaſſen, weder Ehre noch Schande mehr treffen. Ob mein Fleiſch in der Erde oder in der Luft verweſet, ob es von Wuͤrmern oder Voͤgeln verzehrt wird, das iſt in Beziehung auf mich ſelbſt voͤllig einerley. Gott wird die Theile meines Koͤrpers, die bey der Auferſtehung deſſelben zu meinem kuͤnftigen verklaͤr- ten Leibe noͤthig ſeyn werden, ſchon aufzubewahren wiſſen. Jch bin ja das nicht, was aufs Rad gelegt wird. Jch weiß Gottlob ſehr gut, wie wenig dieſer Staub mein Jch aus- macht. — Als ich ihm ſagte, daß der bevorſtehende Dien- ſtag ſein Todestag ſeyn werde, antwortete er: Jch dachte es wuͤrde der Freytag ſeyn. Aber ich wuͤnſchte mir nicht ein- mahl dieſen kurzen Aufſchub. Das wuͤrde eben ſo viel ſeyn, als wenn ich eine ſchmerzhafte zu meiner Geſundheit noth- wendige Operation auszuſtehen haͤtte, und ſie nun, da ſie vor ſich gehen ſollte, auszuſetzen verlangte. Jch wuͤrde mich ihr ja doch endlich unterwerfen muͤſſen, und um ſo viel ſpaͤter geſund werden. Er gieng hierauf noch beſonders alle mit ſeinem Tode verknuͤpften Umſtaͤnde einzeln durch, ver- glich ſie mit den Umſtaͤnden des Todes Jeſu, und fand daß Jeſus aus Liebe zu ihm unendlich viel mehr gelitten habe, als er um ſeiner Suͤnden willen werde leiden muͤſſen. Er ruͤhmte auch die Kraft des Gebets zu ſeiner Beruhigung, wenn er zuweilen uͤber den ſchweren Schritt, der ihm bevor- ſtuͤnde bekuͤmmert waͤre.
Die Ruhe und Zufriedenheit, mit der er uͤber das alles redete, weiß ich nicht zu beſchreiben. Sehr viel hatte
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Jch hatte ihm die traurige Nachricht zu bringen,
daß ſein Urtheil in allen Stuͤcken beſtaͤtigt ſey, und daß es
uͤbermorgen vollzogen werden ſolle. Was ich vermuhtet
hatte, daß er ſie mit der moͤglichſten Gelaſſenheit anhoͤren
wuͤrde, das geſchah auch. Jn Anſehung der beſchimpfen-
den Umſtaͤnde ſeiner Todesſtrafe druͤckte er ſich ſo aus: Jch
habe mich uͤber das alles weit hinausgeſetzt, und wuͤnſche
nur daß mein Freund Brandt das auch thun moͤge. Hier in
der Welt kann mich, der ich im Begriff bin, ſie zu verlaſſen,
weder Ehre noch Schande mehr treffen. Ob mein Fleiſch in
der Erde oder in der Luft verweſet, ob es von Wuͤrmern oder
Voͤgeln verzehrt wird, das iſt in Beziehung auf mich ſelbſt
voͤllig einerley. Gott wird die Theile meines Koͤrpers, die
bey der Auferſtehung deſſelben zu meinem kuͤnftigen verklaͤr-
ten Leibe noͤthig ſeyn werden, ſchon aufzubewahren wiſſen.
Jch bin ja das nicht, was aufs Rad gelegt wird. Jch weiß
Gottlob ſehr gut, wie wenig dieſer Staub mein Jch aus-
macht. — Als ich ihm ſagte, daß der bevorſtehende Dien-
ſtag ſein Todestag ſeyn werde, antwortete er: Jch dachte
es wuͤrde der Freytag ſeyn. Aber ich wuͤnſchte mir nicht ein-
mahl dieſen kurzen Aufſchub. Das wuͤrde eben ſo viel ſeyn,
als wenn ich eine ſchmerzhafte zu meiner Geſundheit noth-
wendige Operation auszuſtehen haͤtte, und ſie nun, da ſie
vor ſich gehen ſollte, auszuſetzen verlangte. Jch wuͤrde
mich ihr ja doch endlich unterwerfen muͤſſen, und um ſo viel
ſpaͤter geſund werden. Er gieng hierauf noch beſonders alle
mit ſeinem Tode verknuͤpften Umſtaͤnde einzeln durch, ver-
glich ſie mit den Umſtaͤnden des Todes Jeſu, und fand daß
Jeſus aus Liebe zu ihm unendlich viel mehr gelitten habe,
als er um ſeiner Suͤnden willen werde leiden muͤſſen. Er
ruͤhmte auch die Kraft des Gebets zu ſeiner Beruhigung,
wenn er zuweilen uͤber den ſchweren Schritt, der ihm bevor-
ſtuͤnde bekuͤmmert waͤre.
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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/268>, abgerufen am 16.02.2025.
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